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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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NATO übt Krieg gegen Russland

Die Vor­be­rei­tun­gen der NATO für einen Krieg gegen Russ­land errei­chen einen neu­en Höhe­punkt. Im kom­men­den Früh­jahr sind Deut­sche in vor­der­ster Front mit dabei, wenn beim Groß­ma­nö­ver »Defen­der 2020« Trup­pen aus 17 NATO-Staa­ten sowie Sol­da­ten aus Finn­land und Geor­gi­en in Rich­tung rus­si­scher Gren­ze mar­schie­ren. Im Bal­ti­kum, in Polen und in Geor­gi­en will die NATO im April und Mai eine der größ­ten Kriegs­übun­gen ihrer Land­streit­kräf­te seit dem Ende des Kal­ten Krie­ges durchführen.

Geplant ist die umfang­reich­ste Ver­le­gung von Sol­da­ten aus den USA nach Euro­pa in den ver­gan­ge­nen 25 Jah­ren. 20.000 Sol­da­ten samt schwe­rem Kriegs­ge­rät wer­den über den Atlan­tik geschickt, haben die US-Streit­kräf­te in Euro­pa mit­ge­teilt. Fünf Kampf­bri­ga­den mit ins­ge­samt 37.000 Sol­da­ten sol­len zum Ein­satz kom­men. Diri­giert wird die Kriegs­übung vom US-Hee­res­kom­man­do Euro­pa in Wiesbaden-Erbenheim.

Deutsch­land dient als zen­tra­le logi­sti­sche Dreh­schei­be. 33.000 Stück Kriegs­ge­rät wer­den auf Schie­ne und Auto­bah­nen gen Osten trans­por­tiert. Das US-Kriegs­ge­rät wird in Bre­mer­ha­ven anlan­den. In Garl­stedt nörd­lich von Bre­men, in Burg bei Mag­de­burg und auf dem Trup­pen­übungs­platz Ober­lau­sitz wer­den drei Con­voy-Sup­port-Zen­tren auf­ge­baut. Auf dem Trup­pen­übungs­platz Ber­gen in der Lüne­bur­ger Hei­de wird eine gro­ße Tank­an­la­ge für die US-Marsch­ko­lon­nen instal­liert. In Gra­fen­wöhr in Bay­ern sol­len im Rah­men des Manö­vers Gefechts­stands­übun­gen stattfinden.

Das Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um in Ber­lin hat mit­ge­teilt, mit dem Groß­ma­nö­ver sol­le die »schnel­le Ver­leg­bar­keit grö­ße­rer Trup­pen­tei­le über den Atlan­tik und durch Euro­pa geübt wer­den, um sicher­zu­stel­len, dass die ent­spre­chen­den Ver­fah­ren im Kri­sen­fall funk­tio­nie­ren«. Dadurch kön­ne die Bun­des­re­pu­blik zei­gen, wie sie zur »gemein­sa­men euro­päi­schen und euroat­lan­ti­schen Sicher­heit« bei­tra­ge. Außer­dem wer­de mit dem Trans­port der teil­wei­se mehr als 130 Ton­nen schwe­ren Kampf­pan­zer auf Mili­tär­tief­la­dern auch die Belast­bar­keit der Infra­struk­tur überprüft.

Die EU-Kom­mis­si­on hat für 6,5 Mil­li­ar­den Euro ein Pro­gramm auf­ge­legt, um in der EU Stra­ßen, Schie­nen und Brücken in Rich­tung Russ­land pan­zertaug­lich auszubauen.

Seit Anfang 2019 gilt zudem ein Rah­men­fracht­ver­trag zwi­schen der Deut­schen Bahn AG und der Bun­des­wehr, wonach die Bahn Mili­tär­trans­por­ten auf ihrem Schie­nen­netz Vor­rang ein­räumt. Der Ver­trag läuft bis Ende 2020, kann aber immer wie­der um ein Jahr ver­län­gert wer­den. Für 2019 war nach Infor­ma­tio­nen der Infor­ma­ti­ons­stel­le Mili­ta­ri­sie­rung (IMI) in Tübin­gen die Ver­le­gung von »etwa 9700 Sol­da­ten, 150 Ket­ten­fahr­zeu­gen, 3300 Rad­fahr­zeu­gen, 1500 Anhän­gern und 1370 Con­tai­nern Rich­tung Osten« vor­ge­se­hen. Im Jahr 2020 sol­len Mili­tär­gü­ter bin­nen fünf Tagen in die bal­ti­schen Staa­ten trans­por­tiert wer­den. An den Stand­or­ten Ber­gen (Nie­der­sach­sen) und Deu­ten (Nord­rhein-West­fa­len) wer­den die Züge bela­den, und von dort soll täg­lich jeweils ein Mili­tär­trans­port nach Litau­en in den Ort Šešto­kai an der pol­ni­schen Gren­ze gehen. Die Strecke wird an der deut­schen Gren­ze über Frank­furt (Oder) sowie über Kun­o­vice in Tsche­chi­en füh­ren. Wäh­rend des Manö­vers kann es im zivi­len Bahn­ver­kehr zu Behin­de­run­gen und Ver­spä­tun­gen kommen.

Schar­fe Kri­tik am NATO-Kriegs­ma­nö­ver »Defen­der 2020« hat der Frie­dens­rat­schlag geübt, die zen­tra­le Ver­samm­lung deut­scher Frie­dens­ak­ti­vi­stIn­nen, der seit 26 Jah­ren jeweils am ersten Dezem­ber-Wochen­en­de in der Kas­se­ler Uni­ver­si­tät stattfindet.

Der Frie­dens­rat­schlag ver­ab­schie­de­te am 7. Dezem­ber eine Reso­lu­ti­on, in der es heißt, »Defender2020« sei »umwelt­zer­stö­re­risch« und ste­he der not­wen­di­gen »Dees­ka­la­ti­on« sowie der »Ein­lei­tung ver­trau­ens­bil­den­der Maß­nah­men« im Ver­hält­nis der NATO zu Russ­land »dia­me­tral ent­ge­gen«. Alle Frie­dens­kräf­te wer­den auf­ge­ru­fen zu bera­ten, wie dem »NATO-Kriegs­ge­ras­sel« phan­ta­sie­voll, fried­lich und cou­ra­giert begeg­net wer­den kann. Wäh­rend eines Russ­land-Work­shops erin­ner­te Mili­tär­ex­per­te Wil­fried Schrei­ber dar­an, dass es kei­ne mili­tä­ri­sche Sicher­heit vor einer Atom­macht wie Russ­land geben kön­ne. Sicher­heit kön­ne viel­mehr nur gemein­sam mit Russ­land her­ge­stellt wer­den, wie dies Egon Bahr und Wil­ly Brandt mit ihrer Ost­po­li­tik prak­ti­ziert hät­ten. Unter Bei­fall plä­dier­te Schrei­ber für eine »neue Ent­span­nungs­po­li­tik«, die­se sei die »Schlüs­sel­fra­ge« jeder Friedenspolitik.

Erste Bera­tun­gen von Kriegs­geg­ne­rIn­nen zu »Defen­der 2020« fan­den bereits in Leip­zig und Rothenburg/​Wümme sowie Sol­tau statt.

Kri­tik hat auch der ver­tei­di­gungs­po­li­ti­sche Spre­cher der Bun­des­tag­frak­ti­on Die Lin­ke, Alex­an­der Neu, geübt: »Die­se Übung wird auf rus­si­scher Sei­te zu Reak­tio­nen füh­ren, womit die wei­te­re Eska­la­ti­on vor­pro­gram­miert ist«, erklär­te Neu. »Dees­ka­la­ti­on« schei­ne im Wort­schatz der NATO nicht mehr zu exi­stie­ren. Die Lin­ke for­de­re, »sich in kei­ner Wei­se an der Übung zu betei­li­gen und auch nicht deut­sches Ter­ri­to­ri­um für die­ses Säbel­ras­seln zur Ver­fü­gung zu stellen«.