Erst hilft der Westen den ukrainischen Nationalisten: mit Beratern, Geldspritzen, Investitionen und Waffen sowie mit der Option eines Nato-Beitritts, damit sich die Ukraine immer weiter gegen ihr einstiges Mutterland Russland positioniert und sich abspaltet – ganz so, wie das dem Westen beim Zerfall Jugoslawien bereits erfolgreich gelungen ist. Dann schreien sie entrüstet auf, wenn sich Teile der russischen Bevölkerung und Russland dagegen wehren, obwohl laut OSZE 80 Prozent der Toten in diesem ukrainischen Bürgerkrieg auf Seiten der Ostukraine ums Leben kamen. Aber diese todbringenden Einmischungen und Wirtschaftsembargos sind seit 1990, wie fast alle Regime-Change-Kriege des Westens, etwa im Nahen Osten, Afghanistan oder zuletzt in Mali, desaströs gescheitert. Doch es gibt bisher keinerlei Umdenken bei den Regierenden und der angeblich freien Presse, weil das »Reich des Bösen« für den konservativen Kapitalismus und bekanntlich auch für den Faschismus schon immer in Russland lag.
Man stelle sich vor: wenn Schottland sich von England, Katalonien von Spanien, Alaska von den USA oder Bayern von Deutschland abspaltet, und diese Länder dann mit russischen Beratern, Geld und Waffen gegen ihre einstigen Mutterländer in Stellung gebracht würden …
Man stelle sich vor: wenn Bevölkerungsteile von Schottland, Katalonien, Alaska oder Bayern lieber weiterhin zu den Mutterländern gehören wollen und in diesen Gebieten daraufhin tausenden Tote zu beklagen sind, weil die Separatisten mit Hilfe russischer Waffen gegen ihr einstiges Mutterland kämpfen …
Man stelle sich vor: wenn die ukrainische Regierung mit den Ostukrainern ein Abkommen unterzeichnete, das u. a. von Frank-Walter Steinmeier mit beiden Seiten im »Minsker Abkommen« vermittelt und ausgehandelt wurde und das der Ostukraine relative Autonomie und freie Wahlen zusicherte, dessen Umsetzung aber fortwährend von ukrainischen Nationalisten durch Dauerbeschuss verhindert wird. Deshalb sieht Putin das »Minsker Abkommen« als gescheitert an und bezeichnet, nicht zu Unrecht, die Toten auf Seiten der Ostukraine als Opfer eines Völkermordes. Diesem blutigen Bürgerkrieg will die russische Armee nun endlich ein Ende bereiten.
Man stelle sich darüber hinaus vor: wie die 2 plus 4 Verhandlungen 1990 ausgegangen wären, wenn Russland nicht vom Westen zugesichert worden wäre, dass es keine Nato-Osterweiterung geben würde. Wäre dann die deutsche Vereinigung und der Abzug der Roten Armee aus Osteuropa und somit die gesamte westliche Transformation Osteuropas überhaupt möglich gewesen?
Man stelle sich vor: der Westen würde den eigenen Bevölkerungen klaren Wein darüber einschenken, dass die harten Sanktionen gegen Russland auch in den eigenen Ländern zu gravierenden finanziellen Belastungen – nicht nur durch weitere Öl- und Gaspreiserhöhungen – führen werden, ganz abgesehen von der grassierenden globalen Kriegsgefahr!
Man frage sich: ob es tatsächlich in den Nato-Staaten, besonders auch in Deutschland, eine Bevölkerungsmehrheit für die bisherige westliche Politik gegen Russland gibt. Und wurde sie dazu eigentlich bisher befragt? Hat irgendein Meinungsforschungsinstitut schon einmal eine mehrheitliche Zustimmung für diese Konfrontationspolitik gegen Russland gemeldet?
Man frage sich: Hatte nicht Bundeskanzler Scholz erst vor Kurzem in seinem Amtseid geschworen: »Schaden vom deutschen Volk abzuwenden«? Hat er nicht schon längst diesen Amtseid gebrochen, als braver Vasall der von den USA vorgegebenen Nato-Politik, wenn wir nur an die wirtschaftlich katastrophalen Folgen auch für Deutschland denken?!
Thomas Mann hatte wohl leider recht, wenn wir etwa an den weltweiten Vormarsch des heutigen Rechtspopulismus denken, für den diese Nato-Politik Wasser auf die Mühlen bedeutet, als der weltbekannte Schriftsteller und Nobelpreisträger schon vor über 75 Jahren, am 27.09.1947, angesichts des Ausbruchs des »Kalten Krieges« durch den Westen, in sein Tagebuch notierte: »Die Gegenstellung zu Russland scheint zwangsläufig zum Faschismus zu führen.«
Mehr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der Welt kann es angesichts der bedrohlich eskalierenden sozialen und ökologischen Krisen nicht gegen die Großmächte Russland und China geben, sondern nur durch faire Kompromisse mit ihnen. Dazu gehört jetzt auch die möglichst rasche Beendigung des Krieges in der Ukraine und nicht seine opferreiche Verlängerung durch Nato-Waffenlieferungen für einen sinnlosen Stellungskrieg, der nicht zu gewinnen ist.