Nato gegen BRICS
Wenn sich bei größeren politischen Auseinandersetzungen die Morgennebel lichten, wird es im Laufe des Tages meistens digital. Die Schlusskonstellation, in der sich im Ersten Weltkrieg die Blöcke gegenüberstanden, war im Jahr 1913 genauso wenig bereits in Stein gemeißelt wie die des Zweiten Weltkriegs zur Mitte der 1930er Jahre. Aber kurze Zeit später standen die Fronten: Alliierte gegen die Mittel- bzw. Achsenmächte.
In dem in diesem Frühjahr von Washington, London, Paris, Berlin und Brüssel ausgerufenen Wirtschaftskrieg schien es für denjenigen, der nur westliche Mainstream-Medien konsumiert, so, als würde das Ziel erreicht werden, Russland vom Rest der Welt ökonomisch erst zu isolieren und danach zu erdrosseln. Nun haben sich die Nebel gelichtet. Das Lager der Sanktions- und Wirtschaftskrieger umfasst rund 30 Prozent der Weltbevölkerung, das derer, die die Sanktionen gegen Russland ablehnen und mit dem von Wladimir Putin regierten Staat weiter Handel treiben (in vielen Fällen wie Indien oder China im ersten Halbjahr 2022 vermutlich mehr als im zweiten Halbjahr 2021) umfasst rund 70 Prozent der Weltbevölkerung.
Relativ wenige Länder außerhalb des Nato-Verbundes – im Wesentlichen die skandinavischen Beitrittskandidaten, Japan und Nordkorea – haben sich dem Boykottlager angeschlossen. Eine Reihe anderer Länder – auch solche, die in der UNO-Abstimmung Ende Februar die russische Militäroperation verurteilt haben – haben sich de facto dem Lager der Sanktionsverweigerer angeschlossen.
Im Kern haben sich zwei Lager herauskristallisiert: Auf der einen Seite befinden sich die in der Nato zusammengeschlossenen Staaten. Auf sie entfallen rund 12 Prozent der Weltbevölkerung und 41 Prozent des in Dollar gerechneten weltweiten Bruttoinlandprodukts. Ihnen gegenüber stehen die BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, denen sich die meisten anderen sogenannten Entwicklungsländer Asiens, Afrikas und Südamerikas angeschlossen haben. Auf sie entfallen rund 42 Prozent der Weltbevölkerung und 23 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts. Bei allen genannten Werten sind die des Nato-Lagers vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 fallend, die des BRICS-Lagers steigend.
Das ist die inzwischen geklärte Ausgangskonstellation dieses jetzt anbrechenden Wirtschaftskrieges.