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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Eigene Tiefe

Ex-Prä­si­dent Joa­chim Gauck, Ober­prie­ster der Nati­on, gauck­te in sei­ner dun­kel­sten Art bei Mar­kus Lanz: »Und wäh­rend wir die­se eige­ne Tie­fe haben und die­se unter­schied­li­chen Ele­men­te einer Über­zeugt­heit von einer spe­zi­ell eige­nen Tie­fe und Qua­li­tät, ist etwas, was im Unter­grund da ist. Das ist nun wahr­lich nicht jedem bewusst« (zitiert nach jW, 16.07.22).

Ist eigent­lich unse­ren Poli­ti­kern über­haupt etwas bewusst? Die Dring­lich­keit, den Kli­ma­wan­del unter Kon­trol­le zu brin­gen, ist offen­bar kei­nem mehr bewusst. Da wird Koh­le und Braun­koh­le reak­ti­viert, über die Wei­ter­ver­wen­dung von Atom­kraft­wer­ken räso­niert – die Fra­ge der Ent­sor­gung ist inzwi­schen wei­ter von einer Ant­wort ent­fernt als je –, man jet­tet um die Welt, um irgend­wo mög­lichst drecki­ges Öl und Gas auf­zu­trei­ben (es heißt natür­lich: um mög­lichst irgend­wo mora­lisch unbe­fleck­tes Öl und Gas auf­zu­trei­ben), der Bei­trag der Rüstung zur Umwelt­ver­schmut­zung wird nicht ein­mal erwähnt, und die wegen Dür­re Hun­gern­den wer­den mit noch weni­ger Hil­fe abge­speist – oder viel­mehr eben nicht abge­speist – als vor­her. Man­che räu­men sogar ein, dass nichts von dem pas­siert ist, was die Kli­ma­gip­fel ver­spro­chen haben: Der bri­ti­sche Poli­ti­ker Alok Shar­ma, Prä­si­dent der Kon­fe­renz der Ver­ein­ten Natio­nen über Kli­ma­än­de­run­gen in Glas­gow, zog bei der Eröff­nung des Peters­ber­ger Kli­ma­rats in Ber­lin eine ernüch­tern­de Bilanz: »Vie­le der Ver­spre­chun­gen, die wir gemacht haben, oder die, auf die wir uns ver­stän­digt haben, sind ein­fach nur Wor­te, Papier« (jW, 19.07.22).

Und da, wo nicht nur Wor­te gemacht wur­den, bei den Sank­tio­nen gegen Russ­land, ersetzt Pfei­fen im Wald die Erkennt­nis, dass sie geschei­tert sind und das Gegen­teil erreicht haben: Russ­land steht bes­ser da denn je, unse­re Indu­strie, unse­re Bevöl­ke­rung wer­den statt­des­sen leiden.

Ganz sach­te däm­mert es inzwi­schen auch eini­gen: Der Luxem­bur­ger Außen­mi­ni­ster Jean Assel­born räum­te ein, man dür­fe von den Sank­tio­nen »kei­ne Wun­der erwar­ten«. Aber es gehe dar­um, dass die EU einer ein­mal ein­ge­schla­ge­nen Linie treu blei­be (jW, 20.07.22).

Klar, eine ein­mal ein­ge­schla­ge­ne Linie muss wei­ter­ver­folgt wer­den, der Abgrund, auf den sie zusteu­ert, hat schließ­lich sei­ne eige­ne Tiefe!

Oder die Maß­nah­men gegen Covid 19: Wo blei­ben die ver­spro­che­nen Impf­erfol­ge, wenn offen­bar die Infi­zie­rungs­zah­len inzwi­schen höher sind als vor zwei Jah­ren und zum Dau­er­zu­stand wer­den? Wo bleibt über­haupt eine sach­li­che, fun­dier­te Bewer­tung der Maß­nah­men anhand von Daten? Die gibt es näm­lich kaum in Deutsch­land, und wenn es sie gibt, sind sie nicht ver­gleich- und belast­bar. Aus einer Fehl­zei­ten-Ana­ly­se der Tech­ni­ker Kran­ken­kas­se, die im Juli ver­öf­fent­licht wur­de, ergibt sich ein erstaun­li­ches Bild: 2021 waren nur 13 Pro­zent ihrer Ver­si­cher­ten mit einer Covi­d19-Dia­gno­se krank­ge­mel­det, Grip­pe- und Erkäl­tungs­mel­dun­gen blie­ben ganz aus. Sind jetzt alle Viren zu SARSCov2 mutiert? Oder wir­ken Mas­ken und Iso­la­ti­on nur gegen Grip­pe- und Erkäl­tungs­vi­ren, aber nicht gegen SARSCov2? Und war­um stieg die Zahl der Krank­mel­dun­gen im ersten Quar­tal 2022 zwar stark, aber nur noch 3,5 Pro­zent davon gin­gen auf Covid19 zurück (jW, 07.07.22)? Man weiß es nicht. Auch die Exper­ten­kom­mis­si­on, die extra dafür ein­ge­setzt wur­de, weiß es nicht. Sie weiß nur: Es gibt zu wenig belast­ba­re Daten.

Belast­ba­re Daten kom­men auch aus der Ukrai­ne nicht. Nur, dass 60 Mit­ar­bei­ter des Geheim­dien­stes mit den Rus­sen zusam­men­ar­bei­ten, und dass des­halb der Geheim­dienst­chef sus­pen­diert wur­de. Was das US-Inve­sti­ga­tiv­por­tal Poli­ti­co schon vier Wochen vor der Ent­schei­dung von Prä­si­dent Selen­skyj »wuss­te« (jW, 19.07.22). Das hat sei­ne eige­ne Tiefe!

Der Prä­si­dent der Palä­sti­nen­ser, Mah­mud Abbas, hat eine eige­ne Sicht auf den Holo­caust: Er ver­gleicht ihn mit dem Völ­ker­mord, den die israe­li­sche Regie­rung an Palä­sti­nen­sern begeht. Das geht natür­lich gar nicht! Nur wir Deut­schen dür­fen den Holo­caust-Ver­gleich aus­spre­chen. Wie Josch­ka Fischer, der die Ser­ben beschul­dig­te, einen Holo­caust zu pla­nen, und des­halb die Bom­bar­die­rung ser­bi­scher Che­mie­wer­ke 1999 ange­mes­sen fand (Hart­mut Som­mer­schuh, Ossietzky 16/​17 2022) Schon damals waren die GRÜNEN an der Regie­rung und inter­es­sier­ten sich nicht mehr für die mas­si­ve Umwelt­ver­schmut­zung durch Krieg. Die Tie­fe der Dop­pel­mo­ral GRÜNER Poli­ti­ker ist wahr­lich sehr eigen!

Eine eige­ne Tie­fe soll auch die Frei­heits­sta­tue in New York bekom­men: Der mexi­ka­ni­sche Prä­si­dent Andrés Manu­el López Obra­dor kün­dig­te am 06.07. öffent­lich an, er wer­de eine Kam­pa­gne star­ten, um die Frei­heits­sta­tue abzu­rei­ßen, wenn Juli­an Assan­ge in die USA aus­ge­lie­fert wird, und er dort zu 175 Jah­ren Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt wird. Das berühm­te Monu­ment im New Yor­ker Hafen sei dann »kein Sym­bol der Frei­heit mehr« (jW, 07.07.22). Ach, wem war das denn »wahr­lich noch nicht bewusst«?