Zu meinem durchaus großen Bedauern sehe ich mich veranlasst, nach nunmehr fast 23 Jahren meine Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit sofortiger Wirkung zu beenden. Der Grund für meine Entscheidung liegt darin, dass ich es leid bin, seit über einem Jahr mit anzusehen, wie sich die SPD von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit ihren unantastbaren Grundrechten verabschiedet und sich – frei nach dem von mir hochgeschätzten Heribert Prantl – als »Lautsprecher der Virologie anstelle der Demokratie« geriert, allen voran der unerträgliche Genosse Lauterbach. In der jüngst erschienenen, äußerst lesenswerten Brandschrift (»Not und Gebot: Grundrechte in Quarantäne«, München 2021) des Juristen, ehemaligen Richters und Staatsanwalts sowie langjährigen Ressortleiters der Süddeutschen Zeitung gegen die Maßlosigkeit und Unverhältnismäßigkeit der seit über einem Jahr andauernden, überaus dummen Corona-Politik finden sich jede Menge weiterer konziser Einlassungen wie nachfolgende Auswahl illustriert:
»Noch nie in der Geschichte ist das Leben der Menschen außerhalb von Gefängnissen so strikt reguliert worden wie in der Corona-Zeit« (S. 8).
»Die Sicherheitsgesetze, die zur Zeit des Terrorismus verhängt wurden, fanden in der Corona-Zeit nicht nur ihre begrüßte Fortsetzung, sondern ihre willkommene Potenzierung« (S. 8).
»Mit begründungslosen Verordnungen hat die Verwaltung die Versammlungs- und Religionsfreiheit aufgehoben, die Freizügigkeit abgeschaltet, gewerbliche Tätigkeiten massiv beeinträchtigt, das Recht auf Bildung und Erziehung verdünnt; alte und behinderte Menschen wurden nur noch unzureichend versorgt« (S. 10).
»Dieses Maß der Mittel wird im demokratischen Rechtsstaat vom Recht bestimmt, nicht von Stimmungen und auch nicht von der Virologie« (S. 42).
»Die Grundrechtseingriffe im Corona-Jahr 2020 sind extremer, als man es in den sechziger Jahren befürchtete, als gegen die Notstandsgesetze demonstriert wurde« (S. 50).
»Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 den Löffel abgegeben. Damals hat er die ›epidemische Lage von nationaler Tragweite‹ festgestellt. Diese Feststellung war richtig, aber die damit verbundene Selbstentmachtung war falsch, gefährlich und anhaltend schädlich« (S. 87).
»In der parlamentarischen Demokratie gibt es eine Gestaltungspflicht des Gesetzgebers. Der Bundestag hat sich in der Corona-Politik dieser Aufgabe entzogen; er hat seine Pflicht verraten; er hat erlaubt, was das Bundesverfassungsgericht verboten hat: dass in bloßen Rechtsverordnungen der Verwaltung ›originär politischer Gestaltungswille der Exekutive zum Ausdruck‹ kommt« (S. 87).
»Das Parlament hat die Demokratie beschädigt, weil es dem Volk zu verstehen gab, daß es zu schwach ist für Entscheidungen in Krisenzeiten« (S. 88).
»Die coronale Selbstverzwergung des Parlaments wird nicht beendet. Es ist makaber: Im Verteidigungsfall, dann also, wenn Deutschland militärisch angegriffen wird, hat das Parlament mehr Rechte als heute nach den Pandemie-Regeln« (S. 89).
Nicht erwähnt ist in dieser Aufzählung die im Grundgesetz nicht vorgesehene exekutive Selbstermächtigung der sogenannten »Ministerpräsidentenkonferenz (MPK)« sowie darüber hinaus die mit der soeben verabschiedeten Neufassung des »Infektionsschutzgesetzes« erfolgte Aushebelung des in der Verfassung verankerten Föderalismusgebotes.
An der vorstehend skizzierten skandalösen Politik des Demokratieverrats hat sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in exponierter Funktion als Regierungspartei in Tatgemeinschaft mit den Koalitionspartnern von der CDU/CSU beteiligt. Angesichts dessen muss es freilich als noch skandalöser erscheinen, dass im Bundestag derzeit lediglich die FDP als die habituelle Partei der organisierten Niedertracht in Gestalt der Interessenvertretung der Besserverdienenden sowie die Westentaschen-Nazis von der AfD auf die verfassungsmäßigen Grundrechte der hierzulande lebenden Menschen pochen.
Wenn ich mir somit das Gebaren der Polit-Covidioten an den Schalthebeln der Macht, das erbärmliche Verhalten von Parlamentariern ohne Rückgrat, die hirnlos jedes Ermächtigungsgesetz abnicken, sowie die überwältigende Mehrheit mathematisch-statistischer Analphabeten hierzulande, die obrigkeitshörig wie eh und je jeden regierungsamtlich angeordneten Schwachsinn mitmachen, ansehe, kann ich getreu Max Liebermann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte. All jenen Grundrechteverächtern sollte man eine Geistesgröße wie Wilhelm von Humboldt um die Ohren hauen, der sich einstens entschieden gegen jede Staatstätigkeit äußerte, »welche die Freiheit der Bürger aus Sorge um den physischen oder moralischen Zustand der Nation einengt«, und »das Princip, daß die Regierung für das Glück und das Wohl, das physische und moralische, der Nation sorgen muß, … de(n) ärgste(n) und drükkendste(n) Despotismus« nennt und weiterhin anmerkt: »Der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger, und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst, und gegen auswärtige Feinde nothwendig ist; zu keinem anderen Endzwekke beschränke er ihre Freiheit« (Wilhelm von Humboldt: Ideen über Staatsverfassung, durch die neue französische Constitution veranlaßt, 1791, zitiert nach Georg Geismann: Ethik und Herrschaftsordnung, Tübingen 1974, S. 50 f).
Nachschauen könnten die Lautsprecher der Virologie auch mal bei Immanuel Kant, der im Hinblick auf jene Form von Staatsdespotismus lakonisch angemerkt hatte, dass man »vielleicht beweisen (könnte), daß dem anderen meine Handlung nützte –, aber er ist dabei doch nicht frey« (ebd., S. 54).
Letztere Konklusion findet ihre schlagende Bestätigung durch keinen Geringeren als den langjährigen Außenminister der Sowjetunion, Andrej Gromyko, bekanntlich ein über jeden Zweifel erhabener »lupenreiner Demokrat«, um es mit dem berühmten Aphorismus des Genossen der Bosse, Gerhard Schröder, zu formulieren. Jener hatte zu Beginn der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Raison d‘être der in seinem Lande herrschenden kommunistischen Diktatur in die berühmte Sentenz gefasst: »Our purpose (…) is the well-being of the people, whether they like it or not« (ebd., S. 54). Auf die aktuell nicht nur hierzulande herrschenden Verhältnisse gewendet lautet diese Maxime nur leicht modifiziert: »Our purpose is keeping people healthy, whether they like it or not.«
Ich denke, hinreichend deutlich klargelegt zu haben, weshalb ich eine derartige Politik des Demokratieverrats weder zu unterstützen noch gar mich daran aktiv zu beteiligen gedenke.
In diesem Sinne verbleibe ich mit der sarkastischen Devise einer leider nur allzu kleinen Gruppe von Kunstschaffenden in unserem Lande, die sowohl noch ihre Tassen im Schrank als auch einen Arsch in der Hose haben und dafür selbstredend prompt von einer systemhörigen Rudeljournaille aufs Übelste diffamiert wurden: allesdichtmachen / niewiederaufmachen / lockdownfürimmer.
Der Text ist die leicht überarbeitete Version eines Briefs an die Vorsitzenden der SPD, mit dem der Autor seinen Parteiaustritt erklärte.