»Der Kleinbürger wird uns in diesem Jahrhundert noch viel zu schaffen machen« (Curtio Malaparte 1933*).
Curtio Malaparte (1898-1957) erlebt den 2. WK und berichtet im Juni und September 1941 von der ukrainischen und Leningrader Front. Malaparte heißt eigentlich Curt Erich Suckert. Seine wechselvolle Biografie bildet die politischen Spannungsverhältnisse und Widersprüche des 20. Jahrhunderts ab, wie wohl bei sonst keinem anderen Schriftsteller und Journalisten der Zeit. Er veröffentlicht 1933 einen Text, in dem er Wladimir Iljitsch Lenins (1870-1924) Denken und Leben reflektiert. Malaparte erkennt in Lenin den Typus eines Kleinbürgers und kommt, angesichts des aufsteigenden österreichischen Kleinbürgers (nicht dem letzten), zu einer visionären Bemerkung über diesen Typus an den Schaltstellen der Macht, der »uns in diesem Jahrhundert noch viel zu schaffen machen« werde. Nicht nur im 20. Jahrhundert, lässt sich inzwischen ergänzen.
*Zitiert nach: Heiner Müller, »Jenseits der Nation« (Rotbuch 1991), S. 11-13. Lektüreempfehlung: Curtio Malaparte, »Die Wolga entspringt in Europa« (Stahlberg Verlag 1967, Neuausgabe bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 1989, mit einem Vorwort von Heiner Müller); siehe auch: Wladimir G. Sorokin, »Putin ist verrückt?« (Gastbeitrag in der Süddt. Zeitung vom 22. April 2022).