Der am 12. Juli 86-jährig gestorbene Berliner Maler, Zeichner und Graphiker, der fast ein ganzes Menschenleben zwischen Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain verbracht hat, war immer ein Einzelgänger, obwohl er mit seinen Künstlerfreunden stets intensive Kontakte unterhielt. Diese Stadt, so bekannte Klaus Roenspieß, »hat mich auch außerkünstlerisch immer als Ganzes bewegt und interessiert. Ich habe sie auch zu allen Zeiten auf weiten Wegen durchstreift. Mit dieser bekannten Einschränkung, die es da gab, schmerzlich« (gemeint ist die Mauer).
Durch seine dunkle, feste Malerei, den expressiven Grundgestus, der Raum durch Wirkung und Gegen-wirkung von Farbe erzeugt, ist er bekannt geworden. Scheinbar wird das Gegenständliche verschluckt durch die monochrome Farbe (man hat auch von einer »schwarzen Periode« gesprochen). Doch aus dem Dunkel wachsen magisch, geheimnisvoll Formen und Farben hervor, vermitteln Tröstliches und Bedrohliches. Geisterhaft, vexierbildhaft tauchen gegenständliche Motive auf – Bäume, Straßen, Mauern, Brücken, Kanäle, Gebäude, Höfe, Strände in unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. Diese Vexierbilder muss sich das Auge des Betrachters erst aus dem Farbgefüge zusammensuchen. Gegenständliches und Physiognomiehaftes werden vom Künstler in den gegenstandslosen Formablauf impliziert. Er vermochte so, eine Sprache von unerhörter Sensibilität zu entwickeln. Der Betrachter findet Brücken in die Erinnerung und eigene Erfahrung, aber stets fügte der Künstler dem Bekannten – nie ging es ihm um topografische Identität – Unbekanntes hinzu und führte den Betrachter so unversehens in seine geistige Provinz, wo Erscheinung und Vision die Wirklichkeit verdrängt haben und uns von Zerrissenheit und Unruhe befreien sollen.
Seit Mitte der 1980er Jahre hatte sich seine Farbskala erhellt, war die Bildtektonik in Bewegung, in Veränderung geraten. Aus fast absichtslos gesetzten Formen und Farben ergab sich das Bildzeichen einer Stadt oder Landschaft. Mitunter wurde aus dem Schwarz-Blau-Grau nur ein scheinbar unwichtiger Moment – ein gelb-oranger Fleck – hervorgehoben (»Stadtbild«, Öl, 1986/87). Vielfach ist die Erinnerung an menschliche Figurationen in seinen Bildern verwoben. Sie stehen auch als Rückenfiguren – stellvertretend für den Betrachter – und schauen in die Landschaft (»Hommage à Caspar David Friedrich«, Öl, 1989). Die Farbe treibt als »Losgelöstes« der Gegenstandslosigkeit der Verwirklichung des anschauungsfreien Sehens entgegen. Es ging Roenspieß nicht um den flüchtigen Augenblick, nicht um das Vorüberhuschende und Entgleitende der Erscheinung, sondern um deren Dichte und Dauer im Sinne der gestalteten Malerei, die sich in die Natur nicht mehr einfühlt, sondern ihr eine Ordnung entrissen hat, die im Kunstwerk jetzt selbständig gegenüber der Natur steht. Ein jedes Bild stellt so eine seelische Zerreißprobe dar. Lautlos haben sich Gedanken auf den Gegenständen abgelagert. Die Empfindung wird zur Wirklichkeit. Mit rein optischen Mitteln kann die freigesetzte Farbe Gefühle hervorrufen.
Die (Farb-)Holzschnitte von Klaus Roenspieß sind zu einer Art von »Stenogramm« verkürzt; nur noch die wesentlichsten Elemente werden angedeutet. Die reinen Schwarz-Weiß-Kontraste werden ohne Zwischentöne und Übergänge als Gestaltungsmittel verwendet. In seiner Malerei ist das Zeichen von vornherein als farbige Erscheinung da, im Holzschnitt ist das Schwarz die entsprechende »Farbe« und steigert sich zu höchster Intensität.
Die Galerie der Berliner Graphikpresse, die sein Werk vertritt, gedenkt dieses stillen Künstlers, der die Berliner Bildszene wesentlich geprägt hat: »Klaus Roenspieß in memoriam«. Galerie der Berliner Graphikpresse, Silvio-Meier-Str. 6, 10247 Berlin-Friedrichshain. Eröffnung am 25. August, 18-21 Uhr (vorherige Anmeldung nötig) bis zum 1. Oktober 2021, Mi-Fr 13-19 Uhr, Sa 11-15 Uhr sowie nach Vereinbarung, Tel. 030-420 124 40, E_Mail: ulber@galerie-berliner-graphikpresse.de.