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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Unternehmen Barbarei

Am Mor­gen des 22. Juni 1941 erklan­gen die rei­ße­ri­schen Fan­fa­ren von Franz Liszts »Les Pre­ludes« als Sie­ges-Vor­ankün­di­gung für die Kriegs­er­klä­rung Adolf Hit­lers gegen die Sowjet­uni­on über den »Groß­deut­schen Rund­funk« aus den soge­nann­ten Volks­emp­fän­gern des Rei­ches, ehe Reichs­kanz­ler Hit­ler erklär­te: »Nun­mehr ist die Stun­de gekom­men, in der es not­wen­dig wird, die­sem Kom­plott der jüdisch-bol­sche­wi­sti­schen Kriegs­an­stif­ter und der eben­so jüdi­schen Macht­ha­ber der bol­sche­wi­sti­schen Mos­kau­er Zen­tra­le entgegenzutreten.«

Die Lüge von der Reak­ti­on auf sowje­ti­sche Aggres­si­vi­tät war einer der Pro­pa­gan­da­tricks der Nazis; ein ande­res Instru­ment zur Mani­pu­la­ti­on der Öffent­lich­keit war die Namens­ge­bung die­ses Aggres­si­ons­krie­ges: Die Nazis nann­ten den größ­ten Feld­zug der Geschich­te »Unter­neh­men Bar­ba­ros­sa«. Mit Bar­ba­ros­sa ver­bin­den sich Par­al­le­len zum gna­den­lo­sen Blut­bad an der Zivil­be­völ­ke­rung Jeru­sa­lems wäh­rend der Kreuz­zü­ge im 12. Jahr­hun­dert. Der Krieg Nazi-Deutsch­lands gegen die Sowjet­uni­on war als Ver­nich­tungs­krieg ohne Gna­de mit ver­brann­ter Erde als Voll­endung der Stra­te­gie vom Lebens­raum im Osten ange­legt, und er hin­ter­ließ eine Blut- und Feu­er­spur in einem Aus­maß, für das die Geschich­te kei­nen Ver­gleich kennt.

Mit die­sen Ver­bre­chen setz­te der NS-Staat eine Ankün­di­gung Hit­lers aus »Mein Kampf« um: »Will man den Lebens­raum nicht erwei­tern, dann muss eines Tages ein Miss­ver­hält­nis ent­ste­hen zwi­schen der Volks­zahl, die dau­ernd wächst, und dem Lebens­raum, der gleich­bleibt. Das ist die Absicht der Natur: Dadurch zwingt sie näm­lich den Men­schen zu kämp­fen, genau wie jedes ande­re Wesen in der Welt. Es ist der Kampf um die Ernäh­rung, der Kampf um die Grund­la­gen des Lebens, um die Roh­stof­fe, die die Erde bie­tet, die Boden­schät­ze, die unter ihr lie­gen, und die Früch­te, die sie dem bie­tet, der sie bebaut.«

In »Mein Kampf« hat­te Hit­ler 1924 ange­kün­digt: Um das Ziel der Welt­herr­schaft der ari­schen Ras­se zu errei­chen, sei es der wich­tig­ste Schritt, den Bol­sche­wis­mus zu ver­nich­ten, in dem die Herr­schaft des Juden­tums bereits Rea­li­tät gewor­den sei. Das Gere­de, im Sep­tem­ber 1939 sei die Sowjet­uni­on gemein­sam mit dem Deut­schen Reich Aus­lö­ser des Zwei­ten Welt­krie­ges gewe­sen, indem Sta­lin einen Pakt mit Hit­ler ein­ge­gan­gen war, erweist sich als Geschichtsklitterung.

Der Über­fall auf die Sowjet­uni­on war als mas­si­ves Unter­neh­men mit über drei Mil­lio­nen Sol­da­ten, cir­ca 3600 Pan­zern, über einer hal­ben Mil­li­on Fahr­zeu­gen, tau­sen­den Geschüt­zen und 2500 Flug­zeu­gen auf schnel­len Sieg ange­legt. Hee­res-Gene­ral­stabs­chef Franz Hal­der pro­gno­sti­zier­te kurz nach Beginn des Ver­bre­chens: »Es ist also wohl nicht zu viel gesagt, wenn ich behaup­te, dass der Feld­zug gegen Russ­land inner­halb von 14 Tagen gewon­nen« wird. Pro­pa­gan­da-Chef Goeb­bels ließ das »Russ­land­lied« mit dem Refrain »Frei­heit das Ziel, Sieg das Panier, Füh­rer, befiehl, wir fol­gen dir!« schreiben.

Die Reichs­wehr folg­te der Befehls­la­ge. Sie erober­te die Krim, mar­schier­te in den Kau­ka­sus, die Sol­da­ten fro­ren und erfro­ren, weil Win­ter­klei­dung fehl­te, sie ver­blu­te­ten in Sta­lin­grad, sie star­ben, weil sie trotz der Über­macht des Geg­ners nicht zurück­wei­chen durf­ten. Weni­ge Kilo­me­ter vor Mos­kau war Schluss. Sta­lin­grad war die Wen­de zugun­sten der Roten Armee.

Mas­sa­ker an den von den Nazis als »ras­sisch min­der­wer­tig« ein­ge­stuf­ten Juden und Bol­sche­wi­ki der KPdSU sowie an Mil­lio­nen alten Men­schen, Frau­en und Kin­dern beglei­te­ten den Ver­nich­tungs­feld­zug der SS Hein­rich Himm­lers und der Armee des Nazireiches.

Nach 1945 ver­such­ten Füh­rungs­kräf­te der ein­sti­gen Wehr­macht, sich von den in der Sowjet­uni­on ver­üb­ten Grau­sam­kei­ten frei­zu­spre­chen. Sie ver­wie­sen dar­auf, dass alle Ver­bre­chen nur von Himm­ler und sei­ner SS began­gen wor­den seien.

Mil­lio­nen Bewohner/​innen der zunächst erober­ten Gebie­te wur­den als Zwangs­ar­bei­ter zur Stüt­ze der Kriegs­öko­no­mie der Nazis. Zwangs­ar­beit von soge­nann­ten Ost­ar­bei­tern war im SS-Staat ein Mas­sen­phä­no­men: Cir­ca 20 Mil­lio­nen, oft unmensch­lich behan­del­te, aus­ge­beu­te­te, miss­brauch­te und ver­schlepp­te Sowjetbürger/​innen waren ins­ge­samt in der Rüstungs­in­du­strie, der Schwer­indu­strie, der Trüm­mer­be­sei­ti­gung und -wie­der­ver­wer­tung der Ver­nich­tung durch Arbeit aus­ge­lie­fert. Unge­fähr 2,5 Mil­lio­nen Zwangsarbeiter/​innen über­leb­ten die­ses Mar­ty­ri­um nicht. Groß­kon­zer­ne und wei­te­re Betrie­be bestell­ten bei den für den Krieg Ver­ant­wort­li­chen Arbeits­kräf­te aus den Ost­ge­bie­ten des dama­li­gen Groß­deut­schen Reichs, und sie behan­del­ten die­se Men­schen dann wie recht­lo­se Skla­vin­nen und Skla­ven. In der Indu­strie lag der Anteil der Zwangs­ar­bei­ter bei 40 Pro­zent, in der Rüstung sogar bei cir­ca 50 Prozent.

Die Aus­beu­tung erfolg­te auf eige­ne Ent­schei­dung der Betrie­be, für die Unter­kunft wur­den Zwangs­ar­bei­ter­la­ger, teils als KZ-Außen­la­ger ein­ge­rich­tet. Wenn die Kolon­nen der Män­ner und Frau­en zwi­schen ihrem Lager und der Arbeit unter­wegs waren, steck­ten ihnen muti­ge Nach­barn auf der Strecke trotz Ver­bots eine Weg­zeh­rung zu. Wäh­rend Flie­ger­an­grif­fen der Alli­ier­ten war den Zwangs­ar­bei­tern die Zuflucht in Bun­kern ver­wehrt, sie waren als Opfer des Ras­sis­mus dem Krieg mehr­fach schutz­los ausgeliefert.

Russ­land und die Sowjet­uni­on waren zwei Mal im 20. Jahr­hun­dert Opfer eines Angriffs­krie­ges. Dies Über­ging die Nato-Pro­pa­gan­da von Anfang an, als sie sich als Ver­tei­di­gungs­bünd­nis gegen die Gefahr eines Über­falls der Sowjet­uni­on zu legi­ti­mie­ren versuchte.

Krupp, der als Indu­stri­el­ler 1948 in Nürn­berg wegen Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit und wegen sei­ner Ver­stö­ße gegen das Kriegs­recht zu zwölf Jah­ren Haft ver­ur­teilt wur­de, wur­de Anfang 1951 begna­digt, da die West­mäch­te mein­ten, ihn wie­der im neu­en Ost-West-Kon­flikt gegen die Sowjet­uni­on zu brauchen.

Wenn der Prä­si­dent der Ukrai­ne jetzt schwe­re Waf­fen für die Abwehr der rus­si­schen Aggres­si­on ver­langt und wenn er die­se For­de­rung mit der Kri­tik ver­bin­det, die mil­lio­nen­fa­chen Opfer der Ukrai­ne, die das Unter­neh­men Bar­ba­ros­sa nicht über­leb­ten, wer­den im Westen zu wenig gewür­digt, dann über­geht er, dass im Umfeld sei­ner Regie­rung rech­te Kräf­te die Nazi-Kol­la­bo­ra­teu­re um Ste­pan Ban­de­ra in der sowje­ti­schen Repu­blik Ukrai­ne wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges ver­eh­ren. Die Ber­li­ner Zei­tung schrieb dazu am 10.3.2022: »Asow spielt mit Nazi-ähn­li­chen Sym­bo­len und steht im Aus­tausch mit rechts­extre­men Grup­pen in Euro­pa wie der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung und dem III. Weg. (…) Von außen gese­hen ist es schwer nach­zu­voll­zie­hen, war­um eine para­mi­li­tä­ri­sche Grup­pe von der Ukrai­ne seit der ersten rus­si­schen Inva­si­on 2014 gedul­det wird, obwohl sie die eige­ne Regie­rung als Feind betrach­tet.« Unter den cir­ca 27 Mil­lio­nen Toten der Sowjet­uni­on waren etwa acht Mil­lio­nen Opfer aus der Ukrai­ne, dar­un­ter 5 Mil­lio­nen Zivi­li­sten und 1,6 Mil­lio­nen ukrai­ni­sche Juden. Kei­nes der Opfer darf zur Pro­pa­gan­da­waf­fe für Nach­fol­ge­krie­ge werden.