Wer sich an Demos für den Frieden beteiligt, kennt das. Wenn überhaupt, berichten Medien darüber aus der Sicht der Polizei: War alles friedlich, gab es Zwischenfälle? Viele von uns Friedensleuten klagen dann, wir hätten es mit einer »Lügenpresse« zu tun. Dies Wort benutzen aber auch Rechte und Obskurante gern, und es ist falsch. Wir haben es mit einer »Lückenpresse« zu tun. Ich bin seit fast 60 Jahren im Beruf und in der gewerkschaftlichen Deutschen Journalisten-Union im DGB organisiert. Fast genauso lange kenne ich den weisen Spruch des großen Publizisten Paul Sethe, dass Pressefreiheit die Freiheit von 200 reichen Männern sei, ihre Meinung zu verbreiten. Es sind heute weit weniger als 200. In Dortmund ist es nur einer, ein Herr Lensing, der Besitzer der Ruhrnachrichten. Ich appelliere immer wieder an meine Kolleginnen und Kollegen, zu versuchen, nicht so viele Lücken in der Berichterstattung zuzulassen.
Nehmen wir das Beispiel des obersten Heeresgenerals Alfons Mais, der am Tag des Angriffs Russlands auf die Ukraine verkündete, die Bundeswehr stehe »blank« da. Alle Medien brachten diese Behauptung groß heraus, und drei Tage später beschloss der Bundestag, die Bundeswehr nicht mehr blank dastehen zu lassen: Eine große Mehrheit bewilligte einen 100 Milliarden Sonderfonds und vieles mehr für die Bundeswehr.
Die Mehrheitsmedien hatten getan, was sie immer tun: Die Infos der Friedensforschung und Friedensbewegung ignoriert. Schon im November 2020, so fanden Rechercheure der Friedensbewegung heraus und belegten es mit genauen Quellenangaben, hatte Alfons Mais erklärt: Für das deutsche Heer würde die Anwendung der Nato-Verpflichtungen bedeuten, dass nach zehn Jahren Aufrüstung 2031 die Verdoppelung seiner Schlagkraft hergestellt ist. Der Heeresinspekteur ergänzte seine Erklärung mit einem klaren Ziel: »Die eingesetzten Truppen müssen durchsetzungsfähig, kriegsbereit und siegesfähig sein.« Und: »Nochmal: Ziel des Heeres ist Kriegstüchtigkeit, einsatzbereite Kräfte allein genügen nicht: Wir müssen einstecken, wiederaufstehen, gegenhalten und letztendlich gewinnen können!« Es komme auf siegreiche »Landes- und Bündnisverteidigung« an, was so viel heißt, wie einen Landkrieg mit Russland »erfolgreich« bestehen zu können. Mais Klage, die Bundeswehr sei »blank«, war eindeutig darauf gerichtet, die Bundeswehr siegreich gegen Russland einzusetzen. Dies war aber bereits Napoleon, Kaiser Wilhelm Zwo und Adolf Hitler nicht gelungen. Und nun der neue Anlauf mit einem größenwahnsinnigen General Mais?
Von solchen Äußerungen des Heeresinspekteurs erfuhren wir nichts in den Medien. Da hieß es nur: Die Bundeswehr ist »blank«. Als 1962 der Spiegel ähnliches schrieb – die Bundeswehr sei »bedingt abwehrbereit« – da wurde der Spiegel-Herausgeber wegen Landesverrats eingesperrt. Er hätte ja dem Kreml einen Wink gegeben, die BRD problemlos anzugreifen. Heute wird die Kriegshetze des Generals Mais begierig aufgegriffen, die Mehrheitsmedien hinterfragten sie nicht.
Zu einigen weiteren Problemen des deutschen Journalismus: Kürzlich starb Madeleine Albright, und sie wurde in den Medien als Lichtgestalt gefeiert, Nie werde ich vergessen, dass diese Außenministerin der USA im Irakkrieg 2003 den Tod von einer halben Million Kinder als notwendig für die Suche nach den Waffen des Diktators Hussein erklärte. Diese Waffen hat es nie gegeben, dennoch wurde ihre angebliche Existenz zur Begründung eines grausamen Krieges des Westens herangezogen. Eine andere US-Lüge zur Begründung eines Krieges war im Jahr 1990 jene von der durch Iraker ermordeten kuweitischen Babys. Von der Richtigstellung dieser Lügen hörten wir wenig in den Medien. Es gab 20 Jahre Krieg der Nato gegen Afghanistan; es sei der Bündnisfall eingetreten. Aber Afghanistan hatte keinen Nato-Staat angegriffen. Russland griff die Ukraine völkerrechtswidrig an, von den Verstößen des Westens gegen das Völkerrecht wird nicht gesprochen. Und noch heißt es, es gäbe keinen Nato-Fall, daher werde man nicht gegen Russland in der Ukraine eingreifen. Doch Waffen liefert man noch und noch. Und dies auch an die Saudis, die damit im Jemen gnadenlos metzeln und den Hungertod vieler Tausend Kinder bewirken.
Ich frage: Wie lange hält das Nichteingreifen von Nato-Truppen in der Ukraine? US-Präsident Joe Biden sagt: Putin muss weg, der Kampf gegen ihn sei Teil des Ringens der Demokratie gegen die Autokraten in der Welt. Also wieder 20 Jahre Nato-Krieg wie gegen Afghanistan?
Vielleicht fliegt aber vorher die Welt atomar in die Luft. Damit dies nicht geschieht, müssen wir uns wehren. Schluss mit der kriegerischen Eskalation, für Abrüstung, Entspannung.
Dafür gehen wir beim Ostermarsch auf die Straße. Macht alle mit!
Die Angaben über die Aussagen von General Mais stammen von Lühr Henken (Friedensratschlag Kassel) auf der Friedenspolitischen Konferenz von ver.di, Hamburg, 16.9.2021. Seine Quelle: Förderkreis Deutsches Heer e. V. am 4. November 2020.