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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ländliche Presseschau

Zei­tun­gen sind ein biss­chen wie Leo­par­den-Biki­nis. Sie wur­den schon so oft tot­ge­sagt – und trotz­dem gibt es sie immer noch. Das erstaunt vor allem im Osten Deutsch­lands, wo doch nach mehr als drei­ßig Jah­ren der Abwan­de­rung von jun­gen, gut­aus­ge­bil­de­ten Fach­kräf­ten eigent­lich nur noch alters­sich­ti­ge Analpha­be­ten woh­nen müssten.

Aber die ein­sti­gen Bezirks­zei­tun­gen gibt es noch heu­te – alle vier­zehn. Zum Teil lau­fen sie unter ande­ren Namen. Aus der Frei­heit ist die Mit­tel­deut­sche Zei­tung gewor­den, aus der Volks­wacht die Ost­thü­rin­ger Zei­tung, die Freie Erde heißt jetzt Nord­ku­rier. Das nimmt den poli­ti­schen Bil­dungs­an­spruch etwas zurück und betont dafür die regio­na­le Ver­bun­den­heit. Die ist deut­lich aus­ge­präg­ter als in ande­ren Tei­len Deutsch­lands, in der Zei­tungs­land­schaft gel­ten noch immer die alten Bezirks­gren­zen, auch weil es im Osten nach der Wen­de kaum Neu­grün­dun­gen gab. Das ist einer­seits sehr anhei­melnd wie alles, was in unse­rer chao­ti­schen Zeit ein wenig Bestän­dig­keit ver­mit­telt. Ande­rer­seits haben die­se Zei­tun­gen oft eine Mono­pol­stel­lung, und das ist gefähr­lich. Weil eben nur eine ein­zi­ge Redak­ti­on ent­schei­det, was in hal­ben Bun­des­län­dern in die Zei­tung kommt. Weil man sich auch mal jour­na­li­stisch gehen las­sen kann, denn es drückt kei­ne Kon­kur­renz. Wer in Mag­de­burg etwas Regio­na­les lesen möch­te, hat eben nur die Volks­stim­me. In Leip­zig gibt es nur die Volks­zei­tung und in Pots­dam nur die Mär­ki­sche All­ge­mei­ne. Eine ech­te Aus­wahl besteht außer­halb Ber­lins oft nicht.

Das Ange­bot wird zusätz­lich durch die Besitz­ver­hält­nis­se ein­ge­schränkt. Ein Blick auf die ähn­li­chen Web­sites und iden­ti­schen Man­tel­tei­le genügt, um fest­zu­stel­len, dass die Zeit der eigen­stän­di­gen Zei­tun­gen im länd­li­chen Osten längst vor­bei ist. Die bei­den gro­ßen Tages­zei­tun­gen Sach­sen-Anhalts sind bei­spiels­wei­se in der Hand der Ham­bur­ger Bau­er Media Group (mit Bra­vo, Cos­mo­po­li­tan und TV Movie). Das thü­rin­gi­sche Zei­tungs­we­sen wird mehr­heit­lich von der Fun­ke Medi­en­grup­pe aus Essen (mit Bild der Frau und Echo der Frau) gesteu­ert. Sach­sens Zei­tun­gen gehö­ren ent­we­der Gru­ner + Jahr aus Ham­burg (mit Bri­git­te, Gala und Schö­ner Woh­nen) oder Mad­sack. Die­ses Unter­neh­men aus Han­no­ver besitzt außer­dem die Mär­ki­sche All­ge­mei­ne, das rest­li­che jour­na­li­sti­sche Bran­den­burg hat sich die Neue Pres­se­ge­sell­schaft aus Ulm gesichert.

In Meck­len­burg-Vor­pom­mern teilt sich Mad­sack mit zwei Kon­zer­nen aus Flens­burg und Ravens­burg den Zei­tungs­markt. Und über diver­se Betei­li­gun­gen ist in jedem öst­li­chen Bun­des­land die Deut­sche Druck- und Ver­lags­ge­sell­schaft ver­tre­ten, eine der größ­ten deut­schen Ver­lags­grup­pen und voll­stän­dig im Besitz der SPD.

Das gibt zu den­ken. Wie unab­hän­gig, wie regio­nal sind die ost­deut­schen Tages­zei­tun­gen tat­säch­lich, wenn selbst hin­ter der klei­nen Alt­mark-Zei­tung ein Groß­kon­zern steckt? Eine Aus­nah­me gibt es aller­dings: In Baut­zen erscheint die ein­zi­ge Tages­zei­tung im länd­li­chen Osten, die nicht von einem Medi­en­mo­gul gesteu­ert wird. Hier sit­zen der Ver­lag und die Stif­tung noch vor Ort, alles ori­gi­nal von hier. Es gibt nur einen Wer­muts­trop­fen: Die Serbs­ke Nowi­ny (»Sor­bi­sche Zei­tung«) erscheint in sor­bi­scher Sprache.