Das Berliner Wahlchaos vom 16.09.21 soll nun endlich die notwendige publizistische und juristische Nachbearbeitung erfahren, bevor es sich jährt und die unvergleichliche hauptstädtische Peinlichkeit in Vergessenheit gerät. Bundeswahlleitung und Verfassungsgerichtshof werden noch viel Klärungsarbeit leisten müssen, sobald die noch bestehenden politischen, pandemischen, wirtschaftlichen und parteispezifischen Probleme Spielraum dafür lassen. Erinnern wir uns an verwechselte, vertauschte und verlorene Unterlagen, mehr abgegebene Stimmen als eingetragene Wähler, über 100%ige Briefwahlbeteiligung im schönen Reinickendorf und anderswo, vom Wahlvorstand kreativ erfundene Ersatzformulare, willkürlich verlängerte Öffnungszeiten der Wahllokale usw. usw. Dass der Verkehr zu und zwischen den Stimmstätten und der Nachschub von Unterlagen zusätzlich durch den durch die Stadt stolpernden Marathon-Wettbewerb erschwert wurde, sei nur nebenbei erwähnt. Bereits an den Folgetagen wurde harsch diskutiert, ob die Wahlen generell oder regional zu wiederholen sind, und wenn ja, unter welchen Umständen. Es steht auch noch der Vorschlag zur Entscheidung, ob man zumindest in der Bundeshauptstadt eine Woche vor den offiziellen Wahlterminen eine Art Testlauf veranstalten sollte, bevor die Termine und Modalitäten freigegeben werden. Es muss wohl auch geklärt werden, wie man sich Bundesbürgern gegenüber verhalten sollte, die eine nochmalige Wahl wie eine Wiederholungs-Impfung ablehnen. Und wie soll mit Bürgern verfahren werden, die in der Zwischenzeit verstorben oder wahlberechtigt geworden sind? Haben im Todesfalle die Hinterbliebenen eine Nacherfüllungspflicht?
Und schließlich: Welche Verursacher des Wahldebakels müssen aus welchen Gründen zur Rechenschaft gezogen werden? Gibt es dabei etwa Parallelen zur Fälschung der letzten DDR-Wahlen durch die verantwortlichen Funktionäre und Angehörigen der Wahl-Kommissionen der »Nationalen Front«?
Wie dem auch sei: Demokratie ist ganz schön anstrengend! – Max Mustermann (19), Erstwähler, Berlin-Friedrichshain