Durch das Auftauchen neuer Manipulationsbelege in den Prozessen gegen den 1982 zum Tode verurteilten afroamerikanischen Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal war 2019 ein Revisionsverfahren möglich geworden. Sein Zustandekommen wurde jedoch durch eine Eingabe der Witwe des angeblich von Abu-Jamal 1981 ermordeten Polizisten Daniel Faulkner um fast ein ganzes Jahr verzögert. Maureen Faulkner ist Sprecherin von Fraternel Order of Police in Philadelphia, jener mächtigen Polizeigewerkschaft, die nicht aufgehört hatte, die Vollstreckung der Todesstrafe an Abu-Jamal zu fordern. Diese war 2011 – wegen nie ausgeräumter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der juristischen Verfahren – in lebenslängliche Haft umgewandelt worden. Seitdem setzt die Polizeigewerkschaft alles daran, die Freilassung des nunmehr seit 39 Jahren eingekerkerten weltbekannten Autors zu verhindern.
Im Dezember 2019 hatte Maureen Faulkner mittels einer sogenannten King’s Bench verlangt, dass Bezirksstaatsanwalt Larry Krasner, der nach langer Prüfung neuer Beweisstücke eine Revision zugelassen hatte, diesen Juristen aus dem Verfahren auszuschließen. Ziel war, Krasner durch den extrem rechten Generalstaatsanwalt Joshua Shapiro zu ersetzen. Dass der Pennsylvania Supreme Court das Anliegen der King’s Bench am 16. Dezember 2020 abgewiesen hat, stellt einen großen juristischen Erfolg für Abu-Jamal dar. Seine Anwältin Judith Ritter kann jetzt in die Vorbereitung des Revisionsverfahrens einsteigen. Es ist freilich davon auszugehen, dass die Polizeigewerkschaft erneut versuchen wird, den Prozess hinauszuschieben.
Dass in den USA nach wie vor rassistisch-faschistoide Gefahren virulent sind, zeigte sich nicht nur bei der Besetzung des Capitols, sondern auch daran, dass Donald Trump die letzten Wochen seiner Amtszeit noch nutzte, um durch Bundesgerichte ausgesprochene Todesurteile vollstrecken zu lassen. Die USA sind das Land mit den prozentual meisten Strafgefangenen, von denen wiederum eine große Mehrheit Afroamerikaner oder Angehörige anderer ethnischer Minderheiten sind. Auf die unmenschlichen Bedingungen, die in den meist von privaten Firmen geleiteten Haftanstalten herrschen, fällt in der Corona-Krise ein besonderes Schlaglicht: Jeder zehnte Inhaftierte ist an Covid 19 erkrankt. Auch im Trakt, in dem sich Mumia Abu-Jamals Zelle befindet, herrscht strenger Lockdown.
Trotzdem gelang es ihm wieder, der 26. Rosa-Luxemburg Konferenz der jungen Welt, die am 9. Januar online stattfand, eine Audio-Botschaft zuzusenden. Sein diesjähriges Thema war die drohende Faschisierung seines Landes, in dem er – einem Artikel John Bellamy Foster folgend – deutliche Merkmale historischer Faschismen erkennt: »gesteigerte Fremdenfeindlichkeit, Ultranationalismus, Wurzeln in der unteren Mittelschicht und privilegierten Sektoren der Arbeiterklasse sowie ein Bündnis mit dem Monopolkapital«. Zutreffend sei auch, was der Mussolini und Hitler nahestehende Julius Evola einst schrieb: Faschismus könne sich nur entwickeln, wenn er die Menschen durch »unterhalb des Intellekts angesiedelte« Leidenschaften zur Revolte gegen die Demokratie, den sozialen Fortschritt und die Wissenschaft antreibe. Abu-Jamal wies allerdings darauf hin, dass es »ungeachtet der ›unintellektuellen‹ Leidenschaften bei den Trump-Anhängern (…) sehr wohl ein Bewusstsein darüber« gebe, »dass die neoliberalen Kräfte, die jetzt in der demokratischen Partei an der Spitze stehen, die ›weiße‹ Arbeiterklasse betrogen haben, als sie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA unterzeichneten. Es war ein Geschenk an die Finanzhaie der Wall Street und ein Dolch im Rücken der amerikanischen Arbeiter*innen.« Indem Trump gegen das 1994 in Kraft getretene NAFTA-Abkommen wetterte, sammelte er Punkte »bei US-Neofaschisten wie (Steve) Bannon, die diesen Verrat der Demokraten nutzten, um Unterstützung für die ›alternative Rechte‹ zu gewinnen, indem sie argumentierten, ›die Globalisierer‹ hätten ›die amerikanische Arbeiterklasse kaputtgemacht und dafür eine Mittelklasse in Asien geschaffen‹«. Hinter dem Anklang, den diese Demagogie bei vielen Amerikanern fand, die 2016 Donald Trumps Wahl und 2020 beinahe seine Wiederwahl ermöglichten, hört Abu Jamal einen »Schrei nach Erlösung, der sich an das Großkapital und die mit ihm verbündeten repressiven Regierungen richtet«.
Abu-Jamal betonte, dass »Neoliberalismus und Neofaschismus, obwohl sie scheinbar politische Gegensätze darstellen, in Wirklichkeit enge Verwandte« seien, »die bloß in verschiedenen Kostümen auftreten«. Für den Neofaschismus seien »wüste rassistische Ausbrüche« charakteristisch, für den Neoliberalismus »süße Worte«. Aber letzterer »vernichtet zugleich Arbeitsplätze und greift ebenfalls zu rücksichtsloser Unterdrückung«.
Tatsächlich ist von Präsident Joe Biden nicht zu erwarten, dass er das 2018 von Trump neu verhandelte und in United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA) umbenannte Nordamerikanische Freihandelsabkommen aufkündigt. Ob er, wie versprochen, die Abschaffung der Todesstrafe für bundesstaatlich Verurteilte und die Auflösung des völkerrechtlich unzulässigen Gefangenenlagers Guantanamo durchsetzt, bleibt abzuwarten.
Die Zitate aus Mumia-Abu Jamals Rede folgt der Übersetzung der Jungen Welt: https://www.freiheit-fuer-mumia.de/rlk2021.htm#redemumiadeutsch. Ausführliche Informationen zu Mumia Abu-Jamals Fall und die weltweite Solidaritätsbewegung: https://www.das-mumia-hoerbuch.de.