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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Links unten gegen rechts oben

Weil die AfD sich immer mehr als »nor­ma­le« Par­tei eta­blie­ren möch­te, obwohl sie doch kei­ne »Alt­par­tei« sein will, strebt sie nach Geld für poli­ti­sche Stif­tun­gen. Sie möch­te auch Thea­ter­spiel­plä­ne nur noch nach »deut­scher Kunst« aus­rich­ten. In den Medi­en ist die AfD über­pro­por­tio­nal ver­tre­ten, wird im Augen­blick aber noch rela­tiv oft kri­tisch gese­hen. Die spar­sam ver­teil­ten Sati­re-Sen­dun­gen – nein, nicht die übli­chen Nuhr-Come­dy-Weich­spü­lun­gen – neh­men AfD-Köp­fe gern auf den Schirm. Gibt es Lusti­ge­res & Ent­lar­ven­de­res, als eine Frau von Storch? Sind Gau­land, Wei­del, Meu­then und Höcke nicht sati­ri­sche Figu­ren, die im Wort­sinn für sich sprechen?

Doch da mögen »heu­te-show«, »extra 3« und »Die Anstalt« sich an der AfD rei­ben, wie sie wol­len: Bis zu einem Drit­tel des ost­deut­schen Wahl­volks hält der Rechts­au­ßen­par­tei die Nibe­lun­gen­treue. Da dür­fen »links­grün ver­siff­te Medi­en« die­se Par­tei lächer­lich machen, wie sie wol­len; der har­te Kern aus der säch­si­schen Klein­stadt fin­det sie nicht zum Lachen, son­dern will mit ihnen das Land ver­än­dern. Dass sich die­se lin­ken Witz­bol­de wer­den fürch­ten müs­sen! Selbst in frisch gewähl­ten Lokal­par­la­men­ten dro­hen die bis­lang nie bei den Mühen der Regio­nal­ebe­nen in Erschei­nung getre­te­nen nagel­neu­en AfD-Reprä­sen­tan­ten: Mul­ti­kul­ti hat in unse­rem Ort nichts zu suchen! Wir wer­den die Eta­blier­ten jagen, bis ihnen das Lachen vergeht!

Wenn wir nun schon zum wie­der­hol­ten Mal das Lachen zitie­ren, dür­fen wir uns fra­gen: Gibt es viel­leicht auch ein AfD-Kaba­rett? Das die poli­ti­schen Inhal­te der Frem­den­has­serpar­tei in einem lusti­gen, einem sati­ri­schen Gewand daher­kom­men lässt?

Klar war frü­her immer: Sati­ri­sches Kaba­rett zielt von links unten nach rechts oben. Rechts oben sit­zen die Besit­zen­den, das eine Pro­zent, das 90 Pro­zent des Reich­tums ver­wal­tet, wäh­rend links unten jener gro­ße Teil der Mensch­heit haust, der maxi­mal ein Pro­zent an Reich­tum nut­zen darf. Oder, um ein neu­es Medi­um zu zitie­ren, wie der Blog­ger mcmac meint: »Wenn für Kaba­rett als grund­le­gen­des Kri­te­ri­um gilt, dass es die mit sati­ri­schen Mit­teln vor­ge­tra­ge­ne und dar­ge­stell­te Gesell­schafts­kri­tik (die der Beherrsch­ten) ist, dann ist rech­tes Kaba­rett eine con­tra­dic­tio in eo ipso, ein Wider­spruch in sich.«

Als das Kaba­rett wegen zu star­ker lin­ker Aus­rich­tung bereits ein­mal als staats­feind­lich gebrand­markt wur­de, erfand man den Rund­funk zum Mis­sio­nar der Mas­sen: »In die­ser Stun­de wird der Rund­funk beru­fen, die größ­te und hei­lig­ste Mis­si­on zu erfül­len: nun das Bild des Füh­rers unver­lösch­lich in alle deut­schen Her­zen zu pflan­zen.« Das war 1935. Als das Fern­se­hen eta­bliert wer­den soll­te, das dann zunächst der Kriegs­wirt­schaft unterlag.

Blei­ben wir bei der con­tra­dic­tio in eo ipso, dem Wider­spruch in sich. Dem Kaba­rett von rechts gegen links.

Die­sen Wider­spruch meint die AfD auf­lö­sen zu kön­nen. Denn sie kämp­fe gegen die links­grün ver­siff­te Mehr(!)heit in den Kom­man­do­stel­len der Medi­en im Namen einer schwei­gen­den Mehr­heit der Bür­ger, kämp­fe also von rechts unten nach links oben.

Sind AfDies und deren Wäh­ler wirk­lich rechts unten? Rechts ja – aber unten? Die­se geschei­tel­ten Bie­der­bür­ger, die gern hin­ter der Gar­di­ne vor­gucken? Die­se blank­köp­fi­gen Gar­ten­bo­den­bür­ger? Die­se ver­quäl­ten Klein­männ­lein, die Trump lie­ben, aber nicht selbst­be­wuss­te Frau­en? Denen Aus­län­di­sches ein Gräu­el ist und die deut­sche Spra­che angeb­lich Hei­mat – obwohl die links­grün Ver­siff­ten schon immer bes­ser Deutsch konn­ten. Man muss nicht bis zu Hein­rich Hei­ne und Kurt Tuchol­sky zurück­ge­hen, um Bewei­se zu finden.

Kri­tik an einer wirk­lich ver­siff­ten, einer pha­ri­sä­er­haf­ten Lebens­wei­se üben Lin­ke sel­ber, wie Hans-Eckardt Wen­zel, der vor Jahr­zehn­ten schon über sei­ne vega­ne, alter­na­tiv spei­sen­de und ver­rei­sen­de Freun­din reim­te: »Ein Bett­ler lüm­mel­te sich vis-à-vis /​ Mit Büch­sen­bier auf sei­ner Decke,/ Da hob sie den Mit­tel­fin­ger und schrie: /​ Du Umwelt­sau ver­recke! /​ Ihr Fahr­rad war teu­rer als all mein Gut. /​ Sie radel­te, ohne zu fra­gen, /​ Mit mir im Schlepp­tau zur Mit­tags­glut /​ In ihren Bio-Laden.«

Was es schon immer gab, nicht erst, seit 1935 das Bild des Füh­rers unaus­lösch­lich den Mas­sen nahe­ge­bracht wer­den soll­te: nazi­na­he Schrift­stel­ler, teut­sche Musi­ker und völ­ki­sche bil­den­de Künst­ler. Im »Tau­send­jäh­ri­gen Reich« kamen sie auf eine »Gott­be­gna­de­ten-Liste«.

Den Tru­bel um die Leip­zi­ger Jah­res­aus­stel­lung wegen des Bil­der­ma­lers Axel Krau­se haben wir der­zeit haut­nah. Der hoch gelob­te Schrift­stel­ler Uwe Tell­kamp sieht einen »Gesin­nungs­kor­ri­dor«, wenn man sei­ne Mei­nung, dass 95 Pro­zent der Flücht­lin­ge nur in unse­re Sozi­al­sy­ste­me ein­wan­dern wol­len, als Blöd­sinn abtut. Auch einen Lie­der­ma­cher, natür­lich völ­kisch, gibt es: Frank Ren­nicke. Den sei­ne nazio­nal­de­mo­kra­ti­schen Freun­de schon mal als Bun­des­prä­si­den­ten­kan­di­da­ten auf­stell­ten. Doch eigent­lich haben sich AfD-freund­li­che Hal­tun­gen bis­lang nur im Kon­zert-Musik­be­trieb durch­ge­setzt: »Rechts­rock« ist eine Mar­ke, die man nicht igno­rie­ren kann. AfD- und NPD-Wahl­er­geb­nis­se in und um Hild­burg­hau­sen, all­wo Rechts­rock stän­dig im Wehr­machts­rhyth­mus dröhnt, kor­re­spon­die­ren mit dem dor­ti­gen Nazi-Kon­zert-Ver­an­stal­ter Tom­my Frenck.

Aber Kaba­rett? Jene Kunst­form, die ohne jüdi­sche Deut­sche, also Zuwan­de­rer, hier­zu­lan­de nie zu wirk­li­cher Blü­te gelangt wäre? Die nicht bumm-bumm son­dern bim-bim macht? Ein Gen­re, zu dem Iro­nie gehört. Die die Ur-Nazis nie ohne »zer­set­zend« benannten?

Las­sen wir also die Fra­ge für heu­te unbe­ant­wor­tet ste­hen: Gibt es AfD-Kabarett?