Wer auf die Fortsetzung seines spannenden Politkrimis »Die Brosche« (siehe Ossietzky 21/2019) wartet, muss sich noch bis ins Frühjahr gedulden. Aktuell hat Gerd Bohne zusammen mit seiner Frau Claudia Ruhs ein eindrucksvolles Buch ganz anderer Art veröffentlicht: »Töchter der Sonne«. Darin haben die beiden authentische Berichte jesidischer Frauen versammelt, die unter dramatischen Umständen aus dem Norden des Iraks nach Niedersachsen geflüchtet sind. Im Landkreis Celle und in der Region Hannover gibt es schon lange eine große jesidische Exil-Gemeinde. Die Jesiden – ihre Zahl wird weltweit auf 800.000 geschätzt – bilden eine uralte nichtchristliche und nichtislamische Glaubensgemeinschaft, die im kurdischen Sprachgebiet des Nahen Ostens siedelt und dort immer wieder Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt sind. Sie sprechen die Kurmandschi-Variante des Kurdischen. Nach einer ihrer Legenden stammen sie nur zur Hälfte von dieser Welt ab: Adams Lieblingssohn, der als einziger nicht von Eva geboren wurde, hat sie mit einer dunkelhäutigen Paradiesjungfrau gezeugt. In die Schlagzeilen der Weltpresse gerieten die Jesiden, als im August 2014 die mörderischen Milizen des Islamischen Staats (IS) im Bergland von Sindschar im Nord-Irak unter ihnen ein Blutbad anrichteten und tausende jesidischer Frauen und Mädchen als Haus- und Sexsklavinnen an IS-Kämpfer verkauft oder zwangsverheiratet wurden. Von mehr als 2500 von ihnen fehlt bis heute jede Spur. Auch daran erinnern die ungewöhnlich offenen Berichte der Frauen, die tiefe Einblicke in ihr früheres traditionelles Leben, in die dramatischen Umstände und Strapazen ihrer Flucht nach Deutschland sowie in ihre heutige Lebenssituation gewähren. Sie sind froh, dass sie das nackte Leben haben retten können, deutlich wird aber auch, welch‘ schwere, unsichtbare Bürde sie weiter mit sich tragen. Zusammen mit anrührenden Gedichten der Lyrikerin Sebra Xalti und expressionistisch-farbstarken Abbildungen der Gemälde des Kunstmalers Ravo Ossman haben Claudia Ruhs und Gerd Bohne einen stimmigen Dreiklang komponiert, der tiefe Einblicke in die jesidische Kultur ermöglicht.
Bohne, Gerd et al.: »Töchter der Sonne. Geflüchtete êzîdische Frauen erzählen«, unibuch Verlag bei zu Klampen 146 Seiten, 28 €