Wie in der bekannten TV-Serie »Mission erfüllt«: Bidens Außenminister Antony Blinken kann sich die Hände reiben, Sudan ist im westlichen Lager angekommen, der »arabische Frühling« scheint verblüht, die Bevölkerung eingespurt für »freedom & democracy«.
Sudan hat alle vier Phasen der Counterforce durchschritten:
Die Phase I (Machtergreifung durchs Militär) wurde finanziell gestützt durch Saudi-Arabien und Vereinigten Arabischen Emirate. Dass nach Schätzung des IWF die saudischen Kredite bis Ende 2019 mit 4,6 Mrd. Dollar auf zehn Prozent der Gesamtschulden gestiegen sind (Le Monde vom 18. März 2021), ist ein Problem, das man dann in Phase IV angehen wollte.
Die unmittelbar folgende Phase II (Repression inklusive Massaker an Demonstrierenden) wurde von den USA abgesichert. Das Land wurde von der Liste der »Sponsoren des Terrors« gestrichen, Sanktionen, auch gegen Generale, die nunmehr im »Autonomen Übergangsrat« sitzen, wurden aufgehoben. Dass im Gegenzug der Apartheit-Staat Israel anerkannt werden musste – ein geschickter Schachzug der US-Regierung.
Nach formalen Zugeständnissen, erkämpft durch die Oppositionsbewegung, die darin bestanden, eine Halb-Militär-Halb-Zivilisten-Regierung einzurichten und die militärische Unterstützung der Saudis im Jemen aufzugeben, wurde dem Übergangsregime in Phase III internationale Anerkennung erteilt. Die faktische Macht verblieb jedoch bei den Militärs im »Souveränen Rat«, der von General Abdel Fattah Burhan geleitet wird, mit dem vorgeblichen Ziel, »baldmöglichst«, wohl erst 2022, »demokratische Wahlen« durchzuführen.
Dies nämlich erst, nachdem in Phase IV (politisch-ökonomische Aufbauhilfe) die Integration ins »westliche Lager« vollzogen wurde. Und hier trat ein weiterer Partner in Aktion: Frankreich, das seine Fühler über seinen frankophonen Einflussbereich hinaus ausstreckt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte am 17./18. Mai zur Bewältigung der Folgen der Covid19-Pandemie nach Paris geladen und den ersten Tag speziell der »Unterstützung des sudanesischen Übergangs« gewidmet. Und Ökonom Abdallah Hamdock, der sudanesische Übergangs-Premier, konnte auch zufrieden sein. Er kann sich auf die »friends of Sudan« verlassen, die sich auf Initiative Deutschlands nach dem Aufstand 2019 zusammenfanden. Man stimmte einem Schuldenschnitt zu, Deutschland werde 90 Mio. (Le Monde am 18. Mai) bzw. 360 Mio. Euro (Deutsche Afrika Stiftung am 21. Mai) bzw. 460 Mio. (Deutsche Welle am 17. Mai) erlassen. Und der Weltwährungsfonds nimmt den Sudan in den PPTE-Entschuldungsprozess auf: 53 Prozent der 49,8 Mrd. Dollar Schulden Ende 2019 sollen erlassen werden. Und Konferenz-Gastgeber Emmanuel Macron als zweitgrößter Kreditgeber war bereit (Le Monde vom 17. Mai 2021), einen Überbrückungskredit von 1,5 Mrd. zu gewähren (unter großzügigem Verzicht auf Provision), damit die Schulden beim WFI abgewickelt werden können. Darüber hinaus überraschte er mit seiner Ankündigung, fünf Mrd. Schulden zu annullieren. Er ließ die Option offen, die von der »traditionellen Reduktion« nicht betroffenen Restschulden in Umschuldungsverträge mit der französischen Entwicklungsagentur AFD einzupacken. Solche »Entschuldungs- und Entwicklungsverträge« wurden kürzlich auch mit der Elfenbeinküste mit einem Volumen von 2,3 Mrd. Euro über eine Laufzeit von etwa 15 Jahren abgeschlossen. Sogar die Schweiz mischt mit: Ein Sonderberater der Eidgenössischen Entwicklungsagentur EDA will mit einer Mio. CHF die Transition »unterstützen«. Schmiermittel, damit’s läuft?
Der Weg in einen neuen Aufschwung ist geebnet, ein neuer Zyklus neokolonialer Ausbeutung kann beginnen. Die Staatsbetriebe, die bislang dem Militär unterstellt waren, werden den verschiedenen Ministerien zugeordnet, Kampf um die Fleischtöpfe inklusive. Privatisierungen werden wohl bis nach den Wahlen warten müssen. Der reichste Mann Afrikas, der Nigerianer Aliko Dangote, hat bereits seine Bereitschaft erklärt, verstärkt im Sudan ins Agrobusiness (Zucker und Weizen) zu investieren, den regionalen Getreidebedarf im Auge (Jeune Afrique, 24. Mai 2021), um – so der Plan – in zwei Jahren mit einer hybriden Sorte bis zu 50 Prozent der Nachfrage zu decken.
Und der Bedarf ist immens, die Getreidepreise stehen in Rekordhöhen, und die Inflation galoppiert – sie ist während der »Transition« von 53 Prozent 2019 auf 361 Prozent im April 2021 exponentiell gestiegen. Während die Führungseliten um Macht und Einfluss ringen, der Grenzstreit mit Äthiopien eskaliert, hungern die Menschen in einem der ärmsten Länder des Kontinents. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen erreichte im Jahr 2020 lediglich 7,5 der 42,8 Millionen Sudanesen, während im Land 1,1 Mio. Flüchtlinge, plus über 63.000 aus der Tigray-Provinz, vom UNHCR zu betreuen sind, zusätzlich zu den 2,55 Millionen intern Vertriebenen. Auch dies das Ergebnis der »Transition« im Sudan.