Mit vor Dümmlichkeit strotzenden Fragen erschrecken uns Deppen. Neuerdings gibt es Leute, welche kraft Pandemie ihre Gedanken und Gefühle nicht mehr ins Gleichgewicht zu bringen imstande sind. Dagegen erscheinen als dumm dekorierte kluge Fragestellungen ganz anders – das haben satirisch angehauchte Geister mit Erfolg erprobt.
Versuchen wir es einmal zu aktuellen Beispielen, so dumm und einfältig, ja, so naiv wie möglich zu fragen. National zu sein, war einmal in Deutschland eine hehre Größe. Ein Land muss sich national drapieren. Man redete von Nationaler Front, von Nationalpreisträgern und Nationaler Volksarmee. Da weiß alle Welt, welchem Teil-Land es da so besonders um die Nation ging. Für deren Einheit eine Revolution gewagt – und gewonnen wurde.
Dumme Fragen: Wieso war in dem Moment, als durch Gottes und seines ungehörigen Dieners (Schabowski) Fügung die Einheit als sogenannte Wiedervereinigung vollzogen war, diese Nation offenbar überflüssig geworden? War mit der Einheit schon wieder Feierabend, als ein Gutteil der nun lediglich dem Bestehenden »Angeschlossenen« nicht mehr ins Schema des Musterbürgers passte? »Systemnah« und »linientreu«? Darf man so Wiedervereinigte disqualifizieren? Wieso ist man mit gutem Recht gegen Ausbürgerung – belastet jedoch eine Einbürgerung damit, dass alles und jedes bedingungslos anzupassen ist?
Statt neuer Gemeinsamkeit tauchten zunehmend voneinander dringend zu unterscheidende Nationen auf. Bisher gütlich oder vielleicht nur vorsorglich zweckmäßig vereint, wurden nach der bürgerlichen Revolution von 1918 entstandene Länder wie die Tschechoslowakei und Jugoslawien blitzschnell zur Trennung gedrängt. Tschechien und die Slowakei hatten 1968 den Prager Frühling gemeinsam miteinander versucht. Ihr Heil in der samtenen Revolution von 1989 bestand nun im Auseinanderdriften. Ein verführerisch sozialistische Sonderwege einschlagendes Jugoslawien zerbarst dagegen geradezu in plötzlich maßlos zugespitzten Rivalitäten verschiedener Teilrepubliken.
Dumme Fragen: Warum ergab sich das im Stil eines Blitzkrieges so drastisch, dass uns Hören und Sehen verging? Was der Kroate Tito in und mit Serbien und anderen Nationalitäten ganz im Stil der weltoffenen Habsburger Dynastie zusammengebracht hatte – wieso zerstob das plötzlich in mörderischen Massakern? War vom sozialistischen Gesellschaftsmodell nichts mehr übrig? Hat man je wieder etwas davon gehört oder gesehen?
Dass Nationen im Zeitalter einer beispiellosen ökonomischen Total-Globalisierung das Recht ihrer Bevölkerung auf Selbstbestimmung betonen, ist nachvollziehbar. Polen und Ungarn waren in Zeiten des Realsozialismus unter sowjetischer Kuratel Vorreiter selbständiger Wege. Heute in starke wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht, haben ihre autoritär auftretenden Regierungen nicht zufällig eine parlamentarische Massenbasis. Demokratische Voten können jedoch spielend faschistoid agierende Diktaturen hervorbringen.
Dumme Fragen: Ja – was dann? Wenn Sachen auf den Index gesetzt oder missliebige Personen ins Abseits manövriert oder sexuelle Orientierungen angefeindet werden? Ist es angebracht, dann wie im Mittelalter mit Strafmaßnahmen zu antworten? Sind Kürzungen bereits zugesagter Hilfeleistungen der Übergang zu Sanktionen – ganz wie sonst gegenüber feindlich taxierten Regierungen?
Religion bestimmt die Welt. Muslimische Gläubige beten und predigen so, und christliche so. Ostasiatische Religionen sind von Buddha oder Krishna oder Konfutse bestimmt. Die jüdische triumphierte in prägenden Riten über alle Pogrome. Die aufs Vergeistigen aller Lebensprozesse zielende Wirkung des Religiösen, ja, das Verewigen moralischer Grundsätze, macht es offenbar unentbehrlich fürs menschliche Zusammenleben.
Dumme Fragen: Kann man da »Atheisten aller Länder vereinigt euch« rufen? Können sich nicht alle angesichts des Klimawandels vor dem Altar einer wie auch immer gearteten Naturreligion treffen? Wo sind die geistlichen Beschwörer einer »Friedlichen Revolution« heute geblieben, während kriegerisch aufputschende Hassgesänge dominieren?
In der sogenannten »Dritten Welt« gelten offenbar andere Gesetze als in der unseren. Es gilt dort eine andere Mathematik, wenn es um die Zählung von Opfern geht. Die »Befreiung« von Menschen in den falschen Revolutionen der letzten Jahre hat viele Millionen Opfer gekostet. Ägypten. Libyen. Irak. Syrien. Jemen. Die Methoden einer supermodernen Kriegsführung – inklusive Wirtschaftskrieg mit Sanktionen – gehen im Wesentlichen zweifelsfrei auf Kosten der Zivilbevölkerung.
Dumme Fragen: Was werden da nach wie vor für Rechenexempel angestellt, um die wahren Opfer des Schießbefehls an der Berliner Mauer zu ermitteln? Hat sich noch nicht herumgesprochen, welcher Rekord an geringer Opferzahl bei extrem mörderischer Bedrohung durch Block-Konfrontation auf deutschem Boden dabei zu verzeichnen war? Ist das jetzige Gemetzel in der von Putin überfallenen Ukraine nicht das überzeugende Gegenbeispiel für ein verantwortungsloses Spiel mit Todesopfern ohne Ende?
Eine katastrophale Geschichtsvergessenheit bei gleichzeitigem ständigem Zitieren historischer Tatsachen ist ein gegenwärtiges Paradoxon. Die beiden Weltkriege im deutschen Interesse fast schon schön zu reden, kommt mächtig in Mode. Pech gehabt – die Hohenzollern regierten und hatten einen verlorenen Weltkrieg zu verantworten. Sie waren es schließlich, die mit dem dilettantischen Heerführer namens Paul von Hindenburg den Scherbenhaufen von 1918 hinterlassen haben. Siegreiche Monarchen wie Großbritanniens Windsors dürfen dagegen noch heute Kronjubiläen und Demokratiegewinne gleichzeitig feiern.
Dumme Fragen: Wenn nun mal 1989 der deutschen Bundesrepublik ein komfortabler Sieg beschieden war, warum sind dann die besiegten Landstriche mit ihren Menschen nach drei Jahrzehnten keineswegs zufriedenstellend entwickelt? Woher dagegen dieser immanente Wahn der Verehrung der angestammten Adelsklasse unter Hintansetzung der demokratischen Mehrheit? Was hat es auf sich mit der kindischen Verehrung der kleinen und großen Leute für jeglichen adlig gefärbten Edel-Plunder?
Lassen wir es damit gut sein. Deutschland ist jenseits dessen hochgradig genug vom american way of life gezeichnet. Und der ist vom ebenfalls erblichen Geldadel geprägt. Man muss keinen Fantasien von Verschwörungsanschlägen anhängen, um da gewisse Befürchtungen zu hegen. Ehe man dann dumm fragt, sollte man sich schlau machen.