Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Rückblick: Schach, Poker und »Snape explodiert«

»Russ­land spielt Schach, die Ame­ri­ka­ner spie­len Poker, wir spie­len Mensch-ärge­re-Dich-nicht« (Dr. Frank Umbach, Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und Ener­gie­ex­per­te, zitiert nach Tele­po­lis, 20. Janu­ar 2022); eher aber wohl »Sna­pe explo­diert« (Insi­der-Gag für Har­ry Potter-Fans).

Vier Explo­sio­nen an Nord-Stream I und II – und die däni­sche, die deut­sche, die schwe­di­sche Mari­ne-Auf­klä­rer haben kei­ne Ahnung, wer das war. Wie glaub­haft ist das denn? Der Bun­des­wehr-Kom­man­deur Kapi­tän zur See Giss betont in der Tages­schau vom 28.09.22 zwar die deut­sche Füh­rungs­rol­le bei der Über­wa­chung der Ost­see, hat aber nur eines auf­ge­klärt: dass die Rus­sen über Kleinst-U-Boo­te und Unter­was­ser-Droh­nen ver­fü­gen. Klar, die Rus­sen bau­en sol­che Pipe­lines nur, um sie dann selbst zu zer­stö­ren. Wer – wie die Schwe­den – jedes Jahr rus­si­sche U-Boo­te zwi­schen den Schä­ren ent­deckt, glaubt auch an die The­se, Russ­land zer­stö­re sei­ne eige­nen Pipelines.

Cui bono? Wem nützt es? fra­gen Kri­mi­na­li­sten ange­sichts eines Ver­bre­chens. Tja, wem wohl? Denen, die ver­hin­dern wol­len, dass Deutsch­land bil­li­ges Erd­gas aus Russ­land bekommt. Und wer will das ver­hin­dern? Wer hat bereits öffent­lich ange­kün­digt, dass er es ver­hin­dern wird? Wer hat Kleinst-U-Boo­te, Droh­nen und Kampf­tau­cher? Ich will ja nicht mit dem Fin­ger auf jeman­den zei­gen, ich wun­de­re mich nur, dass dies­mal kein unbe­schä­dig­ter Aus­weis am Tat­ort lag, wie sie ihn vor 21 Jah­ren am 11. Sep­tem­ber 2001 »gefun­den« haben. Nur müss­te es dies­mal ein rus­si­scher, kein isla­mi­sti­scher sein – als schla­gen­der Beweis, wer es nur gewe­sen sein kann. Spreng­stoff­spe­zia­li­sten sind sie jeden­falls, unse­re Freun­de. Die ja nur Kanz­ler abhö­ren, nicht die Ost­see. »Pipe­line spren­gen unter Freun­den geht gar nicht!«, titel­ten die Nach­denk­sei­ten vom 28.09.22.

Dem kann ich mich nur anschließen.

Und die Per­ver­si­tät die­ses Anschlags ist unbe­schreib­bar. Selbst wenn man es nur auf Deutsch­land bezieht. Wie Bau­ern­ver­bands­prä­si­dent Ruk­wied es aus­drück­te: »Ohne Gas kei­ne Milch, kei­ne But­ter, kein Joghurt« (dpa/​jW, 16.09.22)

Welt­weit ver­hun­gern 19.700 Men­schen täg­lich – und damit etwa alle vier Sekun­den ein Mensch (AFP/​jW, 20.09.22). Unter ande­rem auch wegen des Kli­ma­wan­dels, der nun noch zusätz­lich durch das aus den Lecks aus­tre­ten­de Methan­gas beschleu­nigt wird. Dann könn­ten die vier »Kipp­punk­te« schon frü­her als 2030 erreicht wer­den, wie es von dem Team von der Uni­ver­si­ty of Exe­ter (Groß­bri­tan­ni­en) in Sci­ence errech­net wur­de (dpa/​jW, 10./11.09.22) Noch frü­her kön­nen die Glet­scher auf Grön­land und in der West­ant­ark­tis schmel­zen, noch frü­her der Per­ma­f­rost­bo­den auf­tau­en, noch frü­her die tro­pi­schen Koral­len­rif­fe abster­ben – mit nicht abseh­ba­ren Folgen.

Aber wir sind mit ande­ren Pro­ble­men beschäf­tigt. In der Ukrai­ne will man die »Rus­sen­fra­ge lösen, und zwar mit Gewalt«, wie der Lei­ter des Prä­si­den­ten­am­tes, Andrij Jer­mak erklär­te (jW, 22.09.22). Russ­land löst die Ukrai­ne-Fra­ge mit Refe­ren­den, die nicht aner­kannt wer­den, und mit der Andro­hung von Gewalt, soll­te das nun zu Russ­land gehö­ren­de Ter­ri­to­ri­um ange­grif­fen wer­den. Und Russ­land spielt Schach, nicht Poker, es blufft nicht.

Die Bun­des­re­gie­rung stellt das »Ter­ri­to­ria­le Füh­rungs­kom­man­do« der Bun­des­wehr ab ersten Okto­ber in Dienst, das die Reak­ti­ons­fä­hig­keit auf eine geziel­te Desta­bi­li­sie­rung zügig ver­bes­sern soll. Der Lei­ter, Gene­ral­leut­nant Car­sten Breu­er, der schon die Coro­na-Maß­nah­men so »erfolg­reich« steu­er­te, raunt etwas von »hybri­der Kriegs­füh­rung«, die zu beherr­schen sei, und zwar »in ihrer gan­zen Band­brei­te« (jW, 26.09.22)

Hat er die Anschlä­ge auf die Pipe­lines schon im Blick gehabt? Mensch, ärge­re dich nicht!

Nun, ein Pro­blem ist jetzt gelöst: Die Schwei­zer Natio­na­le Genos­sen­schaft für die Lage­rung radio­ak­ti­ver Abfäl­le (Nagra) hat einen End­la­ger-Stand­ort gefun­den. »Die Geo­lo­gie hat gespro­chen«, mein­te Nagra-Chef Braun. Die Schicht des Opa­li­nus-Tons bin­de radio­ak­ti­ves Mate­ri­al und kön­ne Ris­se selbst kit­ten. Ris­se selbst kit­ten! Fantastisch!

Am besten, wir lagern das Kern­kraft­werk Neckar­west­heim II auch dort ein, damit die dor­ti­gen Ris­se gekit­tet wer­den kön­nen vom Opa­li­nus­ton. Schließ­lich wol­len wir es noch drei Mona­te län­ger ohne Sicher­heits­über­prü­fung und mit bekann­ten Ris­sen in Betrieb halten!

Und dann spie­len wir »Sna­pe explodiert«.