»Das ist gescheitert«, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegenüber der Augsburger Allgemeinen zum »großen Ziel« für Afghanistan, »die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen« (MAZ 16.08.21). Und was lernen wir daraus? Dass man solche hehren Ziele besser nicht militärisch zu erreichen versucht? Frau Widmann-Mauz, Integrationsstaatsministerin der CDU, hat daraus gelernt, dass der nächste Bundestag sich der Herausforderung stellen muss, die Bundeswehr besser aufzustellen (MAZ 25.08.21). Besser als die hochgerüstetste Armee der Welt, die US-Army? Schließlich ist die auch gerade krachend gescheitert. Wäre es nicht gescheiter, das Scheitern in Afghanistan zum Anlass zu nehmen, Auslands-Einsätze der Bundeswehr gar nicht erst in Angriff zu nehmen? Gescheitert ist die Bundesregierung nicht nur militärisch, auch humanitär. 11 Millionen Menschen hungern in Afghanistan – und die USA sperren die Konten der afghanischen Regierung (MAZ 27.08.21).
»Ich habe den Eindruck, wir haben hier bewusst und wissentlich Menschen zurückgelassen«, sagt der Vorsitzende des »Patenschaftsvereins Afghanische Ortskräfte« (MAZ 25.08.21). Es wurde mit allerlei Tricks verhindert, dass sich diejenigen Afghanen, die die Bundeswehr und die deutschen dort tätigen Organisationen unterstützt hatten, Visen besorgen konnten, mit deren Hilfe sie rechtzeitig hätten ausgeflogen werden können. Aber immerhin: Die Biere und die Tiere wurden ausgeflogen. Die Biere von der Bundeswehr, die Tiere von einem Briten, der über eine Social-Media-Kampagne ein Flugzeug chartern konnte, um 150 Katzen und Hunde aus Afghanistan auszufliegen (MAZ 27.08.21). Es gibt also doch noch Menschlichkeit! Wenn es sich nicht um Menschen handelt.
Denn wichtig ist nur das Mantra »2015 darf sich nicht wiederholen«. 2015 versuchten Flüchtlinge aus Syrien im großen Treck den katastrophalen Bedingungen – die durch die Verweigerung von Hilfsgeldern an die UN-Flüchtlingshilfe in den Flüchtlingslagern entstanden waren – zu entkommen, Jetzt wollen unsere Politiker wieder Lager bauen: in den Nachbarstaaten Afghanistans, schön weit weg von Europa. »2015« wird sich dann also wahrscheinlich 2022 oder 2023 oder 2024 wiederholen, wenn sich die dort eingepferchten und langsam verhungernden Flüchtlinge gen Europa aufmachen werden, weil auch diese Politik der Verlagerung der Probleme gescheitert sein wird.
Oder will man in diesen – von deutschen Steuergeldern bezahlten – Lagern vielleicht die 400.000 Fachkräfte jährlich ausbilden, die »unsere Wirtschaft« (nach Aussage des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, MAZ 25.08.21) in Zukunft brauchen wird? Da »die Wirtschaft« ja die immensen Kosten für die Ausbildung so vieler Fachkräfte nicht tragen kann, müssen das andere Länder für uns tun. Dann brauchen wir die Fachkräfte dort nur noch abzuwerben. Was aus den Ländern wird, denen Fachkräfte entzogen werden, kann der Wirtschaft ja egal sein, auch was aus den nicht ausgebildeten Deutschen wird.
Für die gibt es ja Hartz-IV und Aufstockung. Und Entscheidungen des Bundessozialgerichts wie jene, dass es »unbeachtlich« sei, ob der Mensch esse oder nicht (jW 07./08.08.21). Das Jobcenter hatte einen Hartz-IV-Bezieher sanktioniert, weil ihm in seinem prekären Job als Kellner ein kostenloses Essen zur Verfügung stand, das er aber nicht nutzte.
Auch für echte Amerikaner ist es unbeachtlich, ob ein Mensch zu Essen hat oder nicht. Hauptsache, Amerika wird nicht »sozialisiert«. Der Minderheitenführer der Republikaner im Senat, Mitchell McConnell, sagte, der 3,5-Billionen-Plan von Präsident Biden sei ein Traum derjenigen, die die Vereinigten Staaten »sozialisieren« wollten. »Amerika, wie wir es kannten«, sei durch den Plan in Gefahr (jW 13.08.21). Amerika, das Land der einstürzenden Brücken, der bei Unwettern zusammenbrechenden Stromversorgung, der Ghettos und der rassistischen Justiz, das soll also »sozialisiert« werden. Das ist doch aber so üblich, oder? Verluste werden sozialisiert, Gewinne privatisiert. Das Amerika der Milliardäre und Mars-Besucher bleibt doch privat. Daran ändert auch der Billionen-Plan von Herrn Biden nichts.
Gescheitert ist auch der Versuch, mit Corona-Maßnahmen die Klimaziele zu erreichen: Nach Berechnungen der Denkfabrik »Agora Energiewende« wird Deutschland 2021 den höchsten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990 verzeichnen. »Das übertrifft selbst den Anstieg nach der Wirtschaftskrise 2009/2010« (jW 16.08.21).
Sollte jemand die Menschheit aus dem All beobachten, könnte der mit nur einem Wort seine Beobachtungen beschreiben: Gescheitert. Und er könnte hinzufügen: Und nicht gescheiter geworden.
Die Autorin ist inzwischen auch wieder live zu sehen. Am 02.10.21, 19:30 Uhr, zeigt sie in der Musikbrennerei Rheinsberg ihr aktuelles politisches Kabarett zur Lage der Nation: »Nacht der deutschen GemEINHEIT«. Infos unter www.musikbrennerei.de.