»Entschuldigung, junge Frau. Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik«, sagte Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident, auf die Frage einer WDR-Reporterin, ob er seine Klima-Politik ändern werde angesichts der Katastrophen in Rheinland-Pfalz und NRW (jW 17./18.07.21). Und er hat dabei nicht mal gelacht!
Nein, egal welche Tage sind, die CDU ändert ihre Politik nicht. Auch gegen die eigenen Einsichten. Schon 2013 bemängelte die Bundesregierung in einer Analyse die Krisen-Kommunikation bei Katastrophen. Das wurde mit zwei Löchern versehen und abgeheftet. Aber nach Seehofers Meinung ist der Katastrophenschutz in Deutschland »gut aufgestellt«. So gut, dass ein Klimaforscher aus Bangladesch es nicht glauben will: »Bei einer Flut wie dieser muss eigentlich kein einziger Mensch sterben«, meint Saleemul Huq. Jedenfalls in Bangladesch nicht mehr, wo man aus den regelmäßigen Hochwasserkatastrophen gelernt hat (maz 20.07.21). Jetzt erst wird auch hierzulande erwogen, die Warnungen per sms an alle Bewohner zu geben – wenn schon die Sirenen nicht funktionieren.
Julian Assange musste seinen 50. Geburtstag im Hochsicherheitstrakt »feiern«. Aber er erhielt ein Geburtstagsgeschenk: Der Hauptzeuge gegen ihn, Sigurdur Ingi Thordarson, hat seine Aussagen zurückgezogen. Der isländische Staatsbürger, der seit 2010 Freiwilliger bei Wikileaks ist, hat sich demnach der US-Bundespolizei FBI für 5.000 US-Dollar als Informant angedient. Wie er nun gegenüber Reportern zugegeben hat, habe er wichtige Teile der Vorwürfe, auf die sich die US-Anklageschrift stützt, erfunden. Im Gegenzug sei ihm Immunität in Bezug auf seine kriminellen Aktivitäten – Missbrauch Minderjähriger und weitreichender Finanzbetrug – versprochen worden (jW 28.06.21). Ändert die US-Regierung jetzt ihre Politik gegenüber Assange?
Geheime Unterlagen aus dem britischen Verteidigungsministerium hat ein Mitarbeiter an einer Bushaltestelle vergessen. Ein Passant entdeckte die durchweichten Dokumente in der Grafschaft Kent und übergab sie der BBC. Es handle sich um knapp 50 Seiten, diskutiert werde darin etwa die mögliche Reaktion Moskaus auf den Kurs des Zerstörers »HMS Defender« durch Gewässer vor der Krim. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte dazu über Telegram: »Wozu braucht es ›russische Hacker‹, wenn es britische Bushaltestellen gibt?« (dpa/jW 26.06.21)
In Frankreich scherten sich fast 90 Prozent der jungen Wahlberechtigten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren nicht um die Mahnungen der etablierten politischen Kräfte und blieben den Wahllokalen beim zweiten Wahlgang der Regionalwahlen fern. Nach einer bemerkenswerten Umfrage unter jungen Menschen fasste die linke Pariser Tageszeitung L’Humanité das Urteil dieser Generation in der Antwort eines jungen Pärchens zusammen: »Dieses politische System ekelt uns an – man wählt, und rein gar nichts ändert sich für uns. Sie (die Politiker) leben in ihrer Blase, und wir sitzen in der Scheiße« (jW 29.06.21).
Ändert Monsieur Macron jetzt seine Politik?
Immerhin, etwas ist geändert worden: Nach zwanzig Jahren ziehen die deutschen Truppen aus Afghanistan ab, gemeinsam mit Amerikanern, Briten, Franzosen und vielen, vielen anderen. Der Krieg in Afghanistan hat in diesen Jahren nach Schätzungen etwa 185.000 zivile Todesopfer gefordert. Allein im Verlauf des letzten Jahres fielen den Kriegshandlungen über 9.000 Zivilisten und 10.000 afghanische Soldaten zum Opfer. Zigtausende Afghanen fliehen nun vor den vorrückenden Taliban, die offenbar als einzige noch die Kraft haben, sich durchzusetzen. Waren unsere Truppen nicht deshalb einmarschiert, um die Taliban zu entmachten? Wird jetzt unsere Politik geändert?
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat Fehler bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie eingeräumt. »Die Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass Menschen einsam sterben mussten, waren ein gravierender Fehler«, sagte Laschet am Mittwoch bei einer Gedenkstunde für die Opfer der Pandemie im Düsseldorfer Landtag. Er glaube, dass auch die Einsamkeit und die soziale Isolation den Tod von geliebten Angehörigen zur Folge gehabt hätten. »Auch dem müssen wir, die wir Verantwortung tragen, uns stellen«, sagte der CDU-Vorsitzende und Unionskanzlerkandidat (AFP/jW 01.07.21). Nun, dann stellt Euch mal. Aber wird jetzt die Politik geändert? Werden die Schulen mit Lüftern versorgt, die Pflegekräfte besser bezahlt, die Alten geschützt? Ach nein, wegen eines solchen Gedenktages wird doch nicht die Politik geändert!
So ein Tag, so wunderschön wie heute…, das hätten die deutschen Fußballfans zu gerne mal wieder gesungen. Aber: »Aggressive Engländer haben den Traum vom vierten deutschen Europameistertitel abrupt zerstört«, erklärte die Deutsche Presseagentur am 30.06.21 über das Aus der deutschen Herrenfußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Unsere Herren ballspielenden Millionäre ändern ihre Spielweise deswegen auch nicht.
Der Hunger in der Welt hat sich im Jahr 2020 dramatisch ausgebreitet. Das geht aus dem aktuellen Bericht »Der Stand der Ernährungssicherheit und Ernährung in der Welt 2021« hervor, den fünf Organisationen der UN am 12.07. gemeinsam veröffentlichten. Alarmierende Bilanz: Mindestens ein Zehntel der Weltbevölkerung war unterernährt, das sind 811 Millionen Menschen – darunter viele Kinder (jW 14.07.21).
Der Hilfsorganisation Oxfam zufolge sterben mehr Menschen an Hunger als an Covid-19. Oxfam betonte, Hunger werde absichtlich als Kriegswaffe eingesetzt. So würden Zivilisten Trinkwasser und Lebensmittel vorenthalten, Märkte bombardiert, Getreide in Brand gesetzt und Nutztiere getötet (jW 10./11.07.21). Und – ändert man deswegen etwa die Politik?
Da gibt mir doch Frau Merkel einen gewissen Trost. Sie sagte auf ihrer letzten Pressekonferenz den wie in Stein gehauenen Satz: »Tendenziell gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz« (maz 23.07.21). Wenn die mal nicht die Politik des Nichtstuns ändern, wie Frau Merkel es – nicht – getan hat!