Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Monatsrückblick: Nichts Neues

Beim G20-Tref­fen auf Bali gab es eine gemein­sa­me Abschluss­erklä­rung, die alles offen­lässt: »Die mei­sten Mit­glie­der haben den Krieg in der Ukrai­ne auf das schärf­ste ver­ur­teilt und haben betont, dass er uner­mess­li­ches mensch­li­ches Leid ver­ur­sacht und bestehen­de Schwach­stel­len in der Welt­wirt­schaft ver­schärft.« Eben­so fest­ge­hal­ten wird aber: »Es gab ande­re Auf­fas­sun­gen und unter­schied­li­che Bewer­tun­gen der Situa­ti­on und der Sank­tio­nen« (jW, 16.11.22).

»Ande­re Auf­fas­sun­gen«, die in den Medi­en hier­zu­lan­de nir­gend­wo mehr zu hören sind, aber welt­weit nicht mehr zu über­hö­ren. Afri­ka, Latein­ame­ri­ka und Asi­en haben zu viel Erfah­rung mit dem Impe­ria­lis­mus der USA, um jetzt in das Geschrei über einen »Impe­ria­lis­mus« Russ­lands ein­zu­fal­len. Selbst wenn sie von Bun­des­kanz­ler Scholz per­sön­lich dazu ermahnt wer­den. Bei sei­nem Besuch in Viet­nam brach­te er nicht etwa Hilfs­pro­gram­me, um die immer noch spür­ba­ren Fol­gen des Ver­nich­tungs­kriegs durch die USA abzu­mil­dern, son­dern die unver­hüll­te For­de­rung, sich von Russ­land zu distan­zie­ren. Wozu die Viet­na­me­sen höf­lich, aber ent­schie­den schwiegen.

Auch in der Nato schwin­det die Über­le­gen­heit des Westens lang­sam, aber sicher: Nato-Ober­be­fehls­ha­ber Stol­ten­berg warnt inzwi­schen vor einem mög­li­chen Sieg Russ­lands, der natür­lich fatal sein wür­de, denn: »Auto­ri­tä­re Regimes welt­weit wer­den ler­nen, dass sie mit bru­ta­ler Gewalt bekom­men, was sie wol­len« (jW, 22.11.22). Das posi­ti­ve Gegen­bei­spiel sind die USA: Sie haben auch mit noch so bru­ta­ler Gewalt kei­nen Krieg gewon­nen seit dem II. Weltkrieg.

An Welt­gel­tung gewon­nen hat Katar. Die Fuß­ball-WM beweist: Mit genü­gend (Schmier-)Öl geht alles! Und »ande­re Auf­fas­sun­gen« über bun­te Arm­bin­den wer­den dann doch lie­ber hin­un­ter­ge­schluckt. Wenn deut­sche Fuß­bal­ler sich die Mün­der zuhal­ten, ist das nur kon­se­quent: Die Augen und Ohren hal­ten sie ja sowie­so zu wie die drei Affen.

Und in Scharm-El-Scheikh hat Ägyp­ten bewie­sen, dass es auch in der Wüste Gip­fel an Schein­hei­lig­keit geben kann. Immer­hin, ein Aus­gleichs­fonds für Kli­ma-Schä­den wur­de ins Auge gefasst. Und Chi­na wei­ger­te sich erfolg­reich, auch dahin­ein zah­len zu müs­sen wie die »alten« Industrieländer.

Anson­sten nichts neu­es unter der Son­ne. In den Län­dern der EU sind im zwei­ten Quar­tal 2022 mehr kli­ma­schäd­li­che Treib­haus­ga­se aus­ge­sto­ßen wor­den als im Vor­jah­res­zeit­raum, teil­te die Sta­ti­stik­be­hör­de Euro­stat mit. Dem­nach wur­den von April bis Juni ins­ge­samt Gase mit einer kli­ma­schäd­li­chen Wir­kung wie von 905 Mil­lio­nen Ton­nen Koh­len­di­oxid aus­ge­sto­ßen – ein Anstieg um drei Pro­zent im Jah­res­ver­gleich (dpa/​jW, 16.11.22).

Die gro­ße »Bür­ger­geld-Reform« fällt aus. Trotz­dem ist Kanz­ler Scholz zufrie­den. »Das ist jetzt in einer Art und Wei­se for­mu­liert wor­den, wo, glau­be ich jeden­falls, die Regie­rungs­par­tei­en alle drei für sich sagen kön­nen: Sie sind damit sehr zufrie­den. Ich hof­fe, auch die Oppo­si­ti­on wird das sagen, und dann ist ja alles okay« (dpa/​jW, 23.11.22). Okay, die Ände­run­gen, die wegen der Coro­na-Maß­nah­men bereits unter Mer­kel vor­ge­nom­men wur­den, wer­den wie­der zurück­ge­nom­men: z. B. eine deut­li­che Erhö­hung des »Schon­ver­mö­gens« und der Ver­bleib in einer grö­ße­ren Woh­nung in den ersten bei­den Jah­ren Arbeits­lo­sig­keit. Es bleibt dabei, dass jeder, der arbeits­los wird, erst mal sein Erspar­tes auf­brau­chen muss, um spä­ter dann in die Alters­ar­mut zu fal­len, in klei­ne­re Woh­nun­gen zie­hen muss, die es nicht gibt, und gna­den­los sank­tio­niert wird, obwohl das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt dies als grund­ge­setz­wid­rig ver­ur­teilt hat.

Die Regie­rung hat da eine »unter­schied­li­che Bewer­tung der Situation«.