Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Wilhelms Kotaus

Eine näch­ste Run­de wur­de ein­ge­läu­tet, bar jeder Ver­nunft. Der Anwalt von Preu­ßen-Prinz Georg Fried­rich for­der­te mehr Zeit im seit 14 Jah­ren wäh­ren­den Rechts­streit mit dem Land Bran­den­burg und eine Frist­ver­län­ge­rung um ein Jahr. Zur Nazi­ver­gan­gen­heit des Kron­prin­zen Wil­helm (1882 - 1951) bedür­fe es »wei­te­rer histo­ri­scher Recher­chen«, die sehr zeit­auf­wän­dig sei­en. Knack­punkt im anste­hen­den Rechts­streit ist die Fra­ge, ob der ent­eig­ne­te Kron­prinz dem NS-System »erheb­li­chen Vor­schub« gelei­stet hat, was die gefor­der­ten Ent­schä­di­gun­gen aus­schlie­ßen würde.

Für den Histo­ri­ker Eck­art Con­ze, Pro­fes­sor für neue­re und neue­ste Geschich­te an der Uni­ver­si­tät Mar­burg, besteht kein Zwei­fel, »dass die Hohen­zol­lern ins­ge­samt und ins­be­son­de­re der ehe­ma­li­ge Kron­prinz Wil­helm – und um ihn geht es; er ist ent­eig­net wor­den – dem Natio­nal­so­zia­lis­mus erheb­li­chen Vor­schub im Sin­ne die­ses Aus­gleichs­lei­stungs­ge­set­zes von 1994 gelei­stet haben«. Er habe unent­wegt mit einer gro­ßen Ste­tig­keit und einer gro­ßen natio­na­len wie inter­na­tio­na­len Wahr­nehm­bar­keit für den Natio­nal­so­zia­lis­mus gewor­ben. Auch öffent­lich­keits­wirk­sam im Braun­hemd mit Hakenkreuz.

Allein weni­ge Zita­te nur bele­gen, wie Wil­helm dies als gei­stig eng ver­bün­de­ter Vasall in der ver­in­ner­lich­ten Spra­che des Drit­ten Rei­ches arti­ku­lier­te: ob zu Hit­lers Geburts­ta­gen, in pri­va­ten Ange­le­gen­hei­ten, nach der Anne­xi­on von Böh­men und Mäh­ren oder im 2. Welt­krieg (https://fragdenstaat.de/blog/2019/11/14/so-jubelte-kronprinz-wilhelm-hitler-zu/).

Ein ver­ba­ler Kotau folg­te dem näch­sten. Kai­ser­li­che Hoheit hat es nie an tief­ster Unter­tä­nig­keit feh­len las­sen. Da ist am 17. März 1938 von Gefüh­len der Bewun­de­rung und auf­rich­ti­gen Glück­wün­schen »zu der soeben voll­zo­ge­nen Anglie­de­rung von Böh­men und Mäh­ren« die Rede. Spä­ter: Die Kapi­tu­la­ti­on von Hol­land und Bel­gi­en sowie die »Trüm­mer des eng­li­schen Expe­di­ti­ons­korps ins Meer zu trei­ben«, habe den Weg frei gemacht »für eine end­gül­ti­ge Abrech­nung mit dem per­fi­den Albi­on«. Meist ende­ten die Schrei­ben mit »Sieg­heil dem Füh­rer! Heil Deutsch­land!« oder »In unver­än­der­ter Gesin­nung Sieg-Heil«.

In einem hand­schrift­li­chen Brief ver­si­cher­te Kron­prinz Wil­helm, dass »ich in Reih und Glied mit allen deut­schen Volks­ge­nos­sen ste­hend, bereit bin, alles umzu­set­zen, um Ihrer Paro­le: Frie­de, Frei­heit und Gleich­be­rech­ti­gung zum bal­di­gen und vol­len Erfol­ge zu ver­hel­fen«. Dem Wort soll­te die Tat fol­gen. »Mein Wunsch war es, in die­ser ern­sten und schwe­ren Zeit (…) an mili­tä­ri­scher Stel­le ver­wandt zu wer­den. Der Wunsch ist mir ver­sagt geblie­ben« (Schrei­ben undatiert).

Der »vol­le Erfolg«, an dem sich Exzel­lenz gern betei­ligt gese­hen hät­te, war bekannt­lich ver­hee­rend. Die Zahl der durch Kriegs­ein­wir­kung Getö­te­ten liegt bei etwa 60 bis 65 Mil­lio­nen. Die Schät­zun­gen, die Ver­bre­chen und Kriegs­fol­gen ein­be­zie­hen, rei­chen bis zu 80 Mil­lio­nen. Euro­pa ver­wü­stet. Deutsch­land ein Trümmermeer.

Nach der Anglie­de­rung der DDR stell­te der Groß­va­ter von Georg Fried­rich, Dr. Lou­is Fer­di­nand Prinz von Preu­ßen, einen Antrag auf Rück­über­tra­gung von ohne Gerichts­ver­fah­ren ent­eig­ne­ten Grund­stücken und wei­te­ren Ver­mö­gens­wer­ten. Auf­grund der unkla­ren Geset­zes­la­ge schei­ter­te der Antrag auf Rück­über­tra­gung zunächst, bis 1994 eine gesetz­li­che Rege­lung mit Ein­schrän­kun­gen getrof­fen wurde.

Pikan­te­rie am Ran­de, auf der Web­sei­te der Hohen­zol­lern ver­merkt: Als dama­li­ger Chef des Hau­ses Hohen­zol­lern folg­te Prinz Lou­is Fer­di­nand mehr­fach Ein­la­dun­gen der Regie­rung der DDR in das unge­lieb­te Land. Dem Pots­da­mer wur­de sogar mehr­fach die Rück­ga­be von Schloss Ceci­li­en­hof ange­bo­ten. Er lehn­te ab, weil er »sämt­li­che Eigen­tums­fra­gen« erst nach einer (damals noch unwahr­schein­li­chen) Wie­der­ver­ei­ni­gung durch demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Regie­run­gen klä­ren las­sen wolle.

Das geschah letzt­end­lich auch am 26. Okto­ber 2004 durch den Zwei­ten Senat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (http://www.bverfg.de/e/rs20041026_2bvr095500.html). Es wur­den näm­lich Ver­fas­sungs­be­schwer­den gegen Ent­eig­nun­gen zurück­ge­wie­sen, da der Senat »kei­ne Pflicht zur Rück­ga­be des in dem Zeit­raum von 1945 bis 1949 außer­halb des staat­li­chen Ver­ant­wor­tungs­be­reichs ent­schä­di­gungs­los ent­zo­ge­nen Eigen­tums« sah. Und wei­ter: »Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land unter­liegt kei­ner aus dem Völ­ker­recht abge­lei­te­ten Pflicht zur Resti­tu­ti­on des von den Eigen­tums­ent­zie­hun­gen Betroffenen.«

Im Rück­blick wäre wohl »der Spatz Ceci­li­en­hof« aus der Hand der DDR bes­ser gewe­sen als »die Tau­be« auf dem demo­kra­ti­schen Einheitsdach.

Georg Fried­rich von Preu­ßen könn­te mit gebüh­ren­dem Anstand so viel Schneid auf­brin­gen, sich des wei­te­ren Pro­zes­sie­rens bei unge­wis­sem Aus­gang zu ent­le­di­gen. Ein Maxi­mal­ge­winn an all­ge­mei­ner Repu­ta­ti­on für die Hohen­zol­lern stün­de ins Haus.