Charles de Gaulle als Präsident der Republik Frankreich und Konrad Adenauer als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland trafen sich im September 1958 zum ersten Mal und waren entschlossen, die alte Feindschaft zwischen Deutschland (West) und Frankreich endgültig zu beenden. Die Last der deutsch-französischen Geschichte – Kriege, Konflikte und wechselseitige Demütigungen – war immens. Mehrere gegenseitige Staatsbesuche folgten. Am 22. Januar 1963 unterschrieben sie im Élysée-Palast in Paris den Freundschaftsvertrag, umarmten sich und gaben sich den Bruderkuss – als Geste zu einer dauerhaften Aussöhnung.
Der kleine Lord aus der bekannten Weihnachtsstory hätte kommentiert: »Lieber spät als nie.«
1951 wurde bereits in Berlin-Weißensee, im anderen deutschen Staat, der Deutschen Demokratischen Republik, ein historischer Schlussstrich gezogen. Bis dahin gab es ein Französisches Viertel. Die Straßen trugen Namen von Kriegsschauplätzen des deutsch-französischen Krieges von 1870/1871. Von der Krönung des ersten deutschen Kaisers in Versailles als tiefer Demütigung für Frankreich ganz abgesehen. Deshalb wählte Weißensee die Namen berühmter Komponisten.
Am 3. Januar 1951 waren die Elsässer und die Lothringer Straße in Wilhelm-Pieck-Straße umbenannt worden. Anlass war der 75. Geburtstag des ersten Präsidenten der DDR. 1994 kam es infolge bundesdeutscher Geschichtsbereinigung zu einer nochmaligen Umbenennung: in Torstraße.
Dumm nur, dass dieses Quartier mitsamt seinen Straßen in Ostberlin gelegen war. Aus bonnesisch-westrheinischer Sicht in der »Soffjetzone«, somit nicht existent, und in Historie wie Annalen nicht erwähnenswert.
Der 31. Mai 2021 böte zumindest der Republik Frankreich eine Gelegenheit, das nachzuholen. Weißensee gehört jetzt zwar zum Bezirk »Pankoff«, wie Konni Adenauer verachtungsvoll zu sagen pflegte, nun aber realiter im Bundesland Berlin und in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Diese deutsche Republik hätte 150 Jahre nach der Demütigung Frankreichs und der Annexion von Elsass-Lothringen besonderen Anlass, diesen frühen Versöhnungsakt der »DDR« (in Springers Anführungszeichen) gebührend zur Kenntnis zu nehmen.
Vielleicht haben kluge Köpfe im Pankower Rathaus sogar eine zündende Idee, wie das zu bewerkstelligen wäre. Zu wünschen wäre es. Zumal es die Metzer Straße in jetzigen Ortsteil Prenzlauer Berg weiterhin gibt.