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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Spanier in Deutschland

Auf der dies­jäh­ri­gen Frank­fur­ter Buch­mes­se erhielt Spa­ni­en das beson­de­re Augen­merk. Die Roy­als waren gekom­men, und eine Men­ge neu­er Bücher wur­den vor­ge­stellt. Dar­un­ter Aroa Moreno Durans »Die Toch­ter des Kom­mu­ni­sten« – ein preis­ge­krön­ter Debüt­ro­man, von dem eine spa­ni­sche Kri­ti­ke­rin behaup­te­te: »Die­ses Buch ist schlicht perfekt.«

Erzählt wird von einer spa­ni­schen Fami­lie, die Exil in der DDR gefun­den hat. Der Vater, ein Kom­mu­nist, lobt das Gast­land über alle Maßen und will sei­ne Frau und die bei­den Töch­ter auch in die­sem Sin­ne über­zeu­gen. Doch in Wirk­lich­keit ist ihr Leben in Ost-Ber­lin ärm­lich: eine klei­ne kal­te Woh­nung, es riecht nach Kohl und viel mehr gibt es auch nicht zu essen. Kat­ja hat sich in Schu­le und Jugend­ver­band ein­ge­rich­tet, beginnt zu stu­die­ren. Da begeg­net sie einem jun­gen Mann aus dem Westen, sie ver­lie­ben sich, und er orga­ni­siert die Flucht in sein Land. Hier, in einer süd­deut­schen Stadt, fühlt sich Kat­ja gleich gar nicht zu Hau­se. Der Freund und spä­te­re Ehe­mann ist fad. Die spie­ßi­gen Schwie­ger­el­tern bestim­men den All­tag. Sie fin­det: Die Freund­schaf­ten in der DDR waren tie­fer und inten­si­ver. Ihr feh­len die Eltern und die Schwe­ster, zumal sie vom Tod des Vaters erfährt. Die Ehe schei­tert. Nach dem Mau­er­fall fährt sie nach Ber­lin, trifft die Schwe­ster und die nun demen­te Mut­ter und erfährt Schreck­li­ches: Der Vater hat sei­ne spa­ni­schen Genos­sen für die Sta­si bespit­zelt, kam nach ihrer Flucht ins Gefäng­nis und ist dort gestorben.

Das Buch ver­blüfft wegen der vie­len Details, die u. a. das frü­he­re Ost-Ber­lin schil­dern. Da gibt es genaue Stra­ßen­be­schrei­bun­gen, und auch der All­tag ist so kon­kret gezeich­net, dass man sich wun­dert, woher eine 1981 in Madrid Gebo­re­ne das alles weiß. Auch die Tri­stesse in der süd­deut­schen Stadt Back­nang ist so beschrie­ben, als hät­te die Autorin alles selbst erlebt. Eben Tri­stesse, Hei­mat­lo­sig­keit, Fremd­sein. Hüben wie drü­ben, auch in Spa­ni­en, wo die jun­ge Fami­lie einen Urlaub ver­bringt. Die­ses über­mäch­ti­ge Gefühl bestimmt das Buch, und man weiß nicht so genau, woher es kommt. Ist es der Man­gel und die all­ge­gen­wär­ti­ge Über­wa­chung in der DDR? Die Mau­er, die die Bewoh­ner der bei­den Staa­ten nicht gefahr­los zuein­an­der­kom­men lässt? Das Fami­li­en­ge­heim­nis des Vaters? Ich konn­te es nicht ergrün­den und fand alles ziem­lich vol­ler Kli­schees. Die DDR war so, wie man sie jetzt sehen soll, und die süd­deut­schen Ver­hält­nis­se ent­spre­chen eben­so gän­gi­gen Vor­stel­lun­gen. Bin ich wie­der ein­mal der Wer­bung aufgesessen?

Aroa Moreno Duran, Die Toch­ter des Kom­mu­ni­sten, Roman, btb 2022, 172 S., 22 €.