Eine nächste Runde wurde eingeläutet, bar jeder Vernunft. Der Anwalt von Preußen-Prinz Georg Friedrich forderte mehr Zeit im seit 14 Jahren währenden Rechtsstreit mit dem Land Brandenburg und eine Fristverlängerung um ein Jahr. Zur Nazivergangenheit des Kronprinzen Wilhelm (1882 - 1951) bedürfe es »weiterer historischer Recherchen«, die sehr zeitaufwändig seien. Knackpunkt im anstehenden Rechtsstreit ist die Frage, ob der enteignete Kronprinz dem NS-System »erheblichen Vorschub« geleistet hat, was die geforderten Entschädigungen ausschließen würde.
Für den Historiker Eckart Conze, Professor für neuere und neueste Geschichte an der Universität Marburg, besteht kein Zweifel, »dass die Hohenzollern insgesamt und insbesondere der ehemalige Kronprinz Wilhelm – und um ihn geht es; er ist enteignet worden – dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub im Sinne dieses Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 geleistet haben«. Er habe unentwegt mit einer großen Stetigkeit und einer großen nationalen wie internationalen Wahrnehmbarkeit für den Nationalsozialismus geworben. Auch öffentlichkeitswirksam im Braunhemd mit Hakenkreuz.
Allein wenige Zitate nur belegen, wie Wilhelm dies als geistig eng verbündeter Vasall in der verinnerlichten Sprache des Dritten Reiches artikulierte: ob zu Hitlers Geburtstagen, in privaten Angelegenheiten, nach der Annexion von Böhmen und Mähren oder im 2. Weltkrieg (https://fragdenstaat.de/blog/2019/11/14/so-jubelte-kronprinz-wilhelm-hitler-zu/).
Ein verbaler Kotau folgte dem nächsten. Kaiserliche Hoheit hat es nie an tiefster Untertänigkeit fehlen lassen. Da ist am 17. März 1938 von Gefühlen der Bewunderung und aufrichtigen Glückwünschen »zu der soeben vollzogenen Angliederung von Böhmen und Mähren« die Rede. Später: Die Kapitulation von Holland und Belgien sowie die »Trümmer des englischen Expeditionskorps ins Meer zu treiben«, habe den Weg frei gemacht »für eine endgültige Abrechnung mit dem perfiden Albion«. Meist endeten die Schreiben mit »Siegheil dem Führer! Heil Deutschland!« oder »In unveränderter Gesinnung Sieg-Heil«.
In einem handschriftlichen Brief versicherte Kronprinz Wilhelm, dass »ich in Reih und Glied mit allen deutschen Volksgenossen stehend, bereit bin, alles umzusetzen, um Ihrer Parole: Friede, Freiheit und Gleichberechtigung zum baldigen und vollen Erfolge zu verhelfen«. Dem Wort sollte die Tat folgen. »Mein Wunsch war es, in dieser ernsten und schweren Zeit (…) an militärischer Stelle verwandt zu werden. Der Wunsch ist mir versagt geblieben« (Schreiben undatiert).
Der »volle Erfolg«, an dem sich Exzellenz gern beteiligt gesehen hätte, war bekanntlich verheerend. Die Zahl der durch Kriegseinwirkung Getöteten liegt bei etwa 60 bis 65 Millionen. Die Schätzungen, die Verbrechen und Kriegsfolgen einbeziehen, reichen bis zu 80 Millionen. Europa verwüstet. Deutschland ein Trümmermeer.
Nach der Angliederung der DDR stellte der Großvater von Georg Friedrich, Dr. Louis Ferdinand Prinz von Preußen, einen Antrag auf Rückübertragung von ohne Gerichtsverfahren enteigneten Grundstücken und weiteren Vermögenswerten. Aufgrund der unklaren Gesetzeslage scheiterte der Antrag auf Rückübertragung zunächst, bis 1994 eine gesetzliche Regelung mit Einschränkungen getroffen wurde.
Pikanterie am Rande, auf der Webseite der Hohenzollern vermerkt: Als damaliger Chef des Hauses Hohenzollern folgte Prinz Louis Ferdinand mehrfach Einladungen der Regierung der DDR in das ungeliebte Land. Dem Potsdamer wurde sogar mehrfach die Rückgabe von Schloss Cecilienhof angeboten. Er lehnte ab, weil er »sämtliche Eigentumsfragen« erst nach einer (damals noch unwahrscheinlichen) Wiedervereinigung durch demokratisch legitimierte Regierungen klären lassen wolle.
Das geschah letztendlich auch am 26. Oktober 2004 durch den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts (http://www.bverfg.de/e/rs20041026_2bvr095500.html). Es wurden nämlich Verfassungsbeschwerden gegen Enteignungen zurückgewiesen, da der Senat »keine Pflicht zur Rückgabe des in dem Zeitraum von 1945 bis 1949 außerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs entschädigungslos entzogenen Eigentums« sah. Und weiter: »Die Bundesrepublik Deutschland unterliegt keiner aus dem Völkerrecht abgeleiteten Pflicht zur Restitution des von den Eigentumsentziehungen Betroffenen.«
Im Rückblick wäre wohl »der Spatz Cecilienhof« aus der Hand der DDR besser gewesen als »die Taube« auf dem demokratischen Einheitsdach.
Georg Friedrich von Preußen könnte mit gebührendem Anstand so viel Schneid aufbringen, sich des weiteren Prozessierens bei ungewissem Ausgang zu entledigen. Ein Maximalgewinn an allgemeiner Reputation für die Hohenzollern stünde ins Haus.