Das Wort hat keinen guten Klang. Man hört es kaum oder nie für die superreichen Multimilliardäre in den Super-Demokratien des Westens. Auch nicht bei den Saudis oder den Emiraten am Golf. Im Englischen ist für dieselbe Sache seit dem 19. Jahrhundert auch das Wort plutocrats in Gebrauch, eine gelehrte Wortbildung nach dem Griechengott des Reichtums. Oligarchen werden von hiesigen Meinungsmachern gern in missliebigen Ländern entdeckt – sei es in Russland, der Ukraine oder irgendwo in der fernen, düsteren Welt. Als die eine steinreiche Gruppe in der Ukraine die andere ablöste, blieben die vermeintlich Guten (Schokoladenkönig Poroschenko) vom Titel Oligarch verschont. Und ebenso verschont bleiben die meisten anderen aus jener besitzenden Gruppe von 0,001 Prozent der Weltbevölkerung; es sei denn, sie kommen der westlich-abendländischen »Wertegemeinschaft« in die Quere.
Mit oligarchía (Herrschaft der Wenigen) wurde vor zweieinhalb tausend Jahren im alten Hellas ein Zustand bezeichnet, in dem wenige Familien die Macht ausübten. Der Philosoph Platon und sein Schüler Aristoteles sahen darin die gesetzlose Herrschaft des Eigennutzes: eine Entartung der Staatsform aristokratía (im Sinne der Herrschaft der Besten) und ein Gegensatz zur Demokratie. Diese letztere Form war zwar keine lupenreine Volksherrschaft, denn zum dēmos (Volk) zählte nur ein Teil der Einwohner; aber immerhin.
Im Oligarchen steckt das griechische archós bzw. árchōn: Führer, Oberster. Im heutigen Athen bezeichnet man mit »Archont« einen vornehmen, äußerst wohlhabenden Herrn, und man kennt die Redewendung: Zō san árchontas, d. h. »leben wie die Made im Speck«.
Was tun die herrschenden Oligarchen, wenn sie neben Money-making und Wohlleben zum Herrschen aufgelegt sind? Zu diesem wenig erforschten Thema erschien 2012 ein Buch des Münsteraner Soziologen Hans Jürgen Krysmanski über Das Imperium der Milliardäre: über den Komplex der globalen Geldmacht, den neuen Souverän, den Herrscher von Richistan. Bekannt sind politische Wirkungen der einflussreichen, von Oligarchen bezahlten Forschungsstätten (genannt Think-Tanks). Bei uns gehört die Bertelsmann-Stiftung dazu. Krysmanski beschreibt das Selbstbild der Superreichen und zitiert nebenbei den russischen Ölmagnaten Michail Chordokowski, der vor seiner Verhaftung einer Reporterin sagte: »Wenn heute ein Mann kein Oligarch ist, stimmt etwas nicht mit ihm. Hier [in Russland nach 1990] hatte jeder die gleichen Startbedingungen« – die Tellerwäscher-Legende! Der Chef der Bank Goldman Sachs verstieg sich gegenüber Kritikern zu der Aussage: »We’re doing God’s work.«
Es gab nicht immer so rosige Zeiten. Nach 1917 hatten sie es schwerer, und mit Präsident Roosevelts Wirtschaftspolitik des New Deal begann eine schlechte Zeit für Milliardäre, ihr Anteil an der US-Bevölkerung ging zurück, bis er unter Reagan wieder ansteigen konnte. Nun sind sie, seit dem Durchbruch des deregulierten Kapitalismus, wieder munter und kregel in der Gewissheit: Uns gehört die Welt. Es gibt das völlig überzogene(?) Bonmot, dass für sie der Kauf eines Präsidenten billiger sei als die Anschaffung einer Luxus-Hochseeyacht.