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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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»In Therapie«

Die Dar­stel­lung der Psy­cho­ana­ly­se im Film ist ein wei­tes Feld, ein span­nen­des The­ma. Aber nicht hier. Auch ich habe mit gro­ßer Begei­ste­rung »In The­ra­pie« (https://www.arte.tv/de/videos/102958-001-A/in-therapie-staffel-2-1-35/) gese­hen, frei­lich weni­ger, weil ich glau­be, dass wir dort psy­cho­ana­ly­ti­scher Arbeit zuse­hen. Wie könn­te das mög­lich sein? Wie woll­te man das Schwei­gen, die Bear­bei­tung der Wider­stän­de, Traum­deu­tun­gen dar­stel­len, in 20 bis 30 Minu­ten, von früh­kind­li­cher Sexua­li­tät in spie­ßi­gen Zei­ten ganz abge­se­hen, wenn­gleich auf statt­li­che 35 Fol­gen ver­teilt? Und wel­che Psy­cho­ana­ly­se sehen wir da? Es kommt ja vor: Lacan. Nun will ich mich nicht dar­über bekla­gen, dass es weni­ger um klas­si­sche Psy­cho­ana­ly­se geht, son­dern um etwas anderes.

Übri­gens geht es auch nur am Ran­de um Coro­na. Coro­na hat die Lage ver­schärft, was recht eigent­lich erst in der letz­ten Fol­ge The­ma wird, und bei uns ab und an in den Medi­en auf­taucht. Die ver­steck­ten Opfer die­ser Pan­de­mie-Poli­tik sind die Kinder.

Was wir erle­ben sind Geschich­ten, die der Ana­ly­ti­ker aus dem Pati­en­ten her­aus­holt. »Ich höre zu« – ist das Man­tra, das wir immer wie­der hören und auf das sich ein­ge­las­sen wird. Natür­lich ist es im Film legi­tim, zu ver­kür­zen, zu ver­dich­ten. Der Schrei­ber die­ser Zei­len schaut kei­ne Koch­shows, kann sich aber vor­stel­len, dass dort nun nicht gezeigt wird, wie lan­ge es braucht, bis das Was­ser kocht. Viel­leicht ist das bei der PSA anders? Aber ist das wichtig?

Wie in Roma­nen wer­den uns ver­stö­ren­de Lebens­ge­schich­ten erzählt, und wie man damit umgeht oder umge­gan­gen wird. Wir sind die Voy­eu­re, die die­ses Thea­ter mit­ver­fol­gen dür­fen, ohne gese­hen zu wer­den. Rea­li­tät als Fik­ti­on. Aber ist das Realismus?

Wir ler­nen hier lei­der nichts über die Mas­sen­psy­cho­lo­gie der Pan­de­mie. Dass z. B. eine Frau aus dem Fen­ster springt wg. Arbeits­über­la­stung, hat nur sehr bedingt mit der histo­ri­schen Situa­ti­on zu tun, und die­se wird ver­drängt, indem wir die Nöte ihres Chefs ken­nen­ler­nen. Ja, PSA ist eigent­lich eine The­ra­pie für das Bür­ger­tum, auch wenn sich unser Ana­ly­ti­ker not­falls mit Spiel­zeug­fi­gu­ren bezah­len lässt.

Ich hof­fe, es gibt eine drit­te Staf­fel, in der dann tat­säch­lich die psy­chi­schen Fol­gen der Pan­de­mie The­ma wer­den, und gern auch die Metho­den luzi­de zwi­schen den bei­den Ana­ly­ti­kern ana­ly­siert wer­den, die die­se plan­voll(?!) geschaf­fen haben.

Wird das mög­lich sein? Ich bin ein biss­chen skeptisch.

Nun wie­der­holt sich gera­de die »Ver­rückt­ma­chung« der (gut)gläubigen Bevöl­ke­rung auf näch­ster Stu­fe. Das The­ma ist deut­lich stär­ker und kaum noch stei­ger­bar: Aus dem Krieg gegen die Viren und deren Leug­ner und Rela­ti­vie­rer wird der Krieg gegen die Rus­sen. End­lich wer­den alte Feind­bil­der, die nie tot waren, zu neu­em ver­hee­ren­den Leben erweckt, dür­fen deut­sche Waf­fen wie­der den Osten ins Ziel neh­men, kann die histo­ri­sche Nie­der­la­ge bes­ser als im Krieg gegen die ser­bi­schen KZs bear­bei­tet wer­den. (Frei­lich im Sin­ne der impe­ria­li­sti­schen Bour­geoi­sie, auch wenn die weni­ger Deutsch als US-ame­ri­ka­nisch ist.)

»Man beden­ke z. B., wie­viel Sadis­mus befrie­digt wer­den kann, wenn das Sub­jekt glaubt, es hand­le im Hin­blick auf ein höhe­res Ziel.«*

Wir gehen höl­li­schen Zei­ten ent­ge­gen, die Kathar­sis könn­te die Kli­ma­fra­ge obso­let machen.

Viel­leicht kann der Film gera­de des­we­gen so beein­drucken, weil auch er das Ver­al­ten der PSA zeigt; die Men­schen sind nur mehr das, was wir sehen. Man bringt sie auf die Spur und sie fah­ren wei­ter. Oder sie haben genug. Das Unbe­ha­gen in der Kul­tur wird nicht geschüt­telt, höch­stens ein biss­chen gerührt.

PS: Der Schrei­ber die­ser Zei­len geht ohne Mas­ke ein­kau­fen und freut sich sei­ner »Frei­heit« – und wun­dert sich, wie vie­le, auch jun­ge Leu­te noch die­se Mas­ke tra­gen. Ist das nun nur bei uns so? Ein schlech­tes Zei­chen für eine mög­li­che ande­re Freiheit/​Demokratie.

*Das Zitat stammt aus: Feni­chel, Otto: Auf­sät­ze. 2 Bde. Her­aus­ge­ge­ben von Klaus Laer­mann, Frank­furt a. M./Berlin/Wien, Ull­stein 1985.