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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mamma Mia! ABBA reloaded

Abba ist zurück. Nach über vier­zig Jah­ren sind Ben­ny, Björn, Agneta und Meryl Streep (oder Anni-Frid?) end­lich wie­der ver­eint – und kein biss­chen geal­tert. Die neu­en Sin­gles klin­gen genau­so wie jeder ande­re Hit der vier Schwe­den: ein­gän­gig, klar, leicht unter­kühlt. Und Abba sieht auch noch exakt so aus, wie die Band uns damals ver­las­sen hat. Als Holo­gram­me ste­hen sie in den neu­en Clips vor der Kame­ra und ab dem kom­men­den Früh­jahr auch auf der Bühne.

Damit die gro­ße Show auch wirk­lich per­fekt läuft, wird in Lon­don eigens eine neue Kon­zert­hal­le gebaut. Dort ist dann von frei­tags bis mon­tags Abba non­stop live zu sehen, jeweils um 13 und 18 Uhr. Für schlap­pe 320 Euro – wer mag, darf gern ein Viel­fa­ches mehr zah­len – kann der Charme der Sieb­zi­ger vom Steh­platz aus noch ein­mal erlebt wer­den. Wie »Super Trou­per« ist das denn!

Eini­ge Nost­al­gi­ker könn­ten nun ein­wen­den, dass Abba durch sein Come­back das Geheim­nis­vol­le ver­liert. Es war ja auch zu schön: Agneta, die zurück­ge­zo­gen auf einer Insel vor Stock­holm an die fal­schen Män­ner gerät. Ben­ny (oder war es Björn?), der sich wegen Demenz nicht mehr an den Sieg beim Euro­vi­si­on Song Con­test erin­nern kann. Meryl Streep, die schon wie­der mit Pier­ce Bros­nan »Mam­ma Mia« singt. Sol­che klei­nen Tra­gö­di­en waren das Ein­zi­ge, was man über lan­ge, lan­ge Jah­re von Abba gehört hat­te. Jetzt ste­hen die vier Pop­stars lächelnd im grel­len Blitz­licht­ge­wit­ter und zei­gen bei gemein­sa­men Foto­ter­mi­nen durch demon­stra­ti­ves Hän­de­schüt­teln, dass sie, die pri­vat zeit­wei­lig so eine Art gemisch­tes Dop­pel bil­de­ten, inzwi­schen über ihre Schei­dun­gen hin­weg­ge­kom­men sind. Und plötz­lich sind aus vier Phan­to­men der Musik­ge­schich­te ein­fach nur vier Mitt-Sieb­zi­ger gewor­den, die etwas kreuz­lahm über das Podi­um gehen. Abba ist deut­lich klei­ner geworden.

Nein, Abba ist deut­lich grö­ßer gewor­den! Zuletzt erreg­te die Band noch durch Mel­dun­gen wie die­se Auf­merk­sam­keit, dass Björn (oder war es Ben­ny?) nicht mehr als vier­mal pro Woche Sex haben kann, rein kör­per­lich. Nun ist ABBA raus aus der Cos­mo­po­li­tan-Schmud­del­ecke und zurück im Album-Gui­de vom Rol­ling Stone. Es gibt eine neue Plat­te mit dem viel­deu­ti­gen Titel »Voya­ge«. Sie bezieht sich sprach­lich auf den Vor­gän­ger »Vou­lez-vous« (1979) und inhalt­lich auf »Arri­val« (1976). Wer dar­aus etwas ablei­ten möch­te, ist sel­ber schuld, denn die ein­zel­nen Lie­der sind ein­fach nur zusam­men­ge­stell­te Abfall­pro­duk­te von irgend­wel­chen Pro­jek­ten aus den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Für gute Kri­ti­ken reicht es alle­mal, denn nie­mand hat erwar­tet, dass Abba mit der Zeit geht. Und es ist ja schon fast eine Kunst, über so vie­le Jahr­zehn­te immer den­sel­ben Pop abzu­lie­fern, der in belie­bi­ger Rei­hen­fol­ge ein klang­lich abso­lut über­gangs­lo­ses Med­ley erge­ben könnte.

Was oft über­se­hen wird: Im Hin­ter­grund schlägt das Impe­ri­um zurück. Düster sah es noch zu Beginn der Acht­zi­ger aus, als Abba mit Öl und Ost­block-Devi­sen deal­te. Irgend­wo zwi­schen Steu­er­rück­zah­lun­gen und Akti­en­ge­schäf­ten gin­gen Mil­lio­nen ver­lo­ren. Es wur­de still um den Misch­kon­zern Abba.

Die Wie­der­ge­burt geschah 1992 mit dem »ABBA Gold«-Album, das sich 30 Mil­lio­nen Mal ver­kauf­te. Abba war mit einem Mal der Dis­ko-Epo­che ent­wach­sen und über­zeit­lich gewor­den. Es folg­ten Cover-Ver­sio­nen, die nicht ein­mal Cher ver­sie­ben konn­te, Musi­cal und Ver­fil­mun­gen. Letz­te­re mach­ten ABBA in den USA bekann­ter, als es die Band in ihrer akti­ven Zeit gewe­sen war. Das roch regel­recht nach dem ganz gro­ßen Geld. Vor allem Ben­ny und Björn arbei­te­ten am Come­back mit immer neu­en Andeu­tun­gen in Inter­views und kol­por­tier­ten Bei­nah-Zusam­men­tref­fen aller Bandmitglieder.

Und jetzt ist es end­lich so weit: Im Gegen­satz zu ande­ren Super­stars wie Micha­el Jack­son und Whit­ney Hou­ston hat es Abba nicht nötig, für ein Come­back tat­säch­lich auf Och­sen­tour durch die Kon­zert­sä­le der Welt zu zie­hen. Vom Mer­chan­di­se um Elvis hat man sich die Idee mit den Holo­gram­men abge­guckt. Auf der Büh­ne spielt eine Band live, die vier eigent­li­chen Stars wer­den als Ava­tare dazugebeamt.

Heißt für die geal­ter­te Band: Ein alters­ge­rech­tes Leben ohne gro­ße kör­per­li­che Anstren­gun­gen ist nach wie vor mög­lich. Heißt für die Fans: Alles ist genau­so bunt wie frü­her. Sogar Agnetas »schön­ster Po Euro­pas« sieht ganz unver­än­dert aus. Heißt für die Musik­bran­che: Lohn­drücke­rei. Denn nor­ma­le Mega­stars zuckeln noch mit ihrem Tross durch die Län­der, sie spie­len für gewöhn­lich an zwei Aben­den, dann brau­chen sie eine Pau­se. Und wei­ter geht’s. Cher und aktu­ell auch Elton John ken­nen das von ihren Abschieds­tour­neen. Abba hin­ge­gen hat ein­ma­li­ge Kosten für die eige­ne Are­na, dann läuft die Show per Knopf­druck und nach Stech­uhr vom Band. Zwei Kon­zer­te täg­lich, vier Tage in Fol­ge. Eine rie­si­ge Geld­druck­ma­schi­ne. Ben­ni (oder war es Björn?) hat gera­de sein drit­tes Mal Sex in der Woche, wäh­rend er gleich­zei­tig in Lon­don am Kla­vier sitzt. Agneta ver­liebt sich in Stock­holm wie­der mal in ihren Chauf­feur oder Body­guard – und träl­lert zur glei­chen Zeit »Gim­me! Gim­me! Gim­me!« auf der Büh­ne. Dass die Kon­zer­te mit Play­back lau­fen, scheint noch nicht jeder kapiert zu haben. Und so ver­dient sich Abba einen wei­te­ren Ein­trag ins Guin­ness­buch der Rekor­de: für die teu­er­ste Kino­vor­stel­lung aller Zeiten.