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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Falleri, Fallera

Nichts Neu­es unter der Ost­see – die Auf­klä­rung der Pipe­line-Spren­gung soll jedes Land für sich selbst machen. Die Schwe­den mau­ern. Die deut­sche Auf­klä­rung fährt erst­mal ohne taug­li­che Tauch­ge­rä­te aus; kann man ja nicht wis­sen, dass es dort 70m tief geht. Der­weil steht der Schul­di­ge für alle sicht­bar im Raum, aber kei­ner erwähnt ihn auch nur. Der, des­sen Name nicht genannt wer­den darf … Der­weil wird die Ver­harm­lo­sung von Kriegs­ver­bre­chen in Deutsch­land plötz­lich unter Stra­fe von 3 Jah­ren Gefäng­nis gestellt mit einem Gesetz, das ohne Vor­ankün­di­gung, als Bestand­teil eines ganz ande­ren Geset­zes­pa­ke­tes zu spä­ter Stun­de am Frei­tag im Bun­des­tag ver­ab­schie­det wur­de. Aber nur »gröb­li­che« Ver­harm­lo­sung. Wel­cher Amts­rich­ter unter­schei­det das von »fei­ner« Ver­harm­lo­sung? Aber da ja zur­zeit nur ein ein­zi­ges Land Kriegs­ver­bre­chen begeht, wie wir täg­lich aus unse­ren Medi­en hören und sehen, ist bei den Main­stream-Medi­en auch kei­ne Ver­ur­tei­lung zu befürchten.

Nur die Nach­denk­sei­ten, der Ossietzky und ähn­li­che ste­hen ab jetzt mit einem Bein im Gefäng­nis. Ich selbst erklä­re hier­mit fei­er­lich, dass ich kei­ne Kriegs­ver­bre­chen gröb­lich ver­harm­lo­sen wer­de – neh­men Sie das bit­te zur Kennt­nis, lie­be Lese­rin­nen und Leser! Und spen­den Sie für die Rote Hilfe!

Der Herbst, in dem wir uns warm­lau­fen soll­ten für bezahl­ba­re Heiz­ko­sten, lädt statt­des­sen ein zum Son­nen­ba­den. In Groß­bri­tan­ni­en wächst die Streik­be­we­gung, der­weil die Tories aus­pro­bie­ren, wie vie­le Komi­ker nötig sind, um einen Pre­mier­mi­ni­ster zu bekom­men, der das Ver­trau­en der Bör­se wie­der erlangt. Wäh­rend ich das schrei­be, ist gera­de Rishi Sunak dazu aus­er­se­hen, die Wet­ten ste­hen gut, dass er es nicht lan­ge macht. Aber er hat bei Gold­man Sachs gelernt und reich gehei­ra­tet, das spricht an der Bör­se für ihn. Die eng­li­schen Arbei­ter strei­ken sich lang­sam warm, aller­dings unter erschwer­ten Bedin­gun­gen, weil sie nach dem neu­en Gesetz zur Arbeit gezwun­gen wer­den kön­nen (»Trans­port Strikes (Mini­mum Ser­vice Levels) Bill«).

In Frank­reich regiert Macron ohne das Par­la­ment, das mehr­heit­lich gegen ihn ist, und statt der erwar­te­ten 30.000 Teil­neh­mer kamen zu einer Demon­stra­ti­on »Gegen das teu­re Leben und das Nichts­tun in der Kli­ma­kri­se« in Paris 140.000 (rnd.de, 17.10.22). Wenn es dort jetzt wie­der um die Ren­ten geht, könn­te es eine Neu­auf­la­ge der »Gel­ben Westen« geben.

Nur in den USA sieht es rich­tig gut aus für die arbei­ten­den Men­schen: Tau­sen­de neue Jobs durch deut­sche Fir­men, die ihre Pro­duk­ti­on dort­hin ver­la­gern, wo es noch erschwing­li­che Ener­gie und Roh­stof­fe gibt. »Deutsch­land droht eine Abwan­de­rung wich­ti­ger Indu­strien«, räum­te schon Ende Sep­tem­ber Jörg Kukies, Staats­se­kre­tär im Kanz­ler­amt und ein­fluss­reich­ster Wirt­schafts­be­ra­ter von Olaf Scholz, offen ein. (jW, 26.10.22) Nicht nur BMW, VW und Mer­ce­des, auch Unter­neh­men aus ande­ren Bran­chen, von Sie­mens über Evo­nik bis hin zu Bay­er oder BASF, inve­stie­ren gewal­ti­ge Sum­men jen­seits des Atlan­tiks, wäh­rend ihr Geschäft auf dem deut­schen Hei­mat­markt und in Euro­pa ins­ge­samt ten­den­zi­ell lahmt (ebd.).

Da hilft wohl auch der »Dop­pel-Wumms« nicht, das 200-Mil­li­ar­den-Paket der Bun­des­re­gie­rung, das für den unga­ri­schen Regie­rungs­chef Vik­tor Orban den »Beginn des Kan­ni­ba­lis­mus in der EU« mar­kiert (jW, 05.10.22)

Inzwi­schen bekla­gen sich auch ande­re EU-Staa­ten dar­über, dass Deutsch­land die Ener­gie-Prei­se in die Höhe treibt und mit sei­ner wirt­schaft­li­chen Macht die Fol­gen des Desa­sters in der Sank­ti­ons­po­li­tik auf schwä­che­re Län­der abwälzt. Eine gemein­sa­me Linie der EU-Staa­ten ist nicht in Sicht. Deutsch­land hat sei­ne Gas­spei­cher gefüllt – egal zu wel­chem Preis – und ist fein raus.

Aber »gei­sti­ges Rüst­zeug« brau­chen wir Deut­schen wie­der. Die Bun­des­aka­de­mie für Sicher­heits­po­li­tik hat es gelie­fert in ihrem Arbeits­pa­pier 9/​22: Die Armee muss wie­der kriegs­taug­lich wer­den. Im Zen­trum steht »kämp­fen, töten, ster­ben« (https://www.baks.bund.de/de/arbeitspapiere/2022/mindset-lvbv-das-geistige-ruestzeug-fuer-die-bundeswehr-in-der-landes-und). Nichts mehr mit »Gas, Was­ser, Schie­ßen«, adieu, »Staats­bür­ger in Uni­form«! »Arbeit­neh­mer Sol­dat« war gestern. Der soll sich gefäl­ligst, fin­det die BAKS, »an die mög­li­chen Kon­se­quen­zen sei­ner Berufs­wahl« erin­nern, statt sich »im eige­nen, kom­for­ta­blen Selbst­ver­ständ­nis« einzurichten.

Und dazu brau­chen wir ein Neu­es Lied­gut! Wie wäre es mit »Mein Opa fiel in Sta­lin­grad, und ich will auch dahin. Für Schmach und Ver­lust die Rache naht, gen Russ­land steht mein Sinn! Fal­le­ri, Fal­lera, Fal­le­ri, Fal­lera-a-a-a-a-a …« auf die Melo­die von »Mein Vater war ein Wan­ders­mann« laut­hals zu singen.