Am Abend des 9. April 2021 verstarb der ehemalige US-Justizminister und prominente Menschenrechtsaktivist Ramsey Clark im Alter von 93 Jahren. Mit ihm verlor die Welt einen entschiedenen und brillanten Gegner der westlichen Kriegspolitik. Auf der Gedenkseite für ihn, auf der Homepage des von ihm gegründeten International Action Centers (IAC), würdigten zahlreiche Persönlichkeiten aus der ganzen Welt, darunter die Präsidenten Kubas, Nikaraguas, Boliviens und Venezuelas, sein »Engagement und seine Hingabe für Frieden und Gerechtigkeit«.
»Wir ehren Ramsey Clark«, so seine langjährige Mitstreiterin im International Action Center, Sara Flounders, »als einen unerschrockenen Verteidiger aller Formen des Widerstandes einer Bevölkerung gegen Unterdrückung, als einen Führer, der immer bereit war, die Verbrechen des US-Militarismus und seine globale Arroganz anzuprangern.« Er werde »den Menschen und Kämpfern auf der ganzen Welt als eine prominente Persönlichkeit in Erinnerung bleiben, die ihren Namen, ihren Ruf und ihre juristischen Fähigkeiten einsetzte, um Volksbewegungen und Führer zu verteidigen, die von den Konzernmedien gründlich dämonisiert worden waren«.
Auch auf die deutsche Friedensbewegung hatte Clark spätestens ab 1991, als die USA mit dem ersten Krieg gegen den Irak ihre »Neue Weltordnung« einleiteten, erheblichen Einfluss. Mich persönlich rüttelte sein Buch »Wüstensturm ‒ US-Kriegsverbrechen am Golf« auf, in dem er das Ausmaß der im Krieg gegen den Irak verübten Verbrechen aufzeigte.
Ramsey Clark kam aus dem Herzen des politischen Establishments von Texas. Als Kind machte er Eiscreme in der Küche der zukünftigen Präsidentengattin Lady Bird Johnson, und sein Vater wurde Richter am Obersten Gerichtshof. Als Jurastudent und Rechtsanwalt begann er die herrschenden, von Rassismus geprägten und an den Interessen der Eliten ausgerichteten Verhältnisse zunehmend kritisch zu sehen. Zunächst bemühte er sich, sie über die Mitarbeit in der Regierung zu verändern. Er wurde stellvertretender Justizminister unter John F. Kennedy und ab 1967 Justizminister in der Regierung von Lyndon Johnson. In dieser Zeit hatte er maßgeblichen Anteil an den 1965 und 1968 verabschiedeten Bürgerrechtsgesetzen für die schwarze Bevölkerung und entwarf Gesetze zum Wohnungsbau und zur Durchsetzung der Vertragsrechte der indigenen Nationen.
Während die meisten Regierungsmitglieder ihre Ämter nach dem Ausscheiden in millionenschwere Karrieren umwandelten, nutzte Ramsey Clark sein Renommee als ehemaliger Justizminister, um sich für die Armen, Unterdrückten und Rechtlosen einzusetzen und wurde so zu einem führenden Kritiker der US-Außenpolitik wie auch der Menschenrechtssituation im Land.
1972 reiste er während der Bombardierungskampagne unter Präsident Richard Nixon gegen den Willen Washingtons nach Nordvietnam, um die Kriegsverbrechen der USA zu dokumentieren. Es war eine der ersten von vielen Reisen, die Ramsey Clark von da an unternahm, um Opfer von US-Aggressionen zu treffen und sich mit angegriffenen Ländern zu solidarisieren. So besuchte er zahlreiche Male Kuba, um die US-Blockade anzuprangern, stand 1979 an der Seite der sandinistischen Revolution in Nicaragua und unterstützte in den 1980er Jahren den Befreiungskampf in El Salvador gegen eine US-gestützte Diktatur.
1991 reiste er während des Höhepunkts der US-Bombardierung ‒ trotz des hohen persönlichen Risikos ‒ in den Irak, um deren Folgen zu dokumentieren. Im Anschluss verfasste er eine 19 Punkte umfassende, juristisch beeindruckende Anklageschrift gegen die Bush-Regierung wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die international erhebliche Beachtung fand. Die Anklageschrift wurde zur Grundlage eines unabhängigen »Internationalen Kriegsverbrechen-Tribunals«, ähnlich den Russell-Tribunalen, mit öffentlichen Anhörungen in 19 Ländern.
In ähnlicher Weise klagte er nach dem Nato-Bombardement der Bundesrepublik Jugoslawien 1999 die Nato an und forderte ihre Auflösung. Clark war während der 78 Tage langen Luftangriffe der Nato zweimal in Jugoslawien und besuchte bombardierte Schulen, Krankenhäuser, Marktplätze, Wasseraufbereitungsanlagen, Getreidesilos und Pharmafabriken. Er traf sich zudem mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic und übernahm später auch dessen Verteidigung vor dem Nato-Tribunal in Den Haag. Seiner Ansicht nach wurden dort die Falschen angeklagt. Laut seiner Anklageschrift für das von ihm vorgeschlagene »Volkstribunal über Kriegsverbrechen in Jugoslawien« hätten US-Präsident Clinton und Außenministerin Albright auf die Anklagebank gehört, sowie die verantwortlichen Regierungsmitglieder Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und anderer Nato-Mächte.
Von nun an nahmen die Konflikte, die ihn forderten, immer mehr zu: der Überfall auf Afghanistan, der zweite Krieg gegen den Irak und die vielfältigen sonstigen US-Aggressionen im sogenannten »Krieg gegen den Terror«. Unermüdlich prangerte er die Militäroperationen, Drohnenangriffe, geheimen Verhaftungen, Wirtschaftsblockaden oder Regimewechsel-Aktionen an. Nach dem »arabischen Frühling« kamen der Nato-Krieg gegen Libyen und die Aggression der USA und ihrer Verbündeten gegen Syrien dazu. Auch nach Syrien reiste Clark mehrmals, um erneut die Aufmerksamkeit auf die Folgen militärischer Operationen Washingtons für die Zivilbevölkerung zu lenken.
Besonders scharfen Angriffen sah er sich im Westen wegen der Übernahme der Verteidigung von sehr umstrittenen Opfern der US-Politik wie Slobodan Milošević und Saddam Hussein ausgesetzt. Ihm wurde vorgeworfen, üble Diktatoren und Verbrecher zu verteidigen, nur weil sie Feinde der USA seien. Seiner Ansicht nach stand jedoch jedem Angeklagten eine Verteidigung zu. Vor allem war es ihm wichtig, über die Hintergründe der Kriege aufzuklären und die Geschichtsschreibung nicht allein den Siegern zu überlassen.
Ungeachtet der Anfeindungen von Politik und Medien im Westen, verlieh die Generalversammlung der Vereinten Nationen Ramsey Clark 2008 ihren Menschenrechtspreis, den sie alle fünf Jahre an verdiente Verteidiger der Menschenrechte vergibt. Die UN ehrte ihn dafür, dass er sich gegen die Übergriffe der USA im Kampf gegen den Terrorismus ausgesprochen hatte. Frühere Preisträger waren unter anderem Eleanor Roosevelt, Nelson Mandela und Dr. Martin Luther King Jr..