Annalena Baerbock wähnt, auf den Schultern der am 23.03. verstorbenen ehemaligen Außenministerin der USA, Madeleine Albright, zu stehen. Was sieht sie von dort aus? Die halbe Million irakischer Kinder, die laut Miss Albright die Sanktionen wert waren? Die Vernichtungen in Jugoslawien, die ihre Politik in Kauf nahm, um im Kosovo die größte US-Militärbasis in Europa zu schaffen? Von dort aus nehmen sich die Kriegs- und Sanktionsfolgen in Russland und der Ukraine bescheidener aus (jW, 25.03.22). So macht sich jeder sein eigenes Bild von der Welt.
Und schafft sich Symbole. In der Ukraine ist seit Jahren das Zeigen von »kommunistischen Symbolen« verboten. Hierzulande darf man zwar noch den roten Stern oder Hammer und Zirkel zeigen, aber beim Buchstaben »Z« hört der Spaß auf. Denn damit kennzeichnen die Russen ihre in der Ukraine eingesetzten Panzer. In kyrillischer Schrift kommt dieser Buchstabe übrigens nicht vor. Die öffentliche Verwendung des Buchstaben »Z« etwa bei Demonstrationen könne aber eine Straftat sein und als Störung des öffentlichen Friedens gewertet werden, hieß es aus dem Innenministerium in Hannover. Die Polizei solle nun in jedem Fall genau prüfen, ob bei einem »Z« ein »Z«usammenhang mit dem Ukraine-Krieg bestehe. In begründeten Verdachtsfällen würden Täter konsequent verfolgt (dpa/jW, 26.03.22). Denn wir leben ja in einer lupenreinen Demokratie, in der bekanntlich jeder seine Meinung frei »z«eigen kann – wenn er die richtigen Buchstaben benut»z«t. Ich werde mich von nun an »Z«ahn schreiben.
Symbol-Handlung, klar. Aber was machen unsere Politiker denn anderes?
Was wäre eigentlich, wenn Putin am 24. Februar statt von »militärischer Operation« von einer »Humanitären Mission« gesprochen hätte? Das hätte alles geändert!
Er wäre natürlich berechtigt, alles zu tun, was zu einer solchen humanitären Mission gehört. Bombardierung von Krankenhäusern, schwere Artillerie, auch uranangereicherte Munition wären möglich. Zivile Opfer wären ein Kollateralschaden, und die börsenwertorientierte freie Welt ginge mit einem Achselzucken darüber hinweg. Keine Rede von irgendeiner Zeitenwende!
Nur ging das eben nicht, weil er dann das Copyright verletzt hätte, das der börsenwertorientierte freie Westen darauf hat, und das gilt so viel wie ein Patent, und Patente gehen über alles, wie man ja an den Impfstoffen gesehen hat.
Die Römer sagten: »quod licet Iovi, non licet bovi«, »Was Jupiter erlaubt ist, darf ein Ochse nicht«, und der gesellschaftliche Abstand zwischen Jupiter und einem Ochsen ist etwa so groß wie zwischen den USA und Russland, was ja nur eine Regionalmacht ist und keine internationale Polizeigewalt ausüben darf.
Deshalb ist Putin plötzlich wahnsinnig geworden und bedroht uns alle mit Atomraketen, während der börsenwertorientierte freie Westen seine Atombomben ja nur aus Jux und Tollerei in Europa herumliegen und auf Schiffen und U-Booten herumfahren lässt.
Laut Albert Einstein ist es »die reinste Form des Wahnsinns (…), alles beim Alten zu lassen und trotzdem zu hoffen, dass sich etwas ändert«. So viel zu dem Wahnsinn des Westens, der jetzt alle schon lange vorliegenden Aufrüstungspläne aus den Schubladen holt und dem staunenden und sich vor dem Russen fürchtenden Publikum stolz darbietet. Aber: »Rüstung mit noch mehr Rüstung zu bekämpfen ist so wenig zukunftsfähig wie dem Klimawandel mit Klimaanlagen zu begegnen« (NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit).
Oder den steigenden Energiepreisen mit Tankgutscheinen. Warum steigt eigentlich der Preis für Energie? Gibt es weniger Gas oder Öl auf dem Markt? Wird mehr verbraucht? Nein. Es wird nur spekuliert darauf, dass der Preis steigt, und deshalb steigt er. Ob mit oder ohne Krieg.
Und egal, ob das »beklagt« oder »verurteilt« wird. Ich bin keine Germanistin, aber dass diese zwei Begriffe unterschiedliche Bedeutung haben, scheint klar. Nur nicht für die deutschen Medien. Die berichten unisono, die UN-Vollversammlung habe mit 141 Stimmen bei 5 Nein-Stimmen und 30 Enthaltungen eine Resolution angenommen, die die Aggression Russlands gegen die Ukraine »verurteilt«. Im englischen Original-Text ist das Wort »deplore« gewählt, nicht »condemn« (Handelsblatt online, 03.03.22). Ein Unterschied, der offenbar zustande kam, weil einige der 141 Stimmen sonst nicht mit »Ja« gestimmt hätten. Dass die Stimmen, die verneinten und sich enthielten, die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren, muss man ja sowieso nicht ernst nehmen, schließlich ist Europa und sind die USA First Class, und die Teilnehmer der niederen Klassen zählen da im Vergleich deutlich weniger.
Apropos ernst nehmen: Was sind das für Zeiten, in denen ein Komiker nicht nur Präsident werden kann, sondern ein Held der Freien Welt? Der letzte Schauspieler, der Präsident wurde, war immerhin ein Revolverheld, und er hat zwar das »Reich des Bösen« aus der Taufe gehoben, aber er schaffte es nur zum Anti-Helden. Und können wir nicht auch mal in Deutschland einen sympathisch rüberkommenden Schauspieler zum Kanzler wählen? Habeck hat es nur bis zum Wirtschaftsminister gebracht, auch wenn er sich sehr viel Mühe gibt, sein schauspielerisches Talent in den Vereinigten Emiraten zur Geltung zu bringen. Besonders komisch wirkt es allerdings nicht. Und die Menschheit braucht dringend etwas Aufheiterndes.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es im ersten Corona-Jahr 2020 weltweit 25 Prozent mehr Angststörungen und Depressionen, vor allem bei Jugendlichen (rnd-online, 03.03.22). Und ein Ende der Selbstmordraten ist nicht abzusehen.
Und auch unsere Vitaminzufuhr, die für gute Laune sorgt, ist in Gefahr. Seit zwölf Tagen streiken in Spanien Zehntausende Lkw-Fahrer, die Schätzungen der wirtschaftlichen Schäden sind mittlerweile neunstellig, und immer mehr Branchenvereinigungen und Gewerkschaften schließen sich an (jW, 25.03.22). Wo kriegen wir dann unsere Orangen, Erdbeeren und Paprika her? Müssen wir dann wieder holländische Wasser-Tomaten fressen? Oder sie besser auf etwaig auftauchende Habecks, Baerbocks und Scholzes werfen? Das könnte die Laune etwas heben …