Als ich am frühen Abend des 6. März im letzten Kapitel meiner Erzählung Sabotage in Santa Molinga steckte, sprang mein Laptop von Netz- auf Akkubetrieb um. Aha, der Strom war ausgefallen. Anscheinend betraf das nur den Raum Waltershausen. Und nach einer knappen Stunde war der Strom wieder da. Das ging also glimpflich ab, aber witzig war es schon. In der Erzählung hat sich nämlich eine große katalanische Kommune, die in einer früheren Abtei residiert, für drei Tage mit Kerzen, Fackeln und Petroleumlampen zu behelfen, weil irgendein Spitzbube das Laufwasser-Kraftwerk in der ehemaligen Kornmühle der Abtei angezündet hatte. Wie sich herausstellt, war es eine Frau – nur verraten Sie mir einmal, wie man diese Übeltäterin nennen soll? Etwa »Spitzbübin«? Da kommt mir sofort die erneuerte rotgrüne Bundesregierung auf den Hals und lässt mich zwangsimpfen.
Das Internet verriet mir anderntags nicht, wo hier der Hase im Pfeffer, also der »Defekt« gelegen hatte. Vermutlich ist der Raum Waltershausen einfach nicht so wichtig. Dafür meinte es jedoch, am 9. Januar (drei Grad plus) hätten mehrere Berliner Stadtteile zum Teil stundenlang unter Strom- und Heizungsausfall gelitten. Der Defekt habe in einem Umspannwerk vorgelegen. All diese »Defekte« sind ungefähr so aussagekräftig wie die ganzen »Herzversagen«, die bei uns die alten Leute, die Manager oder die Geimpften dahinraffen. Nur die genderfesten DynamikerInnen in der rotgrünen Bundesregierung werden von denen verschont.
Der Hammer erwischte mich allerdings erst, als ich anderntags, am 7. März, in die Online-Ausgabe der jungen Welt blickte. Die Großstadt Mariupol habe inzwischen seit fünf Tagen keinen Strom mehr, hätte der Bürgermeister geklagt. Mitten im Winter! Ein Foto zeigt riesige Plattenbauten mit Mietwohnungen, über denen Qualm aufsteigt. Ob eine Kiewer Sturmabteilung oder Monster Putin in der Qualmwolke steckte, war nicht zu erkennen. Ja, Mensch, werfen Sie vielleicht ein, das kennen wir doch alles, Frieren, Totgeschossenwerden und so weiter. Ja, sicher – Sie kennen es vom zwei Quadratmeter großen Bildschirm Ihres Fernsehgerätes her, nicht wahr?
Ich besitze übrigens überhaupt kein Fernsehgerät, und das schon seit mindestens 40 Jahren. Dafür besitze ich jedoch einen wunderbaren Zimmerofen. Solange es noch Paletten, alte Dachbalken oder nicht mit Gift behandelte Jägerzäune zum Zerhacken gibt, kann mir kein Stromausfall die Behaglichkeit in meiner Bude rauben. Die flächendeckenden Fernheizungen sind im Grunde der gleiche Wahnsinn wie die flächendeckende Anti-Corona-Impfung. Die ganze Zivilisierung war ein wahnsinniges Unterfangen, weil sie auf Mammutisierung setzte – nachdem das Mammut von unseresgleichen ausgerottet worden war. Lewis Mumford bescheinigte (um 1965) schon den alten Sumerern und Ägyptern eine Megamaschine. Irgendwelche Jäger und Sammler waren plötzlich blöde genug, sich an blitzenden, eisernen Pflügen und unter den Steinquadern für diverse Tempel oder Pyramiden zu bücken. Von daher haben wir unsere Bandscheibenschäden, Millionenstädte und Pharmaziekonzerne.
Meiner Ansicht nach wäre die oft beschworene »andere« Welt nur durch eine voraus- oder parallelgehende Verkleinerung der Welt zu haben. Aber wie sollte das möglich, ja, auch nur denkbar sein? So gut wie alle angeblich systemkritischen Autoren klammern den Gesichtspunkt der Mammutisierung wohlweislich aus. Schließlich könnte ihnen die Schlussfolgerung drohen: Das geht nie und nimmer! Und damit bräche der Zweckoptimismus, mit dem sämtliche Fraktionen der Systemkritik seit Jahrzehnten hausieren gehen, wie ein Kartenhaus zusammen.
Ich glaube, auf dieser sozialpsychologischen Ebene ginge es ans Eingemachte – und wer möchte das schon. Die Lüge, der Selbstbetrug, die Hoffnung sind dem Menschen so teuer wie der Stolz. Wenn PolitikerInnen plötzlich damit anfingen, Fehler zuzugeben und das Rad des Fortschritts auf das Niveau von Wassermühlen und Bienenwachskerzen zurückzudrehen, würfe ihnen natürlich jeder Schwäche, Rückständigkeit, Hinterwäldlertum vor. Der Mensch möchte nicht hinter seine Errungenschaften zurückfallen. Lieber lässt er sich von ihnen erschlagen.