Wo die Ostseewellen an den Strand von Zingst trecken, sieht man das Meer und vielleicht noch die Seebrücke. In diesem Sommer war die Sicht durch zehn großflächige Bildtafeln ein wenig versperrt. Auf denen sah man im Meer treibende Plastikflaschen, vermüllte Strände, Berge von Netzen aus Kunstfasern … Die Fotos stammten vom Magazin National Geographic, das seit Jahren unter dem Titel »Planet or Plastic« für mehr Umweltbewusstsein streitet. Die Ausstellung war nur eine von zwanzig, die im Juni und Juli im Ostseebad auf dem Darß präsentiert wurden. Das inzwischen zwölfte Umweltfotofestival »horizonte zingst« besichtigten die Urlauber gleichsam en passant. Drei Themen diesmal: Klimawandel, Plastikvermüllung der Ozeane und die Gefährdung der Artenvielfalt. Die Fotos, unübersehbar groß, standen auf Plätzen, in Höfen, an Straßen, am Strand, kleinere Formate gab es in Galerien, Hotels, Hallen und Kirchen zu sehen. Fantastisch die Fülle und die – eigentlich – unprätentiöse Präsentation.
Auf dem Postplatz zeigte Johnny Miller, ein seit Jahren in Kapstadt lebender Amerikaner, die soziale Spaltung der kapitalistischen Gesellschaft auf ungewöhnliche Weise. Er ließ Drohnen aufsteigen und fotografierte aus der Vogelperspektive die Grenzlinien zwischen Elendsquartieren und den besseren Gegenden. Da stoßen graue Slums an einen sattgrünen Golfplatz, freistehende Villen säumen einen Uferstreifen, umrandet von dicht an dicht stehenden Blechhütten … Arm und Reich sind selten so sichtbar geschieden wie auf Millers Aufnahmen, die er in Afrika, in den USA, in Lateinamerika und in Südostasien machte. Er nannte seine Serie – die im Unterschied zu den anderen Ausstellungen in Zingst noch bis September zu sehen sein wird – »Unequal Scenes«, ungleiche Verhältnisse.
Unweit von Millers Bildern gab es überdimensionierte Fotos von Björn Vaughn, Jayaprakash Bojan und Ulet Ifansasti, die die systematische Ausrottung des Orang-Utans dokumentierten. Die Tiere leben in den Regenwäldern Borneos, Sumatras und Malaysias, welche jedoch rücksichtslos gerodet werden für Tropenholz und Holzkohle, um danach auf den freien Flächen Palmen in Monokultur anzubauen, aus deren Früchten Öl gewonnen werden soll. Dadurch verlieren die Orang-Utans und viele andere Tierarten ihre Lebensgrundlage. Die drei Fotografen richteten ihre Objektive zwar auch auf die akut vom Aussterben bedrohten rothaarigen Menschenaffen, doch der Fokus lag auf der geschändeten Natur. Der Betrachter sieht zwischen verkohlten Baumstümpfen im aufsteigenden Qualm einen Bagger die Wurzeln aus der Erde reißen, auf einem anderen Bild, das aus dem Flugzeug gemacht wurde, erkennt man eine kahle Riesenfläche in Braun und Schwarz, zerfurcht von geraden und gewundenen Wegen, gesäumt vom Urwald, der bis zum Horizont reicht. Noch.
Da wie dort treibt die eine Profitmaschinerie die Menschheit dem Untergang entgegen, was mit beeindruckenden Motiven sichtbar gemacht wird. Die Ästhetik der Selbstausrottung verstört, nirgendwo ist auch nur ein Mensch auf den Fotos zu sehen. Doch die Botschaft ist unmissverständlich.
Man kann sie nicht oft genug sagen und zeigen. Auch im Urlaub muss das sein. Die barbarische Ausbeutung der Erde kennt auch keine Pause.