Der Herr Bundespräsident redet, der Herr NRW-Ministerpräsident hat das Lachen nicht verlernt. Adrett gekleidet, erscheint die wahlkämpfende Politik im vom Hochwasser verwüsteten Gebiet und erklärt den Flutopfern, warum man an den desaströsen Zuständen keine Schuld trage.
Naja. Ich verbrachte meine Jugendzeit in Zell am See, da gab es noch Bauern, die an den steilen Berghängen mit Steigeisen an den Füßen mit der Sense das Gras mähten, um für Ihre Kühe Futter zu haben. Damals gab es eine Seilbahn auf die Schmittenhöhe und unten im Tal einen Schlepplift, der führte auf die Ebenbergalm und gehörte der Familie Dorn.
Heute gibt es in der »Bergstadt« Zell am See allein im Gebiet der Schmittenhöhe 28 Seilbahnen und Lifte, und im Gebiet Kitzsteinhorn, mit einem Gletscher, sorgen 23 Seilbahnen und Lifte für zum Teil ganzjähriges »Schifoanvergnügen«. Die dazugehörigen Pisten werden, ob es nun schneit oder nicht, mit Schneekanonen(!) für die »Saison« vorbereitet. Die beginnt oft Ende Oktober und hört meist zu Ostern auf. In der Zwischenzeit dürfen sich die Pisten »erholen«. Dass da ein Starkregen, wie er jetzt in Teilen von Bayern, Rheinlandpfalz und NRW wütete, für eine komplette Zerstörung sorgen kann, erlebten gerade einige Orte in Bayern.
Der zukünftige deutsche Bundeskanzler, dem das Lachen im Halse nicht steckenblieb, während der Bundespräsident tröstende Worte sprach, hat in NRW, wie schon vorherige Landesregierungen, mit dafür gesorgt, dass der Braunkohleabbau große Teile funktionierender Naturräume zerstörte. Jeder Protest, der seit Jahrzehnten stattfand, wurde brutal bekämpft, mit Unterstützung der Gesamtmedien.
Im Jahre 2011 ist von der Autorin Ingrid Bachér im Dittrich Verlag der Roman »Die Grube« erschienen. In einer Vorbemerkung zu diesem Roman, der viel mehr Beachtung hätte finden müssen und heute für 4,18 € verramscht wird, aber auch noch für 12 € im Buchladen gekauft werden kann, schreibt die Autorin: »In diesem Roman sind alle Personen, die mit Namen genannt werden, fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen können nur rein zufällig sein. (…) Doch die mit ihren wahren Namen genannten Dörfer und ihre Vernichtung, die Grube und ihre unaufhaltsame Ausdehnung, werden geschildert, wie ich es sah und erlebte.
Ich danke allen, die mir Auskunft gaben und die mich anteilnehmen ließen über zwei Jahrzehnte hinweg, in denen ein Dorf nach dem anderen für immer unauffindbar verschwand, und dies mitten in unserem friedlichen Land.«
Sterbende Dörfer, Vertriebene, Heimatvernichtung. Eine junge Frau erzählt in diesem Roman vom Braunkohlenkrieg: »Kein Krieg, keine Besatzung, keine Naturkatastrophe in all den Jahrtausenden hat unser Land so gründlich vernichtet wie diese Braunkohle-Connection. (…) Was für ein schönes Land und was für korrupte Politiker!« Die Erzählerin verliert ihren Bruder, der die Zerstörung des Hofes, der seit vielen Generationen im Besitz der Familie war, nicht verkraftet. Herzinfarkt. Der Text des Buches ist zum Teil kaum zu ertragen, weil er in einer Sprache, die hart und doch mitfühlend ist, eine Wut entstehen lässt, die tiefe Verzweiflung erzeugt.
Wie passend klingt da, was der Chef des größten deutschen Energiekonzerns e.on, Johannes Teyssen, in der BILD im Jahre 2011 verkündete: »Die Energiewende darf Strom nicht zum Luxusgut, zum Spaltgraben der Gesellschaft machen. Wird der Energieumbau zu teuer, dann muss das Sozialsystem einspringen und die Mehrbelastung für einkommensschwache Haushalte abfedern.« Die Profiteure des Profitmaximierungssystems springen selbstredend für nichts ein! Sie kassieren höchstens noch für entgangene Gewinne und lassen sich für den schmerzlichen Verlust der Atomkraft- und Kohlekraftwerke »entschädigen«. Nein, die Menschen, die den Kahlschlag erlebten, wurden nicht entschädigt.
In der Schule wird bald nicht mehr gelesen werden, dafür wird eine »Virus-Schulpolitik« schon sorgen, aber solange noch gelesen wird, wäre dieser Roman eigentlich Pflichtlektüre. Leider hat er es nie in die Spiegel-Bestsellerliste geschafft, und auch die »Literaturpäpstinnen und Literaturpäpste« haben ihn weder empfohlen noch besprochen.
Ob in NRW Lebensraum weggebaggert oder Regenwald in Südamerika vernichtet wird, in den Alpen Skilifte, Seilbahnen die Landschaft zerstören: Man findet für alles »vernünftige« Erklärungen. Das Wort »Klimawandel« bleibt ein Mysterium. Und die »Energiewende« findet in Bayern ohne Windkraft statt, denn die zerstört, laut Söder, ja die wunderschöne bayerische Landschaft, die nun allerdings im Starkregenmorast verschwindet. Wird alles wieder aufgebaut!
Das »Sozialsystem«, das von denen nicht finanziert wird, die dessen Inanspruchnahme forsch einfordern, wird bald zur Fata Morgana werden. Die Bereicherung nach der Methode »FFP2Maskenbeschaffung« wird fortgesetzt. Wer demnächst in diesem, nichtunserem Land wählen geht, der kann dort eigentlich seine Stimme keiner der Parteien geben, die allesamt seit Jahrzehnten die Landschaft zerstören und sie den Gewinninteressen der Großkonzerne opfern.
Dass ein Warnsystem besser funktionieren muss, kann jetzt nicht das Thema sein. Vielmehr muss überall dort, wo Starkregengefahr besteht, für Schutzmaßnahmen gesorgt und Bauland in Zukunft anders vergeben werden, um Leben und Lebensleistung der Menschen nicht zu gefährden. Das geschah bisher nicht. Die Warnungen, es gibt sie schon seit Jahrzehnten, lange bevor sich die Pseudoumweltschutzpartei DIE GRÜNEN gründete, wurden verharmlost oder schlichtweg als demokratiefeindlich denunziert.
Die Grüßaugustinnen und -auguste sondern ein »Glück auf« ab und sitzen das Problem aus. Wie immer wird der Wahltag im September wohl kein Zahltag.