In meiner Offiziersausbildung vor rund 40 Jahren lernte ich die Schutzmaske aufzusetzen und die Schutzausrüstung anzulegen. Lichtblitz, Atompilz, Druckwelle, Atomverstrahlung. Ich verstand auch, dass sich hinter einem Erdwall je nach der Stärke oder einer Betonmauer im Bunker mit Filterbelüftung die Atomstrahlung entsprechend mindert. Das konnte man auch mathematisch berechnen.
Und so ziemlich am Ende der Ausbildung zum Schutz gegen biologische, chemische und atomare Waffenanwendung meinte unser Ausbildungsoffizier – ein Major, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere: Und wenn Sie den Blitz und Atompilz wahrnehmen: »Hinsehen, einmaliges Erlebnis.« Von Hinlegen und Betonbunker war dabei nicht mehr die Rede.
Meine Ausbildung absolvierte ich 1981/82 in Zittau. An dem Militärflugplatz in Laage bei Rostock habe ich selbst mitgebaut, Staffel 1. Dieser befindet sich heute in der Hand der Nato.
An dem Vorschlag von 1989/90, dass alle ausländischen Truppen das Gebiet der DDR/BRD verlassen sollen, halte ich für die heutige BRD fest. Die Stärke der US-Truppen in Europa beträgt mehrere 10.000. Dehnen wir diesen Vorschlag auf ganz Europa aus. Rückzug der BRD- und anderer Nato-Streitkräfte aus anderen Ländern in ihr jeweils eigenes Land ist ebenso ein praktikabler Friedensschritt. Ein weiterer Schritt ist, das Nato-Europa zur Verbotszone für jegliche militärische Flüge zu erklären. Die Länder des ehemaligen Warschauer Vertrages, die heute Nato-Mitglied sind, müssen wieder austreten. Schaffen wir dort eine entmilitarisierte Zone.
Als der Warschauer Vertrag sich um 1990 auflöste, die sowjetischen Truppen sich zurückzogen und die Sowjetunion zerfiel, fragte ich mich (und ich war wohl nicht der Einzige): Was machen jetzt USA, Nato und der Militär-Industrielle-Komplex, da ihnen doch der Feind abhandengekommen ist?
Die Antwort konnte ich in der Zeitung lesen: Irak, Afghanistan, Jugoslawien, Libyen, Ost-Erweiterung der Nato. Die weitere Einkreisungspolitik der Nato gegen Russland war und ist sehr deutlich erkennbar.
Es scheint nur auf den ersten Blick paradox, wenn das kapitalistische Russland durch Wladimir Putin im Jahr 2000 der US-Regierung mit Bill Clinton diplomatisch vorschlug, Russland in die Nato aufzunehmen. Das aggressive Kriegsbündnis wäre größer und militärisch stärker geworden – jedoch die Zuspitzung eines Krieges in Europa und gegen Russland wäre vom Tisch.
Nun lässt sich aber mit Frieden und Abrüstung der erstrebte Profit aus Krieg und Rüstung nicht erzielen. Herrschaftsansprüche sollen durchgesetzt werden. Europa soll in der inneren Nato-Konkurrenz zur dominanten USA nicht zu sehr gestärkt werden. Krieg und Streit bringen Geld. Da können sogar beide Seiten zum mörderischen Feuern beliefert werden.
Der Russlandkrieg gegen die Ukraine 2022 ist eine Antwort auf die Einkreisungspolitik der Nato gegen Russland – offenbar ein Verzweiflungsakt rechtswidrigen Selbstschutzes. 30 Minuten Raketenentfernung bis zum möglichen Untergang schnüren einem die Luft ab. Die Entscheidungszeiten bei Raketenangriffen verkürzen sich immer weiter. Nicht einmal eine halbe Stunde zur Abwägung verlangt automatisierte Algorithmen. Haben die Nato-Europäer den russischen Präsidenten verstanden, wenn er sagt, dass eine Antwort »unverzüglich« erfolge – also sofort, ohne Zögern?
Und die USA können ihre europäischen Verbündeten auch recht schnell fallen lassen: Europa als Kriegsschauplatz – eine kalkulierte Katastrophe. Die gegenseitige gesicherte Vernichtung, ermordete Mörder und ermordete Menschheit.
Wieviel Zeit bleibt mir, vor die Haustür zu gehen, mich ohne Schutzausrüstung aufrecht hinzustellen und das einmalige Erlebnis des Endes zu beschauen?
Nach den vernichtenden Europakriegen seit der Französischen Revolution hat August von Einsiedel etwa um 1814 mit innerer Verzweiflung niedergeschrieben: Wie weit könnte die Entwicklung der Menschheit bereits fortgeschritten sein, wenn man die menschlichen Kräfte (Arbeit und Erfindungen) nicht auf Militär und Krieg verschwendet, sondern friedlich angewendet hätte.
Aufrüstung und Militär führen in die Sackgasse mit der latenten Gefahr, dass die jetzt lebenden Generationen tatsächlich die letzten sind: von der Nato in Kauf genommener Weltuntergang.
Die humane Logik ist eine andere: Deseskalation, Entmilitarisierung, Senkung der Rüstungsausgaben und Militäraktivitäten. Jetzt! Das Völkerrecht ist weiterzuentwickeln. Die Atomwaffen sind weltweit zu ächten. Wann tritt die BRD diesem Vertrag der Vereinten Nationen endlich bei? Jegliche strategische Fernwaffen und die Massenvernichtungswaffen sind zu ächten und abzuschaffen. Beginnen müssen diejenigen, die über die meisten solcher Waffen und überdimensionale Rüstungs- und Kriegshaushalte verfügen und diese halbieren – ganz klar: die Nato und USA.
Salzwedel, den 28. Februar 2022