Zeitungen sind ein bisschen wie Leoparden-Bikinis. Sie wurden schon so oft totgesagt – und trotzdem gibt es sie immer noch. Das erstaunt vor allem im Osten Deutschlands, wo doch nach mehr als dreißig Jahren der Abwanderung von jungen, gutausgebildeten Fachkräften eigentlich nur noch alterssichtige Analphabeten wohnen müssten.
Aber die einstigen Bezirkszeitungen gibt es noch heute – alle vierzehn. Zum Teil laufen sie unter anderen Namen. Aus der Freiheit ist die Mitteldeutsche Zeitung geworden, aus der Volkswacht die Ostthüringer Zeitung, die Freie Erde heißt jetzt Nordkurier. Das nimmt den politischen Bildungsanspruch etwas zurück und betont dafür die regionale Verbundenheit. Die ist deutlich ausgeprägter als in anderen Teilen Deutschlands, in der Zeitungslandschaft gelten noch immer die alten Bezirksgrenzen, auch weil es im Osten nach der Wende kaum Neugründungen gab. Das ist einerseits sehr anheimelnd wie alles, was in unserer chaotischen Zeit ein wenig Beständigkeit vermittelt. Andererseits haben diese Zeitungen oft eine Monopolstellung, und das ist gefährlich. Weil eben nur eine einzige Redaktion entscheidet, was in halben Bundesländern in die Zeitung kommt. Weil man sich auch mal journalistisch gehen lassen kann, denn es drückt keine Konkurrenz. Wer in Magdeburg etwas Regionales lesen möchte, hat eben nur die Volksstimme. In Leipzig gibt es nur die Volkszeitung und in Potsdam nur die Märkische Allgemeine. Eine echte Auswahl besteht außerhalb Berlins oft nicht.
Das Angebot wird zusätzlich durch die Besitzverhältnisse eingeschränkt. Ein Blick auf die ähnlichen Websites und identischen Mantelteile genügt, um festzustellen, dass die Zeit der eigenständigen Zeitungen im ländlichen Osten längst vorbei ist. Die beiden großen Tageszeitungen Sachsen-Anhalts sind beispielsweise in der Hand der Hamburger Bauer Media Group (mit Bravo, Cosmopolitan und TV Movie). Das thüringische Zeitungswesen wird mehrheitlich von der Funke Mediengruppe aus Essen (mit Bild der Frau und Echo der Frau) gesteuert. Sachsens Zeitungen gehören entweder Gruner + Jahr aus Hamburg (mit Brigitte, Gala und Schöner Wohnen) oder Madsack. Dieses Unternehmen aus Hannover besitzt außerdem die Märkische Allgemeine, das restliche journalistische Brandenburg hat sich die Neue Pressegesellschaft aus Ulm gesichert.
In Mecklenburg-Vorpommern teilt sich Madsack mit zwei Konzernen aus Flensburg und Ravensburg den Zeitungsmarkt. Und über diverse Beteiligungen ist in jedem östlichen Bundesland die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft vertreten, eine der größten deutschen Verlagsgruppen und vollständig im Besitz der SPD.
Das gibt zu denken. Wie unabhängig, wie regional sind die ostdeutschen Tageszeitungen tatsächlich, wenn selbst hinter der kleinen Altmark-Zeitung ein Großkonzern steckt? Eine Ausnahme gibt es allerdings: In Bautzen erscheint die einzige Tageszeitung im ländlichen Osten, die nicht von einem Medienmogul gesteuert wird. Hier sitzen der Verlag und die Stiftung noch vor Ort, alles original von hier. Es gibt nur einen Wermutstropfen: Die Serbske Nowiny (»Sorbische Zeitung«) erscheint in sorbischer Sprache.