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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wort-Geschichten: Drohne

Die Droh­ne ist ein männ­li­ches Wesen. Oft genug sind Deutsch­ler­nen­de erstaunt, oder sie sind empört, wie Mark Twa­in in sei­nem Essay Die schreck­li­che deut­sche Spra­che, wenn ein das-Wort etwas Weib­li­ches und ein die-Wort wie die Droh­ne etwas Männ­li­ches bezeich­net. Tja, das Gegen­stück zur Droh­ne, die Bie­nen­kö­ni­gin, nennt man sogar den Wei­sel. Der Wei­sel, die Braut, paart sich mit der Drohne.

Aber war­um auch nicht. Schließ­lich kann eine Wai­se, eine Kory­phäe oder eine Gei­sel sowohl Mann wie Frau sein. Die gram­ma­ti­sche der/­die/­das-Ein­tei­lung, auch Genus (lat.) genannt oder eng­lisch gen­der, ist nun mal nicht deckungs­gleich mit dem natür­li­chen Geschlecht (lat. sexus, engl. sex). Sonst müss­te ja die gro­ße Mehr­heit unse­rer Wör­ter, die lau­ter unbe­leb­te Din­ge bezeich­net, sämt­lich säch­lich sein, und der Mensch wür­de nur Män­ner mei­nen. Aller­dings behaup­ten uner­schüt­ter­lich und mit gro­ßem Eifer zahl­rei­che Gender-Aktivist*innen, Unidozent*innen und Gleich­stel­lungs­be­auf­trag­te in den öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen unge­ach­tet aller Gegen­ar­gu­men­te: Der »Besu­cher-Ein­gang« oder der »Ein­woh­ner« kön­ne sich nur auf Män­ner bezie­hen. So wur­de nun im Pro­zess der Sen­si­bi­li­sie­rung der Fuß­gän­ger schon mal vor­sorg­lich in der/​die zu Fuß Gehen­de umge­münzt, und die Roll­stuhl­fah­rer sind jetzt laut StVO Fah­ren­de von Kran­ken­fahr- und Roll­stüh­len (wirk­lich, ganz im Ernst! § 26 Verkehrsordnung).

Danie­la Dahn bemerk­te dazu kürz­lich iro­nisch: »Wegen ungün­sti­ger Wit­te­rung ist die west­deut­sche Frau­en-Eman­zi­pa­ti­on in die Gram­ma­tik ver­legt wor­den.« Sie muss daher immer schmun­zeln, »wenn das Enga­ge­ment für die Gleich­be­rech­ti­gung von Frau und Mann dar­an gemes­sen wird, ob Autoren und Autorin­nen, Gewerk­schaf­ter und Gewerk­schaf­te­rin­nen, Kir­chen­glie­der und -glie­de­rin­nen auch ordent­lich gen­dern.« Die Marot­te, stän­dig ver­dop­pelnd zu reden, ist nach Dahn zeit­ver­schwen­dend, umständ­lich, unschön. Recht hat sie.

Zurück zur Droh­ne, dem männ­li­chen Bie­nen­tier. Sei­nen bzw. ihren Namen hat sie offen­bar laut­ma­lend von dem Flug­ge­räusch bekom­men, das sie mit einem ner­vi­gen dr-dr erzeugt. Und das nicht nur im Deut­schen, auch die Schwe­den (d. h. Män­ner wie Frau­en!) sagen dröna­re, die Eng­län­der dro­ne. Das Image des Tier­chens ist schlecht, weil es als fau­ler Nichts­nutz gilt. Spä­te­stens im 16. Jahr­hun­dert hat man fest­ge­stellt, dass die männ­li­che Bie­ne an der Honig­su­che gar nicht betei­ligt und somit das nega­ti­ve Gegen­stück zur flei­ßi­gen Arbeits­bie­ne ist – die über­dies auch den Haus­bau noch zu bewäl­ti­gen hat. Man (Ver­zei­hung!) über­trug zu die­ser Zeit das Wort auf den mensch­li­chen Tau­ge­nichts, im Sin­ne von Schma­rot­zer. Solch Droh­nen­da­sein gilt all­ge­mein als unmo­ra­lisch und verwerflich.

Viel ver­werf­li­cher ist ein ande­res Droh­nen­da­sein. Eine der modern­sten tod­brin­gen­den Kampf­droh­nen ist die MQ-1C Gray Eagle, pro­du­ziert von Gene­ral Ato­mics in Kali­for­ni­en. Die Spann­wei­te der Flü­gel ist 900mal grö­ßer als beim Bie­nen­tier und ihr Stich 1000mal töd­li­cher. Sie erreicht über 8000 Meter Höhe und hat nach Anga­ben des Her­stel­lers ein auto­ma­ti­sches Start- und Lan­de­sy­stem, »das die Arbeit des Steu­er­manns am Boden deut­lich erleich­tert«. Welch ein Fort­schritt. Reu­ters berich­tet, die US-Regie­rung pla­ne, die Ukrai­ne mit sol­chem Gerät auszurüsten.

Aber es wäre falsch, den Fin­ger immer nur auf Ame­ri­ka zu rich­ten, denn hier­zu­lan­de geschieht genug Übles. »Sie summt wie eine gro­ße Hum­mel und lan­det schließ­lich senk­recht auf dem Boden – die Droh­ne Vec­tor«, berich­te­te der WDR im April. Vec­tor wird her­ge­stellt von der Fir­ma Quan­tum Systems bei Mün­chen und ist bereits in der Ost­ukrai­ne im Ein­satz. – Seit vie­len Jah­ren wer­den von deut­schem Boden aus, von einem Ort namens Ram­stein, töd­li­che Robo­ter gelenkt und mor­den mit in aller Welt. (Wer lässt das zu?) Das Hüll­wort dafür ist schon erfun­den: auto­no­me Waf­fe. Ein Klick vom Schreib­tisch aus, und schon nimmt die pro­gram­mier­te Kil­ler­droh­ne ihren Lauf. Für die­ses Teu­fels­werk soll­te bes­ser ein geson­der­tes gram­ma­ti­sches Geschlecht erfun­den wer­den. Zum Bei­spiel genus sata­ni­cum. (Die Her­ren der Droh­nen sind ein fei­ges Pack, sag­te jemand, wenn ich im Infer­no das Sagen hät­te, wür­den sie auf weiß­glü­hen­den Eisen gerö­stet werden.)

Unse­re fau­le, männ­lich-femi­ni­ne Nichts­tu­er-Bie­ne wirkt dem­ge­gen­über direkt liebenswert.