Unsere Presse berichtet nicht nur täglich über politische und personelle Problemsituationen, sondern glücklicherweise ab und zu auch über hygienische Normen und Errungenschaften. So bestimmten Forderungen wie »Faires Pinkeln für alle!« oder »Kostenlose Pissoires für Frauen« im Mai den Tenor etlicher Tageszeitungen. Am 21. Mai 22 wurden die Berliner sowie die Gäste der Hauptstadt von der Berliner Woche unter der lockenden Überschrift »Für die Notdurft im Grünen« über die Übergabe von »24 weiteren autarken Anlagen« informiert, die von der umwelterprobten Firma Wall ab Frühjahr 2023 zur inneren Erleichterung der Bürger nachhaltig aufgestellt werden sollen. Diese Aussicht wird durch ein Foto illustriert, das die Übergabe eines Musters der attraktiven Einrichtung durch den Firmenchef Möller an unsere charmante Umweltsenatorin Bettina Jarasch der Nachwelt erhält. Beide Persönlichkeiten stehen in Tageskleidung vor der modernen Einrichtung und lächeln sich und die Betrachter erfolgssicher, nachhaltig und offensichtlich körperlich erleichtert an. Als männliches Bevölkerungsglied, das im vorgerückten Lebensalter aufgrund urinaler Probleme zweimal jährlich den Facharzt aufsuchen und sich mitunter auf selbst verabscheute Weise Hilfe in der freien Natur verschaffen muss, habe ich für alle sanitären Neuheiten großes Verständnis, so für die Bereitstellung von 2,6 Millionen Euro aus dem Innovationsförderfonds für die Erprobung dieser lt. Presse »autarken Toilettenanlagen«.
Dennoch bleiben für mich nach Kenntnisnahme der Umstände noch mindestens zwei Fragen offen:
- In den Toiletten der Firma Wall gibt es lt. Pressebericht nur Unisextoiletten und keine Steh-Urinale für Frauen (vgl. S. 11, Berlin aktuell). Letzteres war lt. Information der Presse »im Toilettenvertrag nicht erwünscht«. Dafür fehlt mir das Verständnis. Ich bitte deshalb um eine Erläuterung und eine nachvollziehbare Erklärung.
- Die Vokabel »autark« erschließt sich für mich bisher definitiv nicht im Zusammenhang mit Toilettenanlagen. Auch diesbezügliche Recherchen in der Fachliteratur brachten mir keine befriedigende Einsicht. Am einleuchtendsten erschien mir noch die Übersetzung des 1959 erschienenen Fremdwörterbuch des Verlages Enzyklopädie Leipzig, das den Begriff »autark oder autarkisch« als »sich selbst versorgend, unabhängig« erläutert. Dagegen wartet Wilhelm Liebknechts Volkswörterbuch, Dietz Verlag Berlin 1953, für mich bereits seit meiner neulichen Studienzeit als ein knapper und überzeugender Antwortgeber mit einer ausführlichen historischen Erläuterung auf, die ich in diesem Kompendium am wenigsten erwartet hätte. Auch das »Kleine Lexikon von A bis Z«, ebenfalls aus dem Jahre 1959, klammert sich an den Begriff Autokratie und bietet denselben als »Selbstherrschaft« und »Staatsform« an, »in der der Herrscher die Staatsgewalt unumschränkt ausübt« (S. 72). Von weiteren Nachschlägen habe ich daraufhin aus Zeitgründen und wegen der Platzknappheit in unserem Periodikum Abstand genommen und überantworte den Rest gern der Sprachwissenschaft und ihrer Kooperation mit der urologischen Fachwelt sowie der erfahrenen Firma Wall.
Joachim Bedürftig (85), Rentner, 13587 Berlin-Hakenfelde