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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Schreibkräfte

Es ist die sieb­zehn­te Aus­ga­be, die jetzt erschien. Seit zehn Jah­ren ver­brei­tet das Lite­ra­tur­jour­nal aus Sach­sen-Anhalt Kost­pro­ben von Poe­ten und Schrift­stel­lern aus der Regi­on. Der Ost-Nord­ost Ver­lag Mag­de­burg und Her­aus­ge­be­rin Regi­ne Son­der­mann fei­ern ihr Jubi­lä­um mit Illu­stra­tio­nen von Neo Rauch auf fei­nem Papier. Der Künst­ler – ver­tre­ten durch zwei Agen­tu­ren, die in Leipzig/​Berlin und in New York/​London/​Hongkong/​Paris prä­sent sind – wuchs in Aschers­le­ben bei den Groß­el­tern auf, in einer Klein­stadt in Sach­sen-Anhalt. Das wür­de ich als Begrün­dung gel­ten las­sen, denn mehr als Rauch und Schall sind die Aqua­rel­le nicht.

Das eigent­li­che Klein­od ist das 48-sei­ti­ge Jour­nal selbst. Und der berech­tig­te Bei­fall gilt der Tat­sa­che, dass es die­ses bereits seit einem Dez­en­ni­um gibt. Die Aus­dau­er der Betei­lig­ten und das Durch­hal­te­ver­mö­gen des Ver­la­ges sind wahr­lich rüh­mens­wert. Denn man sagt, dass die durch­schnitt­li­che Lebens­dau­er von deutsch­spra­chi­gen Lite­ra­tur­zeit­schrif­ten bei etwa zwei Jah­ren liegt. Die Zahl der dahin­ge­gan­ge­nen beträgt eini­ge Hun­dert. Die DDR brach­te es in den vier­zig Jah­ren ihrer Exi­stenz auf ein knap­pes Dut­zend, und die waren wie alle Lebens­mit­tel im Lan­de sub­ven­tio­niert, wes­halb sie in der Neu­en Zeit ein­gin­gen wie etwa die Neue Deut­sche Lite­ra­tur (ndl) oder Tem­pe­ra­men­te, die Blät­ter für jun­ge Lite­ra­tur, die im Ver­lag Neu­es Leben erschie­nen. Dort konn­ten sich (damals) jun­ge Schrei­ber wie unser­ei­ner aus­pro­bie­ren und Bei­fall oder Buh-Rufe abho­len. Alles Geschichte.

Aber das Pro­blem ist geblie­ben: Geschrie­ben wird immer, aber die Zahl der Büh­nen ist end­lich, auf denen sich Autoren öffent­lich mit­tei­len kön­nen. Wir sind eben das Land der Dich­ter und Schrei­ber, nicht unbe­dingt das der Leser. Die aber wer­den auch als Käu­fer von Jour­na­len wie die­sem hier benö­tigt. Wenn das Vater­land aller­dings nichts zugibt, hat die Mut­ter­spra­che nichts zu bestel­len. Im Kapi­ta­lis­mus ist selbst das gedruck­te Wort nur eine Ware, deren Wert sich auf dem Markt erst realisiert.

Da lei­stet sich also ein Mag­de­bur­ger Ver­lag ein anspruchs­vol­les Stecken­pferd, was er sich lei­sten kann, weil er augen­schein­lich Geld mit Kul­tur­ge­schich­te, Bild­bän­den, Sach­bü­chern und Pro­sa­tex­ten aus der Regi­on und über die Regi­on ver­dient. Gut, Bran­chen­ken­ner wis­sen, dass auch in die­sem Seg­ment die fet­ten Jah­re lan­ge vor­über sind. Umso mehr also ist die Bestän­dig­keit des Ver­lags­hau­ses zu würdigen.

In die­sem sieb­zehn­ten Heft im A4-For­mat mit Rück­stich­hef­tung, wes­halb es schwer­lich im Bücher­re­gal Auf­stel­lung fin­det (ein Rie­sen­pro­blem für den sta­tio­nä­ren Buch­han­del), fin­den sich fünf­zehn Autorin­nen und Autoren mit zumeist einem Text. Die Wort­künst­ler stam­men aus der Regi­on oder leben dort, was sich nicht zwin­gend in den Gedich­ten oder Tex­ten nie­der­schlägt. Es fin­den sich auch sel­ten Bezü­ge zur Zeit und deren Wider­sprü­che, man/​frau schaut lie­ber nach innen denn nach außen. Und fin­det Rei­bung an der Wirk­lich­keit statt, so geschieht dies bis­wei­len sehr arti­fi­zi­ell. Da passt dann irgend­wie auch Neo Rauch.

Das Jour­nal heißt »Schreib­kräf­te«. Das erin­nert an den Satz von Arno Schmidt: »Die Ver­le­ger trin­ken Sekt aus den Hirn­scha­len ihrer Autoren«, womit er das von ihm emp­fun­de­ne Unter­ta­nen- und Abhän­gig­keits­ver­hält­nis benann­te. Natür­lich ist das hier wohl kaum so zu ver­ste­hen, die Erfin­der des Titels wer­den mehr die Kräf­te im Sinn gehabt haben, die das Schrei­ben frei­setzt. Tut es das wirk­lich? Mit­un­ter scheint es, dass es sich mehr um Selbst­the­ra­pie han­delt. Man lese Nele Heyses »Gedicht der Stadt­schrei­be­rin« oder Andre­as Dörings »Reha«, wahl­wei­se auch Regi­ne Son­der­manns Geschich­te »Sie lach­te«, die mit der Zei­le beginnt: »Geschlos­se­ne Psych­ia­trie. Män­ner­sta­ti­on. Es kam viel Licht durch die Fen­ster, die sich nicht öff­nen ließen.«

Ach, wir leben in depri­mie­ren­den Tagen – war­um soll da den Schreib­kräf­ten anders zumu­te sein als den Lesekräften?