Sind die ersten Kehllaute nach der Geburt heraus, die luftholende und luftausstoßende Begrüßung, erfolgt irgendwann das Lächeln, jene allen Wesen innenwohnende wort- und wehrlose Bitte um Schonung, in ihrem nackten Ausgeliefertsein angenommen und gestillt zu werden.
Nicht selten werden im Verlauf des Lebens mit dem Lächeln, als eine natürliche Geste und Gebärde, die Zustände von Seligkeit und Entrücktsein verbunden. Doch liegt im Lächeln, dieser mimischen Sprachmöglichkeit des Menschen, weit mehr. Eine breitgefächerte Ausdrucksfähigkeit, das Alphabet der Vieldeutigkeiten und Nuancierungen, die schier unerschöpflich sind. Das reicht von argloser Freundlichkeit bis zur lauernden Bedrohung.
Das Lächeln der Sphinx, der Würgerin, lässt uns seit Jahrtausenden erschauern, und das der Mona Lisa gibt, seit es von Leonardo da Vinci ins Bild gesetzt wurde, Rätsel auf. Das Lächeln hat, wie auch immer betrachtet, etwas Schwebendes, ein über allem Geschehen Stehendes, von Anbeginn und bisweilen auch, wenn wir die Augen schließen.
Das angeblich andauernde Homerische Gelächter, dessen bin ich mir gewiss, hat sich längst ausgelacht, doch wir lachen noch, weil es menschlicher ist, so der römische Philosoph Seneca, über das Leben zu lachen als zu klagen.
Durch eine zumeist innere Bewegung ausgelöst, ist das Lachen schwer zu kontrollieren. Rein physisch soll es einen mobilisierenden Effekt haben, soll gesund sein und mithin sogar therapeutisch wirken, etwa als Lachyoga. Die Scala des Lachens reicht vom herrlich lauten und befreit aus sich heraus Lachen bis zum stillen in sich hinein, vom glucksenden, keckernden Lachen in allen Färbungen bis zum leichten, fast schwebenden, singenden Lachen, auch dies in allen Abstufungen und Nuancen.
Dem Lachen, wie dem Weinen, geht zumeist eine innere Erschütterung voraus, der sich – ist sie einmal ausgelöst – kaum jemand erwehren kann. Gefährlich wird es, wenn es bis zum Lachkoller geht, man sich nicht mehr einholt vor Lachen, die Adern schier zu platzen drohen.
Es liegt wahrscheinlich eine Störung vor, wenn jemand ganz und gar nicht lachen kann, dann klingeln die sprichwörtlichen Alarmglocken, und es sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Aber wenn es sich dabei um einen Philosophen handelt, wie Wilhelm Busch ihn in »Zu guter Letzt« sich erdichtet hat, wird da wenig Hilfe möglich sein. Es gipfelt das zum Lachen reizende Gedicht, zumindest aber zum Lächeln, in der Schlusszeile: »Ich bin für mich und lache nie.« Noch anders verhält es sich beim stoischen Gesichtsausdruck des »Stoneface« Buster Keaton, der mit seinen Stummfilmen Lachen erzeugte und selbst todernst blieb.
Lachen war wahrscheinlich schon zu Urzeiten eine vorsprachliche Geste, eine wenig artikulierte Droh- und Überlegenheitsgebärde, frühes Wut-, Gier- oder Hasslachen, zähnefletschendes Abwehren und Drohen zugleich. Das klingt noch an, wenn vom »entwaffnenden Lachen« die Rede ist.
Ausbrüche von Lachsalven, wenn eine völlig enthemmte Gruppe lachende Zusammengehörigkeit demonstriert: Wehe den Vereinzelten, die da nicht mitlachen können. Es kann unangenehm werden, wenn es auffällt, die Stimmung urplötzlich kippt und die Frage laut wird: Warum haben die nicht gelacht? Unangenehm bis zum Totschlag kann es werden, wenn da ein uralter Film abläuft. Dem Unbehagen kam schon um 1900 der französische Philosoph Henri Bergson mit einer Anmerkung zu seinem Werk »Le rire« auf die Spur, er streift es zwar nur, aber er öffnet den Raum in eine beunruhigende Fragestellung.
»Irgendetwas Angriffiges (und zwar ›spezifisch‹ Angriffiges) muss in der Ursache der Komik stecken, gewissermaßen der Ansatz zu einem Attentat auf das soziale Leben, wie anders ließe sich erklären, dass die Gesellschaft mit einer Geste antwortet, die mir ganz nach einer Abwehrreaktion aussieht – einer Geste, die ein wenig beängstigt?«
Ob Seneca noch gelacht hat, als Nero ihm im Jahr 65 (n. u. Z.) befohlen hat, sich selbst zu töten? Es soll dem Stoiker erst nach mehreren Versuchen gelungen sein.