Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Katastrophenliteratur

Die in Mos­kau erschei­nen­de libe­ra­le Wirt­schafts­zei­tung Kom­mersant gab in der Wochen­end­aus­ga­be vom 8. April unter dem Titel »Über die Übel des Tages hin­aus« eini­ge Lese­emp­feh­lun­gen. Sie begin­nen aller­dings mit der ziem­lich tages­ak­tu­el­len Fest­stel­lung: »In Zei­ten der Kata­stro­phe wird alles einer Durch­sicht unter­zo­gen.« Gera­de in sol­chen »Zei­ten« wird den Lese­rin­nen und Lesern die erneu­te Lek­tü­re von vier­zehn Wer­ken rus­si­scher und euro­päi­scher Autoren nahe­ge­legt. Kei­nes der Bücher ist nach 2000 ver­fasst wor­den, aber die aus­führ­lich kom­men­tier­te Liste hat es in sich:

Eugè­ne Iones­co: Die Nashörner
Geor­ge Orwell: 1984
Franz Kaf­ka: Die Verwandlung
Fjo­dor Dosto­jew­skij: Bobok
Ber­tolt Brecht: Mut­ter Cou­ra­ge und ihre Kinder
Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften
Tho­mas Mann: Dok­tor Faustus
Albert Camus: Die Pest
Anton Tschechow: Kran­ken­zim­mer Nr. 6
Wsewo­lod Gar­schin: Vier Tage
Jean-Paul Sart­re: Die Fliegen
Fried­rich Goren­stein: Der Platz
Wil­liam Shake­speare: Richard III.
Charles Dickens: Eine Geschich­te aus zwei Städten

Wer viel­leicht das eine oder ande­re der 14 auf­ge­li­ste­ten Wer­ke nicht kennt, fin­det in der deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia zu 13 von ihnen eige­ne Arti­kel, kann sich also ein­ge­hend infor­mie­ren; ledig­lich Goren­steins monu­men­ta­ler Roman Der Platz (Mesto) hat nur in der rus­sisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia einen eige­nen Arti­kel, was ver­wun­der­lich ist, da der Autor, 1932 in Kiew gebo­ren, ab1966 in Mos­kau ansäs­sig, von 1979 bis zu sei­nem Tod (2002) in Ber­lin gelebt und 1997 in einem Inter­view mit Peter Jacobs in der Ber­li­ner Zei­tung erklärt hat­te: »Nach Russ­land zurück? Ich bin doch kein Masochist.«

In den Lese­emp­feh­lun­gen fin­det sich kein Wort zum gegen­wär­ti­gen Krieg, der soge­nann­ten »mili­tä­ri­schen Son­der­ope­ra­ti­on«. Das ist, wer um die in den Büchern dar­ge­stell­ten Schick­sa­le der Hel­den bezie­hungs­wei­se Anti-Hel­den weiß, auch nicht vonnöten.