Mit der deutschen Sprache hat mans nicht leicht – besonders wenn es sich um die eigene Muttersprache handelt. Apropos: Warum eigentlich Muttersprache? Mein Vater sprach auch schon deutsch, wenn auch mit regionalem Sound, denn er kam einst aus der Landschaft der älteren Linie der preußischen Fürsten. Die dialektisch eingefärbte Vatersprache hat mich logischerweise schon von Kindheit an geprägt. Aber darum gehts mir eigentlich nicht. Dass sich politische Erscheinungen und soziale Fragen auch im aktuellen Sprachgebrauch niederschlagen, ist ja nichts Neues. Zu DDR-Zeiten nutzten Grundstückspächter beispielsweise keine Laube, sondern eine Datsche; und nach dem Eintritt des ehemals wilden Ostens in die bundesdeutsche Wertegemeinschaft anglifizierten und nuancierten sich die »neuen Bundesländer« verbal weiter um. So entstanden neue Begrifflichkeiten wie etwa »an Weihnachten«, »die Zeit zwischen den Jahren« oder »Prekariat«. Und in den unzähligen Krimi-Serien gibt es kaum eine Folge, in der ein Dienstvorgesetzter seinen Untergebenen nicht »gute Arbeit« attestiert. Wenn irgendwer eine Meinung hat, sagt er üblicherweise: »Ich persönlich bin der Auffassung, dass …«. Dem Gegenstück dazu, also: »Unpersönlich bin ich der Meinung, dass …«, bin ich allerdings noch nicht begegnet.
Wenn sich ein Begriff erstmal festgefressen hat, hält er sich länger und krampft sich an jedes Ego. So das Wort »Nachhaltigkeit«, ohne das keiner mehr auskommt, der »up to date« sein will. Institutionen und Personen verlangen vom Partner oder von der Konkurrenz »Nachhaltigkeit«; egal, worum es geht. Wer selbige nicht einfordert, sollte besser gleich nachhaltig den Mund halten.
Jetzt habe ich mal den nachhaltigen Versuch unternommen, in Duden, Wörterbüchern und anderen Kompendien dem Begriff ein wenig nachzuspüren. Das hat meine Vermutung bestätigt, dass es sich bei der »Nachhaltigkeit« um eine Schöpfung jüngeren Datums handelt. Im Brockhaus von 1923 taucht der Begriff ebenso wenig auf wie in anderen in meinen Regalen verstaubten und gestapelten Bänden, so weder in der Neuauflage von »Wilhelm Liebknechts Volksfremdwörterbuch« von 1953 noch im »Kleinen Lexikon von A - Z« von 1959. Im »Großen Duden Rechtschreibung« von 1981 ist er mir zum ersten Mal undefiniert begegnet, und seit gefühlten fünf Jahren werde ich damit regelrecht beworfen. Allmählich hat sich bei mir eine nachhaltige Allergie dagegen herausgebildet, gegen die erst noch ein nachhaltiger Impfstoff entwickelt werden muss. Inzwischen frage ich mich, ob man das Wort nicht schrittweise durch den Begriff »Vorhaltigkeit« ersetzen sollte. Der öffnet neue Perspektiven und orientiert optimistisch nach vorn, und wenn schon nicht mehr in unsere Zukunft, so doch in die der uns vielleicht noch nachfolgenden Generationen. Eine entsprechende Bewegung loszutreten, dürfte doch mit Hilfe der Repräsentanten von Behörden und Parteien, gemeinnützigen Vereinen oder anderen freiheitlich-demokratischen Gremien aussichtsreich sein.