Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. Juli den Beschluss des Bundeswahlausschusses aufgehoben, die Deutsche Kommunistische Partei, DKP, von der Bundestagswahl im September auszuschließen und gleichzeitig ihr den Staus als Partei abzuerkennen. Bundeswahlleiter und Bundestagsverwaltung hatten eine Änderung des Parteiengesetzes im Jahr 2015 zum Vorwand genommen, um in der Sitzung des Bundeswahlausschusses am 8. Juli den Antrag gegen den Parteienstatus der DKP zu stellen, dem dort auch entsprochen wurde.
Vorausgegangen war eine lange vorbereitete Intrige von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble als Chef der Bundestagsverwaltung und Bundeswahlleiter Georg Thiel. Dass es sich dabei um ein abgekartetes Spiel zwischen Thiel und Schäubles Verwaltungsapparat handelte, dafür gibt es Belege. Der DKP-Vorstand hatte am 5. September vorigen Jahres beim Bundeswahlleiter ausdrücklich nachgefragt, ob man die Anforderungen gemäß Parteiengesetz erfülle. Am 8. September ließ Thiel wissen, er könne diese Frage nicht beantworten, das sei Aufgabe des Präsidenten des Deutschen Bundestags. Noch gleichentags schrieb der DKP-Vorstand daraufhin die Bundestagsverwaltung mit gleicher Fragestellung an. Eine Auskunft erhielt er jedoch auch hier nicht. Als der Anwalt der DKP im Rahmen des am 12. Juli angestrengten Beschwerdeverfahrens vor dem BVerfG Akteneinsicht erhielt, war ersichtlich, dass es im Juni einen brieflichen Kontakt zwischen dem Bundeswahlleiter und der Bundestagsverwaltung gegeben hatte. Dabei wurde von der Bundestagsverwaltung mitgeteilt: »Die DKP hat unserer Auffassung nach keinen Parteienstatus mehr.« Bis zum 8. Juli wurde die Partei darüber nicht informiert; ein Indiz dafür, dass Thiel die DKP bis zum letzten Augenblick über die beabsichtigte Entziehung des Parteienstatus im Unklaren lassen wollte.
Zu vermuten ist, dass das BVerfG sich bei seiner Entscheidung von der Überlegung leiten ließ, sich in seiner Kompetenz, die alleinige Zuständigkeit über Parteienverbote zu haben, nicht durch einen Verwaltungsakt einer Behörde beschneiden zu lassen. Parteien sind rechtlich gesehen eine Sonderform eines Vereins. Sie haben aber Sonderrechte, und sie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes – das heißt, es ist aufwendig, sie zu verbieten. Wird aber die Parteieigenschaft entzogen, bleibt nur noch ein Verein übrig, der problemlos per Erlass des Innenministeriums auch verboten werden könnte.
Kommunisten sind Dauerobjekt deutscher innenpolitischer Feindbildpflege. Ein kleiner historischer Rückblick: Es begann mit dem ersten Kommunistenprozess zu Köln 1852, wo Karl Marx persönlich angeklagt war, es folgte die Unterdrückung der – damals noch revolutionären – Sozialdemokratie unter dem Sozialistengesetz 1878 bis 1890. Unmittelbar nach der Konstituierung der KPD 1919 wurden führende Köpfe der neuen Partei wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Die Mordserie wurde zwischen 1933 und 1945 von den Faschisten tausendfach weitergeführt. Und schon zehn Jahre nach Gründung der Bundesrepublik wurde die KPD erneut auf Betreiben der Adenauer-Regierung verboten; das Verbot gilt bis heute. Die Neugründung 1968 als DKP wurde ermöglicht durch die internationale Lage, indem der Kalte Krieg durch die Entspannungspolitik abgelöst wurde und das Verbot als anachronistisches Überbleibsel nicht mehr haltbar war. Flankiert wurde die Zulassung der DKP 1972 durch eine neue, subtile Verfolgungswelle mittels des unter sozialdemokratischer Regierung erfolgten Radikalenerlasses. Unter Bruch der Verfassung – »Niemand darf wegen seiner (…) politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden« (Art. 3GG) – wurden 3,5 Millionen Personen vom Verfassungsschutz durchleuchtet, was zu rund 3.500 Verfahren führte. Nun der Versuch eines Parteienverbots mittels eines einfachen Verwaltungsaktes über ein sonst fast unbekanntes Gremium namens Bundeswahlausschuss. Warum der neue Angriff zum jetzigen Zeitpunkt?
Das KPD-Verbot 1956 stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Remilitarisierung der Bundesrepublik, die gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt werden musste. Die KPD war damals die stärkste innenpolitische Kraft, die den Widerstand dagegen mit organisiert hatte, obwohl sie parlamentarisch keinen Einfluss hatte. Heute geht es um die Aufrüstung von Bundeswehr und Nato gegen Russland und China. Russland ist das neue Super-Feindbild und die »Transatlantiker« in der EU, in CDU/SPD/Grüne unterstützen bedingungslos den aggressiven Kurs der USA. Selbst in der Linkspartei versuchen Kräfte wie der Abgeordnete Höhn, die Partei näher an den Nato-Kurs zu führen. In dieser Situation ist die DKP, obwohl parlamentarisch bedeutungslos, mit ihrem strikten Friedenskurs, ihrer »Raus aus der Nato«-Orientierung, ihrem Festhalten an der ursprünglich sozialdemokratischen Entspannungspolitik, den herrschenden und politischen Eliten hierzulande eine nicht nur störende, sondern im Ernstfall unkalkulierbare Kraft. Dem gilt es offensichtlich vorzubeugen.
Die Bundesrepublik wird gegenwärtig von einer reaktionären Ministerialbürokratie und Exekutive für den »Ernstfall« aufgestellt. Demokratieabbau und Sozialabbau gehen hierbei Hand in Hand. Leopardpanzer der Bundeswehr stehen heute schon wieder dort, wo die Tigerpanzer der Wehrmacht 1941 Richtung Moskau rollten. Ein faktisches Verbot, damals der KPD, heute der DKP, gehört dazu.