Die Darstellung der Psychoanalyse im Film ist ein weites Feld, ein spannendes Thema. Aber nicht hier. Auch ich habe mit großer Begeisterung »In Therapie« (https://www.arte.tv/de/videos/102958-001-A/in-therapie-staffel-2-1-35/) gesehen, freilich weniger, weil ich glaube, dass wir dort psychoanalytischer Arbeit zusehen. Wie könnte das möglich sein? Wie wollte man das Schweigen, die Bearbeitung der Widerstände, Traumdeutungen darstellen, in 20 bis 30 Minuten, von frühkindlicher Sexualität in spießigen Zeiten ganz abgesehen, wenngleich auf stattliche 35 Folgen verteilt? Und welche Psychoanalyse sehen wir da? Es kommt ja vor: Lacan. Nun will ich mich nicht darüber beklagen, dass es weniger um klassische Psychoanalyse geht, sondern um etwas anderes.
Übrigens geht es auch nur am Rande um Corona. Corona hat die Lage verschärft, was recht eigentlich erst in der letzten Folge Thema wird, und bei uns ab und an in den Medien auftaucht. Die versteckten Opfer dieser Pandemie-Politik sind die Kinder.
Was wir erleben sind Geschichten, die der Analytiker aus dem Patienten herausholt. »Ich höre zu« – ist das Mantra, das wir immer wieder hören und auf das sich eingelassen wird. Natürlich ist es im Film legitim, zu verkürzen, zu verdichten. Der Schreiber dieser Zeilen schaut keine Kochshows, kann sich aber vorstellen, dass dort nun nicht gezeigt wird, wie lange es braucht, bis das Wasser kocht. Vielleicht ist das bei der PSA anders? Aber ist das wichtig?
Wie in Romanen werden uns verstörende Lebensgeschichten erzählt, und wie man damit umgeht oder umgegangen wird. Wir sind die Voyeure, die dieses Theater mitverfolgen dürfen, ohne gesehen zu werden. Realität als Fiktion. Aber ist das Realismus?
Wir lernen hier leider nichts über die Massenpsychologie der Pandemie. Dass z. B. eine Frau aus dem Fenster springt wg. Arbeitsüberlastung, hat nur sehr bedingt mit der historischen Situation zu tun, und diese wird verdrängt, indem wir die Nöte ihres Chefs kennenlernen. Ja, PSA ist eigentlich eine Therapie für das Bürgertum, auch wenn sich unser Analytiker notfalls mit Spielzeugfiguren bezahlen lässt.
Ich hoffe, es gibt eine dritte Staffel, in der dann tatsächlich die psychischen Folgen der Pandemie Thema werden, und gern auch die Methoden luzide zwischen den beiden Analytikern analysiert werden, die diese planvoll(?!) geschaffen haben.
Wird das möglich sein? Ich bin ein bisschen skeptisch.
Nun wiederholt sich gerade die »Verrücktmachung« der (gut)gläubigen Bevölkerung auf nächster Stufe. Das Thema ist deutlich stärker und kaum noch steigerbar: Aus dem Krieg gegen die Viren und deren Leugner und Relativierer wird der Krieg gegen die Russen. Endlich werden alte Feindbilder, die nie tot waren, zu neuem verheerenden Leben erweckt, dürfen deutsche Waffen wieder den Osten ins Ziel nehmen, kann die historische Niederlage besser als im Krieg gegen die serbischen KZs bearbeitet werden. (Freilich im Sinne der imperialistischen Bourgeoisie, auch wenn die weniger Deutsch als US-amerikanisch ist.)
»Man bedenke z. B., wieviel Sadismus befriedigt werden kann, wenn das Subjekt glaubt, es handle im Hinblick auf ein höheres Ziel.«*
Wir gehen höllischen Zeiten entgegen, die Katharsis könnte die Klimafrage obsolet machen.
Vielleicht kann der Film gerade deswegen so beeindrucken, weil auch er das Veralten der PSA zeigt; die Menschen sind nur mehr das, was wir sehen. Man bringt sie auf die Spur und sie fahren weiter. Oder sie haben genug. Das Unbehagen in der Kultur wird nicht geschüttelt, höchstens ein bisschen gerührt.
PS: Der Schreiber dieser Zeilen geht ohne Maske einkaufen und freut sich seiner »Freiheit« – und wundert sich, wie viele, auch junge Leute noch diese Maske tragen. Ist das nun nur bei uns so? Ein schlechtes Zeichen für eine mögliche andere Freiheit/Demokratie.
*Das Zitat stammt aus: Fenichel, Otto: Aufsätze. 2 Bde. Herausgegeben von Klaus Laermann, Frankfurt a. M./Berlin/Wien, Ullstein 1985.