Grüne Vergangenheit
Im Frühjahr sind die Kalten Krieger wieder einmal aufgewacht und betreiben eine Hetzkampagne. Zur Zeit des Kalten Krieges waren die Grünen ganz auf der Seite der Friedensaktivisten, aber inzwischen sind sie längst in der Regierung und damit auf der anderen Seite angelangt. Dieser Tage ist mir ein Foto aus dem Jahr 1979 in die Hände gefallen, das daran erinnert, wie engagiert die Grünen mit ihrem Gründungsmitglied Petra Kelly in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts agiert und sogar einen General für ihre Politik gewonnen haben.
Im Oktober 1992 ging die Nachricht vom rätselhaften Tod der Grünen-Politikerin Petra Kelly und ihres Partners General Gert Bastian durch die Medien. War es ein »erweiterter Selbstmord«? Hat Bastian zuerst seine Lebensgefährtin und dann sich selbst erschossen? Die Personen, die ihn gut kannten, konnten dies kaum glauben.
Von 1979 bis 1981 unterrichtete ich am Deutschorden-Gymnasium in Bad Mergentheim. Als Vorsitzender der örtlichen Juso-AG lud ich, zusammen mit Christoph Habermann (später unter anderem stellvertretender Chef des Bundespräsidialamtes in Berlin sowie Staatssekretär in Sachsen und in Rheinland-Pfalz), Künstler und Politiker zu Veranstaltungen ein. Die Diskussionsveranstaltungen hatten alle eine große Resonanz und wurden den Christdemokraten ein Dorn im Auge, weil sie sich in ihrer Idylle gestört fühlten. Dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt sperrten sie den Saal in der Volkshochschule, in dem er mit seinem Programm »Notizen aus der Provinz« auftreten sollte, mit der Begründung, eine »linke Wühlmaus« sei in ihrer Kurstadt nicht erwünscht. Die Vorstellung fand dann im Evangelischen Gemeindehaus statt, das der Pfarrer als Ersatz zur Verfügung stellte. Er wurde bald darauf ebenso wie ich »strafversetzt«.
Im März 1979 referierte General Gert Bastian, Kommandeur der 12. Panzerdivision. Auf einem Foto sieht man mich, umrahmt von Christoph Habermann und General Gert Bastian, der in Uniform auftrat. Im Verlauf der Diskussion stimmte Bastian der These von Herbert Wehner zu, seinerzeit Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, wonach die Rüstung der Sowjetunion nicht offensiv, sondern defensiv ausgerichtet sei. Dies löste ein beispielloses Kesseltreiben, eine Art »Generalmobilmachung« (so der Titel einer 1981 erschienenen Dokumentation des Falls) gegen ihn aus. Die CDU/CSU forderte den Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) auf, den General zu entlassen. Bei der leidenschaftlich geführten Abrüstungsdebatte waren die konservativen Parteien nicht zimperlich, denn wenn man sich gegen die Stationierung von Pershings positionierte, wurde man zumeist als »nützlicher Idiot Moskaus« eingestuft (zum Beispiel von dem damaligen »Wehrexperten« der FAZ Adelbert Weinstein). Apel entzog Bastian sein Kommando und ordnete eine demütigende Versetzung an, die seiner Absetzung gleichkam. Am Ende bat Bastian selbst um seine Versetzung in den Ruhestand. Denn das Ergebnis der vehement geführten »Nachrüstungs-Debatte«, die Stationierung der Pershing II-Raketen in Mutlangen und Heilbronn, lehnte er entschieden ab. Er unterzeichnete den »Krefelder Appell« und schloss sich der Friedensbewegung an. Dort lernte er Petra Kelly kennen und ging mit ihr eine Beziehung ein. Im September 1985 habe ich die beiden zum letzten Mal getroffen. Mit einer halbstündigen Sitzblockade demonstrierten wir zusammen gegen die Stationierung der Atomraketen auf der Heilbronner Waldheide.
Gert Bastian hat immer Zuversicht ausgestrahlt und den Friedensfreunden Mut gemacht, weshalb ich ihn mit einem Gedicht gewürdigt habe: »Wann gab es das bei uns schon mal: / Ein mutiger deutscher General, / der sich für Frieden engagiert / und gegen Rüstung protestiert? / Gert Bastian hat dies vorgelebt / mit klugem Sachverstand / und hat ein neues Bild geprägt / vom Militär im deutschen Land.«
Ob sich die Grünen daran heute noch erinnern?