Vor ein paar Wochen gingen die Bilder um die Welt: Schlange stehen am Mount Everest. Während eines Schönwetterfensters im Mai mussten mehrere hundert Bergsteiger lange Wartezeiten in Kauf nehmen, um den höchsten Gipfel der Erde zu erklimmen.
Ganz so dramatisch wird das Gedränge am 25. August an der Sangerhäuser Abraumhalde »Hohe Linde« des ehemaligen Thomas-Müntzer-Schachtes wohl nicht sein, trotzdem werden viele Besucher sicher die Gelegenheit zu einem Gipfelsturm nutzen. Zweimal im Jahr, im Mai und August, lädt der Sangerhäuser Bergarbeiterverein zur Besteigung der 147 Meter hohen Spitzkegelhalde ein, deren Betreten ansonsten aus Sicherheitsgründen verboten ist. 147 Meter – das klingt nicht viel. Damit ist die Halde aber höher als die Cheops-Pyramide. Darüber hinaus bedeckt sie eine Fläche von 13 Hektar, und ihr Gesamtgewicht beträgt immerhin rund 20 Millionen Tonnen. Der weithin sichtbare Abraumkegel ist ein Relikt der Sangerhäuser Bergbaugeschichte. Über 800 Jahre wurde hier eine etwa 30 Zentimeter starke Gesteinsschicht mit Kupferschiefer abgebaut. In einer von Kaiser Heinrich II. im Jahre 1006 ausgestellten Schenkungsurkunde ist der Bergbau in dieser Region erstmals erwähnt. Die »Hohe Linde« entstand aber nur über den kurzen Zeitraum von 35 Jahren. Über eine 900 Meter lange Seilbahn wurde das Abraummaterial von der Schachtanlage hier hertransportiert und dann mit einem Höhenförderer auf dem Gipfel abgekippt. 1990 wurde die Gewinnung des Kupferschiefers im Thomas-Müntzer-Schacht jedoch eingestellt.
Der Aufstieg ist kein Zuckerschlecken, etwas Fitness sollte man schon mit-bringen. Vor allem festes Schuhwerk, denn bei dem aufgeschütteten Material kann man leicht ins Rutschen kommen. Wegen des hohen Schwermetallgehaltes des Gesteins ist die Halde weitgehend vegetationslos, so dass man sich an keinem Gestrüpp festhalten oder hochziehen kann. Von den Vereinsmitgliedern wird jedoch an den Besuchertagen ein Sicherungsseil gespannt.
Außer Atem oben angekommen, wird man für die Mühe entlohnt: ein wunderbarer Rundblick auf die Stadt und die weitere Umgebung. Das Kyffhäuser-Denkmal und die südlichen Harzgipfel zum Greifen nahe. Außerdem gibt es den begehrten Stempel in den Gipfelpass. Der Abstieg ist zwar weniger anstrengend, dafür die Rutschgefahr aber größer. Unten kann man sich dann bei Bockwurst und diversen Getränken stärken.
Nicht ohne Grund hat Sangerhausen den Beinamen Berg- und Rosenstadt, denn mit dem Europa-Rosarium, dem man unbedingt einen Besuch abstatten sollte, besitzt die Stadt die größte Rosensammlung der Welt. Mehr als 8500 Rosensorten und -arten werden hier gehegt und gepflegt. Über 80.000 Rosenstöcke mit über 1.000.000 Blüten bilden ein duftendes Blütenmeer. Bereits im Mai beginnen die Wildrosen zu blühen. 500 Arten befinden sich davon im Rosarium. Berühmt ist die einmalige Sammlung von 850 Kletterrosen, die zu Pyramiden und Säulen gebunden dem Park ein großartiges Aussehen geben. Ab Juni setzt dann die Hauptblüte der Beetrosen ein. Süße Düfte und eine berückende Farbenpracht bezaubern die Besucher bis zum Spätherbst. Die Königin der Blumen hat in Sangerhausen ihr eigenes Königreich, das 2006 Aufnahme ins Guinness-Buch der Rekorde fand.
1903 wurde auf einer sanft hügeligen Fläche von 1,5 Hektar anlässlich des Deutschen Rosenkongresses das Rosarium eröffnet. Im Eröffnungsjahr konnten die 20.000 Besucher bereits über 2000 Rosenarten bewundern. In den Folgejahren stifteten viele internationale Botaniker und Baumschulen zahlreiche seltene und historische Rosensorten, so dass die Sammlung ständig wuchs und die Anlage kontinuierlich erweitert werden musste. Durch verschiedene Kunstwerke und Wasserspiele erhielt das Rosarium außerdem ein romantisches Flair. In Vorbereitung auf das 100-jährige Jubiläum entstanden ein neuer Haupteingangsbereich (mit Gastronomie) und ein Jubiläumsgarten. 2008 wurde dann die überdachte ROSENARENA errichtet, wo regelmäßig zahlreiche Veranstaltungen stattfinden – von »Rock in der Rosenarena« bis zur »Klassiknacht«. Heute präsentiert sich das Europa-Rosarium als Parkanlage mit rund 300 seltenen Baum- und Straucharten; in diese Kulisse ist die Vielfalt und Schönheit der Königin der Blumen eingebettet. Darunter solche Raritäten wie die »Grüne Rose« oder »Schwarze Rose«. Viele tragen auch den Namen von Persönlichkeiten – von Uwe Seeler bis Steffi Graf oder von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl.
Nicht unerwähnt bleiben soll die dritte Sangerhäuser Sehenswürdigkeit: Das Spengler-Museum – benannt nach dem Tischlermeister und Heimatforscher Gustav Adolf Spengler (1869 – 1961) – beherbergt das Skelett eines Altmammuts (Mammuthus trogentherii). Das Tier lebte im Eiszeitalter vor etwa 400.000 bis 500.000 Jahren. Das vollständige Skelett wurde 1930 in einer Kiesgrube bei Edersleben entdeckt und ausgegraben. Jahrelang konnten nur Teile davon in Spenglers Privatmuseum in seinem Wohnhaus besichtigt werden. Erst 1952 wurde am Bahnhofsplatz ein entsprechender Museumsneubau (der erste Museumsneubau der DDR) errichtet, wo das Skelett komplett aufgebaut werden konnte. In dem vielseitigen Heimatmuseum gibt es Ausstellungen zur Ur- und Frühgeschichte der Region sowie zur Stadtgeschichte. Seit ein paar Jahren hat hier auch der Sangerhäuser Künstler Einar Schleef (1944 – 2001) mit einer kleinen Dauerausstellung eine Heimstatt gefunden, obwohl das einst skandalumwitterte Multitalent mit seiner Heimatstadt eine Art krankhafter Hassliebe verband. Nach Schleefs Tod hat man sich zwar mit dem »verlorenen Sohn« ausgesöhnt, doch den Bahnhofsplatz in »Einar-Schleef-Platz« umzubenennen, dazu konnten sich die Stadtväter in diesem Jahr (zum 75. Schleef-Geburtstag) nicht durchringen.