Adina, die in einem Dorf im tschechischen Riesengebirge aufwuchs, will in die Welt und landet erst einmal in Berlin in einem Sprachkurs. Dank der Vermittlung einer Fotografin erhält sie ein Praktikum in einer im Aufbau befindlichen Kultureinrichtung in der Uckermark, wo sie von einem der Geldgeber vergewaltigt wird. Traumatisiert flieht sie bis nach Helsinki. Hier lernt sie Leonides, einen estnischen Professor und Menschenrechtler, kennen. Sie verlieben sich. Doch als sie während einer Party das Hüsteln ihres Vergewaltigers wiedererkennt, entsinnt sie sich ihres Vorsatzes, diesen vor Gericht zu bringen.
Eine spannende Geschichte, die eng um die Fragen von Ohnmacht und Macht, Frauen und Männer, Osteuropa und den Westen kreist. Es geht sowohl um globale Menschenrechte, für die Leonides eintritt, als auch um das Recht des eigenen Namens. Es geht um europäische Geschichte und die Gegenwart einer Männerdominanz überall, die eine Vergewaltigung als Ausrutscher oder Spiel abtut. Antje Rávik Strubel ist kompromisslos und sehr genau, was zwischenmenschliche Verhältnisse, Traumatisierungen und Herrschaftsstrukturen angeht. Sie erzählt plastisch und sensibel. Was ich jedoch nicht verstanden habe, sind die Gründe dafür, alles zu verkomplizieren, rätselhaft und schwer verständlich zu machen. Der kunstvolle Wechsel von Zeitebenen und Erzählperspektiven gehört heute vielleicht zum modernen Handwerk, aber warum hin und wieder bedeutungsschwangere, nicht auflösbare Passagen durch das Buch wabern und gar die geheimnisvolle blaue Frau letztlich den Titel bestimmte, blieb mir ein Geheimnis. Ob das die Jury des diesjährigen Buchpreises der Frankfurter Messe als poetische Zutat besonders inspirierte oder ob sie es wie ich hinnahmen als lästige Marotte?
Antje Rávik Strubel: Blaue Frau. Roman, S. Fischer Verlag, 429 S., 24 €.