Ein junger Mann, geboren 1994, legt ein Romandebüt vor, das haargenau in aktuelle Debatten passt und doch keine nur politische Antwort ist, sondern ein bemerkenswert eigenständiges Stück Literatur. Lukas Rietzschel beschreibt den Lebensweg zweier Brüder in den Jahren von 2000 bis 2015. Sie leben in der ostsächsischen Provinz: Vater Elektriker, Mutter Krankenschwester, Einfamilienhaus, nach der Wende gebaut. Normaler Familienalltag, ein bisschen langweilig, ein bisschen spießig. Auch die Klassenkameraden kennen es nicht anders.
»Immer das Gleiche«, heißt es, aber sofort danach schließt sich an: »Und alles geht vor die Hunde.« Der Waggonbau und das Schamottewerk, die Bushaltestelle und später die Schule, die Ehe der Eltern und auch das Haus, der Stolz des Vaters.
Rietzschel erzählt langsam, genau, versteckt die Details in den Fluss des Erzählens, darunter auch Einzelheiten von allgemeinem unterschwelligem Rassismus, von Hilf- und Sprachlosigkeit. Lange schlägt da niemand mit der Faust, bis der Frust eskaliert und aus den kleinen netten Jungs Rassisten und nun auch Schläger geworden sind. Der ältere der beiden hält sich raus. Aber das ist auch die einzige Alternative, die Rietzschel anbietet.
Lukas Rietzschel: »Mit der Faust in die Welt schlagen«, Ullstein, 319 Seiten, 20 €