Chinas Kampf gegen Korruption
Im Jahr 2020 griff die Zentralbank Chinas PBOC hart durch: Ihre Strafzahlungen in genau 417 Fällen erreichten die Rekordhöhe von umgerechnet 97 Mio. Dollar – dreimal so viel wie im Jahr zuvor und fast fünfmal so viel wie 2017, zitiert das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin Global die US-amerikanische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers am 13. Januar. Geahndet wurden Verfehlungen, »nicht angemessen gegen Geldwäsche« vorgegangen zu sein, was vor allem Banken und ihre Manager betraf.
Ein hochrangiger Manager der Finanzaufsicht in der nordostchinesischen Provinz Liaoning beispielsweise hat sich der obersten Anti-Betrugs-Behörde CCDI selbst gestellt und damit eine Reihe von Fällen losgetreten. Die Provinzregierung plant nunmehr, zwölf lokale Geschäftsbanken zusammenzuschließen, um »eine strenge interne Risikokontrolle« einzuführen.
Als »Tumor an den Kapitalmärkten« bezeichnete Yi Huiman, der Chef der nationalen Inspektions-Kommission CCDI, korrupte Unternehmen. Nach Jack Ma’s Monopol-Konglomerat Alibaba und AntGroup nahm die Zentralbank PBOC im Januar auch die neuen Handy-Bezahl-Service-Monopole wie Alipay mit 55,39 Prozent Marktanteil und WeChatPay der Tencent Holdings mit 38,47 Prozent Marktanteil ins Fadenkreuz. Neue Regularien sollen systemische finanzielle Risiken minimieren. Die Regulierungsbehörde für Banken und Versicherungen CBIRC hat – entsprechend den Beschlüssen des Politbüros und der Zentralen Wirtschafts-Arbeitskonferenz – für das Jahr 2021 den Finanzsektor im Fokus und plant, das Asset Management, Hedgefonds und die Immobilienkredit-Blase zu regulieren sowie die Reform und Öffnung des Finanzsektors weiter voranzutreiben, um »finanzielle Risiken zu entschärfen«, wie Caixin am 28. Januar berichtete. Delikte wie Bestechung und Veruntreuung verfolgt die Zentralbank PBOC nicht, darum kümmert sich hocheffektiv die »Zentrale Inspektions-Kommission für Disziplin« (CCDI), angesiedelt beim Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas.
China verzeichnet dabei Rekorde der anderen Art. Die Rekordsumme von 277 Mio. Dollar Bestechungsgelder beispielsweise wurden Lai Xiamin nachgewiesen, dem früheren Boss von Huarong Asset Management Co. Ltd., der in den Jahren 2008 bis 2018 im Austausch gegen Finanzierungen oder Beförderungen die Hand aufhielt. Huarong ist eine der vier größten staatlichen Bad-Banks, in denen dubiose Kredite konzentriert sind. Der »Feind innerhalb des Finanzsystems«, so die »watchdogs« genannten Fahnder der CCDI, stellte auch wegen Bigamie und Absprache mit anderen zur Veruntreuung von öffentlichen Geldern eine »Bedrohung der finanziellen Sicherheit und Stabilität des Landes« dar. Am 5. Januar wurde Lai Xiamin, in Tianjin zum Tode verurteilt – für Le Monde am 29. die Gelegenheit zu behaupten, all die Parteigenossen, die gemaßregelt wurden, seien wegen »Kritik an der Partei und ihrem Chef« verfolgt worden. Das Todesurteil wurde am 29. Januar vollstreckt.
Mit einer lebenslangen Strafe kam der ehemalige Chef der größten politischen Bank Chinas, der China Development Bank (CDB) davon. Hu Huaibang hatte in der Zeit von 2009 bis 2019 13,2 Mio. Dollar Bestechungsgelder angenommen. Er hatte seine Macht genutzt, um Firmen zu schmieren, Finanzierungen und Beförderungen zu erleichtern, heißt es in der Begründung des Gerichts. Hu habe das Urteil akzeptiert, das den Entzug der politischen Rechte auf Lebenszeit und die Konfiskation seines gesamten persönlichen Eigentums beinhalte. Der Prozess deckte eine ganze Seilschaft auf: Darin verwickelt war auch der frühere Chef der kommunistischen Partei in der Provinz Gansu, Wang Sanyun, der zu 12 Jahren verurteilt wurde.
Nach Chinas Präsident Xi Jipings Motto sollen »Fliegen verscheucht« (aus der Partei ausgeschlossen) werden, »aber Tiger im Käfig« landen. Eine kurze Zwischenbilanz ist auf der Website der Neuen Rheinischen Zeitung vom 31. Juli 2019 zu finden. Im Vorfeld der 5. Plenarsitzung der 19. Anti-Korruptions-Kommission CCDI vom 22. bis 24. Januar gab die CCDI bekannt, dass vier weitere gefangene »Tiger«, regionale Parteichefs, aus der Partei ausgeschlossen und im letzten Halbjahr den Untersuchungsbehörden überstellt wurden. Deng Huilin, früher Polizeichef und stellvertretender Bürgermeister der Mega-City Chongqing, habe Cliquen auf Partys gebildet und Schmiergelder akzeptiert; Wen Gudong, früher Vize-Gouverneur der Provinz Quinhai, zog Vorteile vor allem aus illegalen Kohleminen; Luo Jiamang, der frühere Chief accountant der größten staatlichen Nahrungsmittel-Gruppe COFCO Corp., akzeptierte unter anderem Einladungen in Nobelrestaurants und ließ sich Reisen finanzieren. Hu Wenming, ehemaliger Kommandeur von Chinas Flugzeugträger-Entwicklungsprogramm, Parteichef und Boss eines der zwei größten staatlichen Schiffsbauer, der China Shipbuilding Industry Corp. (CSIC), wird eine lange Reihe von Fehlverhalten, Machtmissbrauch und Bestechlichkeit vorgeworfen. Er habe ein ausschweifendes Leben geführt, »illegal Golf gespielt, private Clubs und Banketts besucht, Geschenke und Gratisleistungen angenommen«.
Fazit: Der Kampf gegen Korrup-tion, auch wenn er noch so konsequent geführt wird, bleibt eine Daueraufgabe, solange bürgerliche Ideologie den Egoismus befördert. Das Ausmisten dieses Stalls ist nicht einem Herakles vorbehalten, sondern dem ständigen Bemühen eines Sisyphos überlassen – der in China nicht nur von einem Komitee, sondern durch die massenhafte Unterstützung von Whistleblowern und die uneigennützige Aktivität von Gewerkschaftern und Kommunisten in den PCC-Betriebsgruppen begleitet wird. Schließlich gilt es, die Suprematie der Politik gegenüber der Ökonomie sicherzustellen – gestern gegen den Hunger, heute gegen die Armut, morgen für eine bescheiden wohlhabende Gesellschaft – für den Sozialismus chinesischer Art.