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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mobilitätswende statt Abwrackprämie

Aus Pro­test gegen die dro­hen­den Sub­ven­tio­nen für die Auto­in­du­strie sind in den letz­ten Wochen tau­sen­de Men­schen auf die Stra­ße gegan­gen. Die Aktio­nen stan­den unter dem Mot­to: »Kei­ne Koh­le für Kli­ma­kil­ler! Mobi­li­täts­wen­de statt Abwrack­prä­mie!« Die Kri­tik an der Auto­in­du­strie und der regel­mä­ßi­gen direk­ten und indi­rek­ten Sub­ven­tio­nie­rung gibt es schon viel län­ger. Ein Höhe­punkt waren die Pro­te­ste gegen die Inter­na­tio­na­le Auto­mo­bil-Aus­stel­lung 2019 und die Obszö­ni­tä­ten, die dort aus­ge­stellt und bewor­ben wur­den: Sand im Getriebe!

Ver­kehr ist der dritt­größ­te Emit­tent von Treib­haus­ga­sen in Deutsch­land, Ten­denz stei­gend. Der Groß­teil (95 Pro­zent) stammt aus dem indi­vi­du­el­len Auto­ver­kehr. Um das 1,5-Grad-Klimaziel zu errei­chen, muss die­se Art Mobi­li­tät strikt ein­ge­schränkt werden.

Unab­hän­gig von Coro­na hat die Auto­in­du­strie begon­nen, die aus Grün­den der Kon­kur­renz seit Jah­ren auf­ge­bau­ten Über­ka­pa­zi­tä­ten jetzt wie­der zu ver­nich­ten, Per­so­nal zu redu­zie­ren und Stand­or­te zu schlie­ßen. Eine Prä­mie wür­de eine sol­che Poli­tik der Arbeits­platz­ver­nich­tung nur noch beloh­nen. Daim­ler, VW und BMW sit­zen auf Gewinn­rück­la­gen in Höhe von 180 Mil­li­ar­den Euro, schüt­ten Divi­den­den von fünf Mil­li­ar­den Euro für die Groß­ak­tio­nä­re Quandt, Klat­ten, Por­sche und Piëch aus. Statt mit­tels staat­li­cher Kauf­an­rei­ze die­se Groß­ak­tio­nä­re noch rei­cher zu machen, könn­ten die Unter­neh­men das Geld für den nöti­gen Umbau ihrer Pro­duk­ti­on nut­zen! Aber war­um soll­ten sie das tun, wenn der Staat groß­zü­gig ein­springt? Alt­mai­er, Scheu­er, Söder, Kret­schmer und Weil wol­len, was kein Bau­er machen wür­de: das fet­te Schwein auch noch mit Schmalz einreiben.

Allein die Tat­sa­che, dass die­ses Gru­sel­ka­bi­nett der Auto­jun­kies für eine sol­che Prä­mie ist, wäre Grund genug, dage­gen zu sein. Und genau das ist nach vie­len reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­gen auch die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung in unse­rem Land: Schlau­er als die CSU zu sein ist aber nun auch nicht so schwierig.

Ange­sichts des dro­hen­den Kli­ma­kol­lap­ses und der vor­han­de­nen Über­ka­pa­zi­tä­ten ist es absurd, SUVs und Elek­tro­au­tos zu för­dern, wei­te­re Steu­er­mil­li­ar­den in die För­de­rung des indi­vi­du­el­len Auto­ver­kehrs zu stecken. Statt eine Dino­sau­ri­er­in­du­strie zu för­dern, muss der öffent­li­che Per­so­nen­nah­ver­kehr mit staat­li­chem Geld aus­ge­baut wer­den. Vie­le Kom­mu­nen haben wegen Coro­na zu kämp­fen, Bus und Bahn wei­ter zu finan­zie­ren. Umso drin­gen­der müs­sen sie unter­stützt wer­den. Wir brau­chen Sub­ven­tio­nen für öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel statt für Autos!

Es gibt also bes­se­re Alter­na­ti­ven, wenn die erzwun­ge­ne Mobi­li­tät redu­ziert wird: die lan­gen Wege zum Arbeits­platz und die Ein­kaufs­mög­lich­keit nur auf der grü­nen Wie­se. Für die ver­blei­ben­de gewünsch­te Mobi­li­tät sind öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel, fahr­rad­ge­rech­te und fuß­gän­ger­freund­li­che Städ­te dann vor­han­den. Kin­der kön­nen sich in der auto­frei­en Stadt gefahr­lo­ser ihre Umwelt erobern, älte­re Per­so­nen brau­chen nicht mehr die zwei­te Grün­pha­se abzu­war­ten, bevor sie mit dem Rol­la­tor über die Stra­ße kom­men, par­ken­de Autos blockie­ren nicht mehr die Fuß­we­ge für Kin­der­wa­gen schie­ben­de Per­so­nen, schlech­te Luft und Lärm gehör­ten der Ver­gan­gen­heit an, schwe­re Unfäl­le, ver­bun­den mit unend­lich viel Leid als »Kol­la­te­ral­scha­den« der Auto­ge­sell­schaft, wer­den zu einem gro­ßen Teil vermieden.

Die­ser Plan ist mit viel Arbeit ver­bun­den – und ent­hält auch eine Alter­na­ti­ve für die­je­ni­gen, die ihre Bröt­chen jetzt in der Auto­in­du­strie ver­die­nen. Schie­nen bau­en und ver­le­gen, Städ­te umpla­nen und umbau­en, Bus­se, Stra­ßen­bah­nen und Züge bau­en und betrei­ben, das fla­che Land mit digi­tal erreich­ba­rer, klein­tei­li­ger Mobi­li­tät ver­sor­gen – das alles schafft mehr Arbeits­plät­ze als in der Auto­mo­bil­in­du­strie ver­lo­ren gehen bezie­hungs­wei­se jetzt schon ver­nich­tet wer­den. Mit einem guten Plan und poli­ti­schem Wil­len lässt sich das in etwa zehn Jah­ren ohne gro­ße Brü­che umsetzen.

Die Kri­se bie­tet die Chan­ce, das System der Mobi­li­tät sozi­al­öko­lo­gisch umzu­ge­stal­ten. Angst ist dabei erklär­lich, aber letzt­lich unbe­grün­det: Die Auto­kon­zer­ne kön­nen in Tei­len zu kli­ma­ge­rech­ten Mobi­li­täts­kon­zer­nen für Bus­se und Bah­nen umge­baut wer­den. Ver­bun­den mit einer kol­lek­ti­ven Arbeits­zeit­ver­kür­zung in Rich­tung 30-Stun­den-Woche, der kur­zen Voll­zeit für alle und mit dem rie­si­gen Arbeits­kräf­te­be­darf in der Pfle­ge oder im Hand­werk führt das sicher nicht zu einem Über­hang an Arbeitskräften.