Die in der DDR gern gepflegte Freikörperkultur wurde in Ahrenshoop erkämpft. Ende der 1950er Jahre soll dort ein hoher Parteifunktionär (Alexander Abusch) nackt mit einem Schild durch den Ort marschiert sein, um einen kleinen Trupp anzuführen, der für die FKK eintrat. Der Dichter Johannes R. Becher war dagegen, er hatte Ahrenshoop ja als Ort des gesamtdeutschen Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands erkoren. Die neun Jahre jüngere Romanschriftstellerin Anna Seghers hingegen fühlte sich mit freiem Körper am Strand am wohlsten.
Becher spaziert im weißen Anzug am Strand von Ahrenshoop entlang.
Eine nackte Frau liegt dort mit einem Neuen Deutschland als Sonnenschutz auf dem Gesicht.
Er geht vorbei und sagt: »Sie alte Sau!«
Die nackte Frau nimmt die Zeitung vom Gesicht, es ist Anna Seghers.
Becher darauf: »Oh.«
Kurze Zeit später erhält Anna Seghers in Berlin den Nationalpreis, überreicht vom Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, dicht umringt von den geladenen Gästen.
Anna Seghers bedankt sich und sagt laut: »Für Dich aber immer noch DU ALTE SAU.« (NB. Übrigens erwies Seghers dem Dichter später an seinem Sarg den Dienst der Totenwache).
Auf jeden Fall wurde die FKK-Frage auf höchster politischer Ebene entschieden und setzte sich im ganzen Land als selbstverständlich, unproblematisch und natürlich durch. Es gab ja die proletarische Tradition der Zwanziger Jahre, als es auch in den Städten Vereine gab, die diese Kultur verfochten. Ahrenshoop wird noch heute beworben als ein Ort der Freikörperkultur. Die aber nun überwiegend aus Westdeutschland kommenden Gäste wollen davon oft nichts wissen und verderben die Sache empfindlich – wohl nicht zuletzt, weil ihnen Statusgehabe und tiefsitzende Kirchenmoral offenbar wichtiger sind als Freikörperkultur.