Die SPD-Zentrale koberte für ihr Debattencamp im Internet: »Sei dabei, wenn unser Kanzlerkandidat Olaf Scholz seine Vision vorstellt.« Darf Obengenannter eine Vision haben?
Willy Brandt hatte. Er verließ die Große Koalition unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (NSDAP/CDU) gegen den wütenden Widerstand von Herbert Wehner und Helmut Schmidt und bildete die sozialliberale Koalition.
Es war eine Erlösung. Neue Ostpolitik. Entspannung. Allerdings auch – den Wehner wurde Brandt nicht los – Berufsverbot für jeden, den man für einen Kommunisten hielt. Brandts Vision von einem besseren Deutschland erfüllte sich nur zu einem Teil.
Der Nachfolger und schneidige Hitler-Offizier Helmut Schmidt beschied seine Genossen: »Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.« Und betrieb gegen den wütenden Widerstand der 68er Jugend die Politik der Nachrüstung.
Aber Olaf Scholz, diese Promenadenmischung aus Wehner und Schmidt, die als Gerhard Schröders Scholzomat perfekt die Hartz-IV-Litanei zur Schikanierung der Arbeitslosen aufsagen konnte, hat für das SPD-Debattencamp eine Vision gefunden: mehr Respekt für die Arbeitnehmer. Wobei er sich als erster unter diesen versteht. Denn Respekt, den hätte er gern, den braucht er dringend. Aber woher nehmen?
Das Urteil über diese stolze Scholz-Bemühung sprach die ansonsten nicht SPD-unfreundliche Süddeutsche Zeitung. Sie brachte eine 20-Zeilen-Meldung über das SPD-Debattencamp zur Präsentation des SPD-Kanzlerkandidaten. Zweideutige Überschrift: »Scholz will mehr Respekt«. Daneben ein wohlwollender 180-Zeiler mit großem Bild (»Der entspannte Kandidat«) über den CDU-Bewerber für Vorsitz und Kanzleramt Norbert Röttgen.
Armer Scholz. Noch ärmere SPD. Ärztliche Hilfe tut Not.