Immer mehr schädigen Menschen die Umwelt, die gleichsam eine »Gratisproduktivkraft« (Karl Marx) ist. Die Ursache: ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum. Dabei sind die »Grenzen des Wachstums« (Club of Rom) lange bekannt. Sie werden aber nicht zuletzt auch durch eine Bevölkerungsexplosion angeheizt. 1950 war die Erde mit 2,53 Milliarden Menschen geradezu »leer«. Heute sind es 7,72 Milliarden. Das entspricht einer Wachstumsrate von 205 Prozent. Dabei sind weder Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum noch der Raubbau an der Natur über die 196 Länder der Erde gleichverteilt. Reiche Länder wachsen heute weniger als arme Länder, und trotzdem verbrauchen die reichen Länder pro Kopf mehr Rohstoffe, mehr Primärenergie und produzieren dadurch eine wesentlich größere Menge an Kohlendioxid-Emissionen (eben durch den Verbrauch nicht-regenerativer fossiler Brennstoffe). Dies provoziert Nationalismen wie u. a. »America first«.
Die weltweite Ungleichverteilung rückt die Verteilungsfrage (immer mehr) in den Mittelpunkt. Wer hat die Gewalt (Macht) über die Verteilung von Ressourcen, Einkommen und Vermögen? Die Antwort ist in einer heute fast ausnahmslos kapitalistisch gewordenen globalen und kriegerischen Welt einfach. Es sind die weltweiten Kapitaleigentümer, das »personifizierte Kapital« (Karl Marx). Sie setzen auf eine profitgetriebene erweiterte Kapitalakkumulation – unterstützt von den politischen Eliten in den einzelnen Staaten. Der tiefe Antagonismus der Ordnung, zwischen abhängig verrichteter und von Kapitalisten ausgebeuteter Arbeit, denen die entscheidenden Produktionsmittel gehören und die damit einseitig die Entscheidungsmacht über Menschen und Natur haben, aber auch über die politischen Erfüllungsgehilfen im staatlichen Überbau, verhindert am Ende eine konstruktive und holistische Lösung für die Menschheit als Ganzes.
Im Ergebnis geht es deshalb auch nicht nur um die Umweltproblematik, sondern mindestens genauso um Armutsbekämpfung. »Dafür müssen«, so der Postwachstumstheoretiker Ulrich Brand, »demokratische Strukturen und Prozesse, das Politische und der Staat derart verändert werden, dass die öffentlichen Angelegenheiten kollektiv und ohne Diskriminierung organisiert werden. Das sind Kernelemente eines öko-sozialistischen Projekts.« Und das Ganze müsse in einem internationalen Kontext gesehen und gelöst werden, vor allen Dingen wegen einer »imperialen Produktions- und Lebensweise« der materiell reichen Länder der Erde. Und dann lässt er uns mit seiner normativen Forderung allein zurück. Wie das weltweit umgesetzt werden soll, die Antwort bleibt Brand schuldig. Aber zumindest erkennt er: »Ein gutes Leben für alle ist eine internationale und internationalistische Aufgabe, die unter kapitalistischen Bedingungen nicht zu bewältigen ist.«
In der Tat, Kapitalisten akzeptieren bei der Befriedigung ihrer einseitigen maximalen Profitinteressen keinen Stillstand. Sie setzen auf Wachstum, ja, sie müssen systemisch-inhärent auf Wachstum setzen. Auch ein umweltorientiertes »grünes« Wachstum, das wegen kontrafaktischen Rebound-Effekten nicht die wirkliche Lösung ist, verlangt unter kapitalistischen Bedingungen nach einer Mehrwertproduktion und damit einer weiteren Ausbeutung der Arbeitskräfte. Birgit Mahnkopf spricht in den Blättern für deutsche und internationale Politik (Heft 6/2021) zu Recht von einer »Nebelkerze«: »Green New Deal – Die leeren Versprechungen eines ›grünen Kapitalismus‹«.
Für die systemimmanente Logik der kapitalistischen Ordnung und die Logik ihrer ökonomischen Implikationen interessiert sich aber die Umweltbewegung nicht, und ich befürchte, sie hat die Logik auch nicht verstanden. Ohne Mehrwerterwartung geben Kapitalisten kein Geld für Investitionen aus. Auch »grüne« Investitionen müssen sich selbstredend rechnen. Und auch der vermeintlich »neutrale« Staat, auf den viele setzen, spielt im Kapitalismus immer nur den »Gesamtkapitalisten« (Friedrich Engels), da stehen dann Umweltinvestitionen nicht oben auf der Agenda. Der Staat muss zur Finanzierung Steuern und Abgaben erheben, und/oder er muss sich verschulden. Beides gefällt den Kapitaleignern aber nicht. Die Verschuldungen der Staaten schießen jetzt schon durch die Decke und haben, auch im Zuge der gerade ablaufenden Corona-Pandemie, in so mancher Volkswirtschaft ihre Grenze erreicht. Und die vom Kapital beherrschte Politik wird nicht mit Steuererhöhungen für Vermögende oder mit einem Vermögensschnitt reagieren, um damit die notwendigen Investitionen für die Umwelt zu finanzieren. Ungeachtet dessen, so Birgit Mahnkopf, »wird das Narrativ vom ›grünen Kapitalismus‹ wohl noch einige Zeit als Beruhigungsmittel seine Wirkung tun – obwohl der Pfad des fossil-atomaren Kapitalismus faktisch nicht verlassen wird«.
Und dazu gibt es keine Alternative? Doch die gibt es! Die Abschaffung des Kapitalismus! Der kann sich nach Karl Marx aber leider nur selbst abschaffen. Wer darauf entgegen Marx aber nicht warten will, der muss zumindest die Wirtschaft demokratisieren und die demokratisch gewählte Politik aus den Abhängigkeiten der Wirtschaft, genauer der Kapitalisten, befreien. Da kann man Sahra Wagenknecht getrost Recht geben: »Wer über unsere Wirtschaftsordnung nicht reden und große Vermögen nicht stärker zur Finanzierung des Staates heranziehen will, sollte auch zur Klimapolitik besser schweigen.«