Am Morgen des 22. Juni 1941 erklangen die reißerischen Fanfaren von Franz Liszts »Les Preludes« als Sieges-Vorankündigung für die Kriegserklärung Adolf Hitlers gegen die Sowjetunion über den »Großdeutschen Rundfunk« aus den sogenannten Volksempfängern des Reiches, ehe Reichskanzler Hitler erklärte: »Nunmehr ist die Stunde gekommen, in der es notwendig wird, diesem Komplott der jüdisch-bolschewistischen Kriegsanstifter und der ebenso jüdischen Machthaber der bolschewistischen Moskauer Zentrale entgegenzutreten.«
Die Lüge von der Reaktion auf sowjetische Aggressivität war einer der Propagandatricks der Nazis; ein anderes Instrument zur Manipulation der Öffentlichkeit war die Namensgebung dieses Aggressionskrieges: Die Nazis nannten den größten Feldzug der Geschichte »Unternehmen Barbarossa«. Mit Barbarossa verbinden sich Parallelen zum gnadenlosen Blutbad an der Zivilbevölkerung Jerusalems während der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert. Der Krieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg ohne Gnade mit verbrannter Erde als Vollendung der Strategie vom Lebensraum im Osten angelegt, und er hinterließ eine Blut- und Feuerspur in einem Ausmaß, für das die Geschichte keinen Vergleich kennt.
Mit diesen Verbrechen setzte der NS-Staat eine Ankündigung Hitlers aus »Mein Kampf« um: »Will man den Lebensraum nicht erweitern, dann muss eines Tages ein Missverhältnis entstehen zwischen der Volkszahl, die dauernd wächst, und dem Lebensraum, der gleichbleibt. Das ist die Absicht der Natur: Dadurch zwingt sie nämlich den Menschen zu kämpfen, genau wie jedes andere Wesen in der Welt. Es ist der Kampf um die Ernährung, der Kampf um die Grundlagen des Lebens, um die Rohstoffe, die die Erde bietet, die Bodenschätze, die unter ihr liegen, und die Früchte, die sie dem bietet, der sie bebaut.«
In »Mein Kampf« hatte Hitler 1924 angekündigt: Um das Ziel der Weltherrschaft der arischen Rasse zu erreichen, sei es der wichtigste Schritt, den Bolschewismus zu vernichten, in dem die Herrschaft des Judentums bereits Realität geworden sei. Das Gerede, im September 1939 sei die Sowjetunion gemeinsam mit dem Deutschen Reich Auslöser des Zweiten Weltkrieges gewesen, indem Stalin einen Pakt mit Hitler eingegangen war, erweist sich als Geschichtsklitterung.
Der Überfall auf die Sowjetunion war als massives Unternehmen mit über drei Millionen Soldaten, circa 3600 Panzern, über einer halben Million Fahrzeugen, tausenden Geschützen und 2500 Flugzeugen auf schnellen Sieg angelegt. Heeres-Generalstabschef Franz Halder prognostizierte kurz nach Beginn des Verbrechens: »Es ist also wohl nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, dass der Feldzug gegen Russland innerhalb von 14 Tagen gewonnen« wird. Propaganda-Chef Goebbels ließ das »Russlandlied« mit dem Refrain »Freiheit das Ziel, Sieg das Panier, Führer, befiehl, wir folgen dir!« schreiben.
Die Reichswehr folgte der Befehlslage. Sie eroberte die Krim, marschierte in den Kaukasus, die Soldaten froren und erfroren, weil Winterkleidung fehlte, sie verbluteten in Stalingrad, sie starben, weil sie trotz der Übermacht des Gegners nicht zurückweichen durften. Wenige Kilometer vor Moskau war Schluss. Stalingrad war die Wende zugunsten der Roten Armee.
Massaker an den von den Nazis als »rassisch minderwertig« eingestuften Juden und Bolschewiki der KPdSU sowie an Millionen alten Menschen, Frauen und Kindern begleiteten den Vernichtungsfeldzug der SS Heinrich Himmlers und der Armee des Nazireiches.
Nach 1945 versuchten Führungskräfte der einstigen Wehrmacht, sich von den in der Sowjetunion verübten Grausamkeiten freizusprechen. Sie verwiesen darauf, dass alle Verbrechen nur von Himmler und seiner SS begangen worden seien.
Millionen Bewohner/innen der zunächst eroberten Gebiete wurden als Zwangsarbeiter zur Stütze der Kriegsökonomie der Nazis. Zwangsarbeit von sogenannten Ostarbeitern war im SS-Staat ein Massenphänomen: Circa 20 Millionen, oft unmenschlich behandelte, ausgebeutete, missbrauchte und verschleppte Sowjetbürger/innen waren insgesamt in der Rüstungsindustrie, der Schwerindustrie, der Trümmerbeseitigung und -wiederverwertung der Vernichtung durch Arbeit ausgeliefert. Ungefähr 2,5 Millionen Zwangsarbeiter/innen überlebten dieses Martyrium nicht. Großkonzerne und weitere Betriebe bestellten bei den für den Krieg Verantwortlichen Arbeitskräfte aus den Ostgebieten des damaligen Großdeutschen Reichs, und sie behandelten diese Menschen dann wie rechtlose Sklavinnen und Sklaven. In der Industrie lag der Anteil der Zwangsarbeiter bei 40 Prozent, in der Rüstung sogar bei circa 50 Prozent.
Die Ausbeutung erfolgte auf eigene Entscheidung der Betriebe, für die Unterkunft wurden Zwangsarbeiterlager, teils als KZ-Außenlager eingerichtet. Wenn die Kolonnen der Männer und Frauen zwischen ihrem Lager und der Arbeit unterwegs waren, steckten ihnen mutige Nachbarn auf der Strecke trotz Verbots eine Wegzehrung zu. Während Fliegerangriffen der Alliierten war den Zwangsarbeitern die Zuflucht in Bunkern verwehrt, sie waren als Opfer des Rassismus dem Krieg mehrfach schutzlos ausgeliefert.
Russland und die Sowjetunion waren zwei Mal im 20. Jahrhundert Opfer eines Angriffskrieges. Dies Überging die Nato-Propaganda von Anfang an, als sie sich als Verteidigungsbündnis gegen die Gefahr eines Überfalls der Sowjetunion zu legitimieren versuchte.
Krupp, der als Industrieller 1948 in Nürnberg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen seiner Verstöße gegen das Kriegsrecht zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, wurde Anfang 1951 begnadigt, da die Westmächte meinten, ihn wieder im neuen Ost-West-Konflikt gegen die Sowjetunion zu brauchen.
Wenn der Präsident der Ukraine jetzt schwere Waffen für die Abwehr der russischen Aggression verlangt und wenn er diese Forderung mit der Kritik verbindet, die millionenfachen Opfer der Ukraine, die das Unternehmen Barbarossa nicht überlebten, werden im Westen zu wenig gewürdigt, dann übergeht er, dass im Umfeld seiner Regierung rechte Kräfte die Nazi-Kollaborateure um Stepan Bandera in der sowjetischen Republik Ukraine während des Zweiten Weltkrieges verehren. Die Berliner Zeitung schrieb dazu am 10.3.2022: »Asow spielt mit Nazi-ähnlichen Symbolen und steht im Austausch mit rechtsextremen Gruppen in Europa wie der Identitären Bewegung und dem III. Weg. (…) Von außen gesehen ist es schwer nachzuvollziehen, warum eine paramilitärische Gruppe von der Ukraine seit der ersten russischen Invasion 2014 geduldet wird, obwohl sie die eigene Regierung als Feind betrachtet.« Unter den circa 27 Millionen Toten der Sowjetunion waren etwa acht Millionen Opfer aus der Ukraine, darunter 5 Millionen Zivilisten und 1,6 Millionen ukrainische Juden. Keines der Opfer darf zur Propagandawaffe für Nachfolgekriege werden.