Alle Kräfte für eine sozial gerechte und damit zukunftsfähige Gesellschaft sind durch den Ampel-Koalitionsvertrag zu erhöhter Wachsamkeit und zu breitem Protest und Widerstand aufgerufen. Der Vertrag verspricht auf Seite eins »Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit« – betreibt also Etikettenschwindel, weil mit der »Nachhaltigkeit« sowohl Gerechtigkeit als auch Freiheit untergraben werden.
Der grundlegende Bruch mit den ausgegebenen Zielen besteht darin, dass Kapitel III den Kapitalismus mit der Begriffs-Schöpfung »Sozial-ökologische Marktwirtschaft« beschönigend weißwäscht. Ein System, in dem ein paar Dutzend Weltkonzerne das Wirtschaftsgeschehen weitgehend kontrollieren, in dem circa 100 Konzerne über 70 Prozent des Welt-CO2-Ausstoßes verantworten, ein solches System ist weder eine Wirtschaft mit einem Markt ungefähr gleich einflussreicher Anbieter von Produkten, noch ist solches »Wirtschaften«, das am Wachstumsdogma festhält und den privaten Profit von immer weniger Superreichen schützt, sozial oder ökologisch.
Darüber hinaus macht eine seltsame Fixierung aufs Militärische die offiziell ausgegebenen Ziele einer Klimapolitik im Koalitionsvertrag unglaubwürdig. Die bisherige Gewichtung der Militär- und der Umwelt-Ausgaben im Bundeshaushalt bemisst sich im Verhältnis von ca. 22 zu eins. Dieses unverantwortlich hohe Missverhältnis zugunsten von Zerstörungsmitteln und -programmen bedeutet eine immense Verbrennung von Ressourcen und einen enormen Ausstoß von Verbrennungsabgasen in die Atmosphäre.
Diese zerstörerische Fiskalpolitik will der Koalitionsvertrag fortsetzen. Der vorherige Vertrag von Rot-Schwarz von 2017 besagte: »Damit die Bundeswehr die ihr erteilten Aufträge in allen Dimensionen sachgerecht erfüllen kann, werden wir den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen.« Der Militäretat stieg seitdem von circa 43 Milliarden US-Dollar auf fast 53 Milliarden US-Dollar, also um mehr als zwanzig Prozent. Der aktuelle Ampel-Koalitionsvertrag besagt: » (…) im Rahmen des Internationalen Krisen- und Konfliktmanagements, die auf dem Völkerrecht insbesondere der Beschlüsse der VN basieren, hat die Landes- und Bündnisverteidigung an Bedeutung gewonnen. Beide Aufgaben sind durch die Bundeswehr gleichermaßen zu erfüllen Die Bundeswehr muss entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell, materiell sowie finanziell verlässlich ausgestattet werden.« Zum einen täuscht der Vertrag vor, die Auslandseinsätze der Bundeswehr bewegen sich im Rahmen des Völkerrechts, obwohl Nato-Kriegshandlungen auch unter Bundeswehrbeteiligung in mehreren Kriegsländern zwischen dem Golf und Nordafrika mit dem Friedensgebot des Völkerrechts brechen. Zum anderen eröffnen derart unkonkrete Formulierungen der Bundeswehr weitere Rüstungsplanungen. Die über 50 Milliarden für das Militärministerium entsprechen sehr genau den notwendigen Investitionen für die Klimaschutz-Planungen der Ampel-Koalition.
Dieser Tatsache entsprechen die Aussagen des Koalitionsvertrages zur Außenpolitik. Während die Regionen, in denen Nato-Streitkräfte zum Einsatz kommen, sich im Stadium des Zerfalls befinden, formuliert der Ampel-Koalitionsvertrag: »Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Internationalen Sicherheit. Wir verbessern ihre Ausrüstung wie auch die der Bundeswehr.« Diese Ankündigung einer weiteren Hochrüstung bedeutet, es werden weitere Mittel für Bildungs-, Gesundheits-, Ökologie-, Infrastruktur- und Sozialpolitik fehlen.
Die Gefährlichkeit des Koalitionsvertrages für das politische wie das ökologische Klima ergibt sich auch aus den Aussagen zur Europapolitik: Im Rot-Schwarzen Koalitionsvertrag strebten die Parteien noch »gute Beziehungen zu Russland« an. Der Ampel-Koalitionsvertrag fordert nun eine »kohärente« Politik gegenüber Russland. Damit verlässt die Ampel den Vertrag zur Deutschen Einheit von 1990, in dessen Präambel Deutschland auf eine Friedenspolitik festgelegt wird, die die Sicherheitsinteressen aller Staaten Europas, also auch Russlands, berücksichtigt. Konkret wirft der Vertrag einseitig Russland vor, in der Krim-Krise Recht gebrochen zu haben. Erneut übergeht dieser Text – wie die gesamte Nato-Propaganda zur Legitimation ihrer Spannungseskalation – die Unterstützung westlicher Kräfte beim Staatsstreich in der Ukraine, der der Krim-Krise vorausging. Dabei wurde eine sogenannte »Übergangsregierung« unter Bruch der Verfassung installiert. Diese pro-westliche Administration hat die Spannungen gegenüber dem russischen Bevölkerungsanteil der Ukraine u.a. mit sprachpolitischer Diskriminierung verschärft. Der Koalitionsvertrag, der all dies ausblendet, dient weder dem Frieden noch der Nachhaltigkeit in Europa und der Welt.
Militärpolitisch fatal ist zusätzlich die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen. Diese Waffen senken die Schwelle zur Anwendung von Gewalt und damit zur Eröffnung von Kriegshandlungen, ihr bisheriger Einsatz hat zu mehr zivilen als militärischen Todesopfern geführt; dies bewirkte bei den Einsatzkräften, die die Drohnen fernsteuern, einen sprunghaften Anstieg von posttraumatischen Belastungsstörungen. Die Formulierung des Koalitionsvertrages, wonach die Kampfdrohnen »unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten« eingesetzt werden sollen, ist nichts als eine hohle Beschwichtigung.
Der Koalitionsvertrag will die Nato-Fähigkeitsziele erfüllen. Konkret heißt das laut Nato-Generalsekretär Stoltenberg: »Wir haben uns darauf geeinigt, mehr schwere Mittel mit mehr High-End-Fähigkeiten bereitzustellen. Die Streitkräfte müssen neue und bahnbrechende Technologien in vollem Umfang nutzen, um sicherzustellen, dass wir unseren technologischen Vorsprung aufrechterhalten. (…) Das ist auch einer der Gründe, warum wir die Verteidigungsausgaben weiter erhöhen müssen« (Behörden Spiegel 25.10.21).
Das Konzept umfasst auch die weitere Nuklear-Rüstung, für die der Vertrag Tür und Tor offenhält. Zitat: »Solange Kernwaffen im Strategischen Konzept der Nato eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.« Damit ist auch der Plan verbunden, an die zehn Milliarden Euro für 45 US-amerikanische F-18- Atombomber auszugeben, die allein für die Führung eines Atomkrieges, also für das finale Inferno bestellt werden. Sie weisen die Fähigkeit auf, die laut Militärs »einsatzfreudigeren«, neuartigen Nuklearsprengköpfe, die im Lauf der Legislaturperiode auch nach Deutschland ausgeliefert werden sollen, ins Angriffsziel transportieren zu können.
Die fiskalische Zielformulierung des Koalitionsvertrages klingt freundlich: Deutschland solle im Sinn eines »inklusiven Ansatzes langfristig drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln« investieren, um seine »Diplomatie und seine Entwicklungspolitik« zu stärken und »seine in der Nato eingegangenen Verpflichtungen« zu erfüllen. Das bedeutet jedoch nichts anderes, als die Hochrüstung um weitere fast dreißig Milliarden auf das Nato-Ziel der zwei Prozent in die Höhe schnellen zu lassen.
Es kommt jetzt darauf an, dass die Friedens- und die Ökologiebewegung die Opposition gegen den Ampel-Regierungskurs von der Straße her organisieren.