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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wort-Geschichten: Oligarch

Das Wort hat kei­nen guten Klang. Man hört es kaum oder nie für die super­rei­chen Mul­ti­mil­li­ar­dä­re in den Super-Demo­kra­tien des Westens. Auch nicht bei den Sau­dis oder den Emi­ra­ten am Golf. Im Eng­li­schen ist für die­sel­be Sache seit dem 19. Jahr­hun­dert auch das Wort plu­to­crats in Gebrauch, eine gelehr­te Wort­bil­dung nach dem Grie­chen­gott des Reich­tums. Olig­ar­chen wer­den von hie­si­gen Mei­nungs­ma­chern gern in miss­lie­bi­gen Län­dern ent­deckt – sei es in Russ­land, der Ukrai­ne oder irgend­wo in der fer­nen, düste­ren Welt. Als die eine stein­rei­che Grup­pe in der Ukrai­ne die ande­re ablö­ste, blie­ben die ver­meint­lich Guten (Scho­ko­la­den­kö­nig Poro­schen­ko) vom Titel Olig­arch ver­schont. Und eben­so ver­schont blei­ben die mei­sten ande­ren aus jener besit­zen­den Grup­pe von 0,001 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung; es sei denn, sie kom­men der west­lich-abend­län­di­schen »Wer­te­ge­mein­schaft« in die Quere.

Mit olig­ar­chía (Herr­schaft der Weni­gen) wur­de vor zwei­ein­halb tau­send Jah­ren im alten Hel­las ein Zustand bezeich­net, in dem weni­ge Fami­li­en die Macht aus­üb­ten. Der Phi­lo­soph Pla­ton und sein Schü­ler Ari­sto­te­les sahen dar­in die gesetz­lo­se Herr­schaft des Eigen­nut­zes: eine Ent­ar­tung der Staats­form ari­sto­kra­tía (im Sin­ne der Herr­schaft der Besten) und ein Gegen­satz zur Demo­kra­tie. Die­se letz­te­re Form war zwar kei­ne lupen­rei­ne Volks­herr­schaft, denn zum dēmos (Volk) zähl­te nur ein Teil der Ein­woh­ner; aber immerhin.

Im Olig­ar­chen steckt das grie­chi­sche archós bzw. árchōn: Füh­rer, Ober­ster. Im heu­ti­gen Athen bezeich­net man mit »Archont« einen vor­neh­men, äußerst wohl­ha­ben­den Herrn, und man kennt die Rede­wen­dung: Zō san árchon­tas, d. h. »leben wie die Made im Speck«.

Was tun die herr­schen­den Olig­ar­chen, wenn sie neben Money-making und Wohl­le­ben zum Herr­schen auf­ge­legt sind? Zu die­sem wenig erforsch­ten The­ma erschien 2012 ein Buch des Mün­ste­ra­ner Sozio­lo­gen Hans Jür­gen Krys­man­ski über Das Impe­ri­um der Mil­li­ar­dä­re: über den Kom­plex der glo­ba­len Geld­macht, den neu­en Sou­ve­rän, den Herr­scher von Richi­stan. Bekannt sind poli­ti­sche Wir­kun­gen der ein­fluss­rei­chen, von Olig­ar­chen bezahl­ten For­schungs­stät­ten (genannt Think-Tanks). Bei uns gehört die Ber­tels­mann-Stif­tung dazu. Krys­man­ski beschreibt das Selbst­bild der Super­rei­chen und zitiert neben­bei den rus­si­schen Ölma­gna­ten Michail Chor­do­kow­ski, der vor sei­ner Ver­haf­tung einer Repor­te­rin sag­te: »Wenn heu­te ein Mann kein Olig­arch ist, stimmt etwas nicht mit ihm. Hier [in Russ­land nach 1990] hat­te jeder die glei­chen Start­be­din­gun­gen« – die Tel­ler­wä­scher-Legen­de! Der Chef der Bank Gold­man Sachs ver­stieg sich gegen­über Kri­ti­kern zu der Aus­sa­ge: »We’re doing God’s work.«

Es gab nicht immer so rosi­ge Zei­ten. Nach 1917 hat­ten sie es schwe­rer, und mit Prä­si­dent Roo­se­velts Wirt­schafts­po­li­tik des New Deal begann eine schlech­te Zeit für Mil­li­ar­dä­re, ihr Anteil an der US-Bevöl­ke­rung ging zurück, bis er unter Rea­gan wie­der anstei­gen konn­te. Nun sind sie, seit dem Durch­bruch des dere­gu­lier­ten Kapi­ta­lis­mus, wie­der mun­ter und kre­gel in der Gewiss­heit: Uns gehört die Welt. Es gibt das völ­lig über­zo­ge­ne(?) Bon­mot, dass für sie der Kauf eines Prä­si­den­ten bil­li­ger sei als die Anschaf­fung einer Luxus-Hochseeyacht.