Beim G20-Treffen auf Bali gab es eine gemeinsame Abschlusserklärung, die alles offenlässt: »Die meisten Mitglieder haben den Krieg in der Ukraine auf das schärfste verurteilt und haben betont, dass er unermessliches menschliches Leid verursacht und bestehende Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschärft.« Ebenso festgehalten wird aber: »Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Situation und der Sanktionen« (jW, 16.11.22).
»Andere Auffassungen«, die in den Medien hierzulande nirgendwo mehr zu hören sind, aber weltweit nicht mehr zu überhören. Afrika, Lateinamerika und Asien haben zu viel Erfahrung mit dem Imperialismus der USA, um jetzt in das Geschrei über einen »Imperialismus« Russlands einzufallen. Selbst wenn sie von Bundeskanzler Scholz persönlich dazu ermahnt werden. Bei seinem Besuch in Vietnam brachte er nicht etwa Hilfsprogramme, um die immer noch spürbaren Folgen des Vernichtungskriegs durch die USA abzumildern, sondern die unverhüllte Forderung, sich von Russland zu distanzieren. Wozu die Vietnamesen höflich, aber entschieden schwiegen.
Auch in der Nato schwindet die Überlegenheit des Westens langsam, aber sicher: Nato-Oberbefehlshaber Stoltenberg warnt inzwischen vor einem möglichen Sieg Russlands, der natürlich fatal sein würde, denn: »Autoritäre Regimes weltweit werden lernen, dass sie mit brutaler Gewalt bekommen, was sie wollen« (jW, 22.11.22). Das positive Gegenbeispiel sind die USA: Sie haben auch mit noch so brutaler Gewalt keinen Krieg gewonnen seit dem II. Weltkrieg.
An Weltgeltung gewonnen hat Katar. Die Fußball-WM beweist: Mit genügend (Schmier-)Öl geht alles! Und »andere Auffassungen« über bunte Armbinden werden dann doch lieber hinuntergeschluckt. Wenn deutsche Fußballer sich die Münder zuhalten, ist das nur konsequent: Die Augen und Ohren halten sie ja sowieso zu wie die drei Affen.
Und in Scharm-El-Scheikh hat Ägypten bewiesen, dass es auch in der Wüste Gipfel an Scheinheiligkeit geben kann. Immerhin, ein Ausgleichsfonds für Klima-Schäden wurde ins Auge gefasst. Und China weigerte sich erfolgreich, auch dahinein zahlen zu müssen wie die »alten« Industrieländer.
Ansonsten nichts neues unter der Sonne. In den Ländern der EU sind im zweiten Quartal 2022 mehr klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen worden als im Vorjahreszeitraum, teilte die Statistikbehörde Eurostat mit. Demnach wurden von April bis Juni insgesamt Gase mit einer klimaschädlichen Wirkung wie von 905 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen – ein Anstieg um drei Prozent im Jahresvergleich (dpa/jW, 16.11.22).
Die große »Bürgergeld-Reform« fällt aus. Trotzdem ist Kanzler Scholz zufrieden. »Das ist jetzt in einer Art und Weise formuliert worden, wo, glaube ich jedenfalls, die Regierungsparteien alle drei für sich sagen können: Sie sind damit sehr zufrieden. Ich hoffe, auch die Opposition wird das sagen, und dann ist ja alles okay« (dpa/jW, 23.11.22). Okay, die Änderungen, die wegen der Corona-Maßnahmen bereits unter Merkel vorgenommen wurden, werden wieder zurückgenommen: z. B. eine deutliche Erhöhung des »Schonvermögens« und der Verbleib in einer größeren Wohnung in den ersten beiden Jahren Arbeitslosigkeit. Es bleibt dabei, dass jeder, der arbeitslos wird, erst mal sein Erspartes aufbrauchen muss, um später dann in die Altersarmut zu fallen, in kleinere Wohnungen ziehen muss, die es nicht gibt, und gnadenlos sanktioniert wird, obwohl das Bundesverfassungsgericht dies als grundgesetzwidrig verurteilt hat.
Die Regierung hat da eine »unterschiedliche Bewertung der Situation«.